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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Achtes Buch. Sechstes Hauptstück.
Verbindlichkeit des Vertrages entgegen gesetzt werden kön-
nen, und da jede Macht hierinn ihrer eigenen Einsicht
folget, so ist nicht zu verwundern, wenn in einem so be-
denklichen Punct so oft entweder die begehrte Theilnahme
verweigert, oder aufgeschoben, oder unvollständig geleistet
wird a).

a) Moser Versuch B. X. Th. I. S. 43.
§. 295.
Von Alliirten in einem gemeinschaftlichen Kriege.

In gemeinschaftlichen Kriegen zweyer Alliirten gegen
einen dritten Staat sind jene, in dem was den Krieg be-
trifft, als eine Macht zu beurtheilen, es sey von Führung
des Kriegs, oder von Schliessung des Friedens die Rede. Da-
her müssen sie 1) die Operationsplane gemeinschaftlich ver-
abreden a), es sey daß sie einen gemeinschaftlichen Ober-
befehlshaber erwählen oder nicht 2) Beute und Eroberun-
gen die mit gemeinschaftlichen Waffen gemacht worden sind
unter ihnen zu theilen, und bey Schliessung eines Friedens
zum Vortheil beider in Anschlag zu bringen b); 3) das
ius postliminii hat in Wiedereroberungsfällen unter ihnen
gleichmäßig statt c). 4) Kein Theil darf der Regel sich
einseitig für neutral erklären, allgemeinen Waffenstillstand
oder Frieden schliessen, es wäre denn, 1) daß ein wahrer
Nothfall ihn zwänge, oder 2) der Alliirte seinen Pflichten
nicht nachgekommen wäre, 3) der Zweck der Allianz gar
nicht mehr zu erreichen stünde, oder 4) der Alliirte einen
billigen Frieden der ihm angeboten wird anzunehmen wei-
gerte. Vielweniger kann es daher erlaubt seyn, sich mit
dem bisher gemeinschaftlichen Feinde gegen den Alliirten
zu verbünden.

Alle diese Pflichten fliessen zwar schon aus der Natur
der Allianz von selbst, doch pflegt überdieß in den Kriegs-
bündnissen ausdrücklich bestimmt zu werden, daß man sich
von dem Alliirten nicht trennen wolle.


a) Dar-

Achtes Buch. Sechstes Hauptſtuͤck.
Verbindlichkeit des Vertrages entgegen geſetzt werden koͤn-
nen, und da jede Macht hierinn ihrer eigenen Einſicht
folget, ſo iſt nicht zu verwundern, wenn in einem ſo be-
denklichen Punct ſo oft entweder die begehrte Theilnahme
verweigert, oder aufgeſchoben, oder unvollſtaͤndig geleiſtet
wird a).

a) Moſer Verſuch B. X. Th. I. S. 43.
§. 295.
Von Alliirten in einem gemeinſchaftlichen Kriege.

In gemeinſchaftlichen Kriegen zweyer Alliirten gegen
einen dritten Staat ſind jene, in dem was den Krieg be-
trifft, als eine Macht zu beurtheilen, es ſey von Fuͤhrung
des Kriegs, oder von Schlieſſung des Friedens die Rede. Da-
her muͤſſen ſie 1) die Operationsplane gemeinſchaftlich ver-
abreden a), es ſey daß ſie einen gemeinſchaftlichen Ober-
befehlshaber erwaͤhlen oder nicht 2) Beute und Eroberun-
gen die mit gemeinſchaftlichen Waffen gemacht worden ſind
unter ihnen zu theilen, und bey Schlieſſung eines Friedens
zum Vortheil beider in Anſchlag zu bringen b); 3) das
ius poſtliminii hat in Wiedereroberungsfaͤllen unter ihnen
gleichmaͤßig ſtatt c). 4) Kein Theil darf der Regel ſich
einſeitig fuͤr neutral erklaͤren, allgemeinen Waffenſtillſtand
oder Frieden ſchlieſſen, es waͤre denn, 1) daß ein wahrer
Nothfall ihn zwaͤnge, oder 2) der Alliirte ſeinen Pflichten
nicht nachgekommen waͤre, 3) der Zweck der Allianz gar
nicht mehr zu erreichen ſtuͤnde, oder 4) der Alliirte einen
billigen Frieden der ihm angeboten wird anzunehmen wei-
gerte. Vielweniger kann es daher erlaubt ſeyn, ſich mit
dem bisher gemeinſchaftlichen Feinde gegen den Alliirten
zu verbuͤnden.

Alle dieſe Pflichten flieſſen zwar ſchon aus der Natur
der Allianz von ſelbſt, doch pflegt uͤberdieß in den Kriegs-
buͤndniſſen ausdruͤcklich beſtimmt zu werden, daß man ſich
von dem Alliirten nicht trennen wolle.


a) Dar-
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[334/0362] Achtes Buch. Sechstes Hauptſtuͤck. Verbindlichkeit des Vertrages entgegen geſetzt werden koͤn- nen, und da jede Macht hierinn ihrer eigenen Einſicht folget, ſo iſt nicht zu verwundern, wenn in einem ſo be- denklichen Punct ſo oft entweder die begehrte Theilnahme verweigert, oder aufgeſchoben, oder unvollſtaͤndig geleiſtet wird a). a⁾ Moſer Verſuch B. X. Th. I. S. 43. §. 295. Von Alliirten in einem gemeinſchaftlichen Kriege. In gemeinſchaftlichen Kriegen zweyer Alliirten gegen einen dritten Staat ſind jene, in dem was den Krieg be- trifft, als eine Macht zu beurtheilen, es ſey von Fuͤhrung des Kriegs, oder von Schlieſſung des Friedens die Rede. Da- her muͤſſen ſie 1) die Operationsplane gemeinſchaftlich ver- abreden a), es ſey daß ſie einen gemeinſchaftlichen Ober- befehlshaber erwaͤhlen oder nicht 2) Beute und Eroberun- gen die mit gemeinſchaftlichen Waffen gemacht worden ſind unter ihnen zu theilen, und bey Schlieſſung eines Friedens zum Vortheil beider in Anſchlag zu bringen b); 3) das ius poſtliminii hat in Wiedereroberungsfaͤllen unter ihnen gleichmaͤßig ſtatt c). 4) Kein Theil darf der Regel ſich einſeitig fuͤr neutral erklaͤren, allgemeinen Waffenſtillſtand oder Frieden ſchlieſſen, es waͤre denn, 1) daß ein wahrer Nothfall ihn zwaͤnge, oder 2) der Alliirte ſeinen Pflichten nicht nachgekommen waͤre, 3) der Zweck der Allianz gar nicht mehr zu erreichen ſtuͤnde, oder 4) der Alliirte einen billigen Frieden der ihm angeboten wird anzunehmen wei- gerte. Vielweniger kann es daher erlaubt ſeyn, ſich mit dem bisher gemeinſchaftlichen Feinde gegen den Alliirten zu verbuͤnden. Alle dieſe Pflichten flieſſen zwar ſchon aus der Natur der Allianz von ſelbſt, doch pflegt uͤberdieß in den Kriegs- buͤndniſſen ausdruͤcklich beſtimmt zu werden, daß man ſich von dem Alliirten nicht trennen wolle. a) Dar-

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/362>, abgerufen am 19.04.2024.