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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Von dem Religions-Zustande in Europa.
Heer von Zwistigkeiten, die im 11ten Jahrhundert eine
gänzliche Trennung der griechischen und lateinischen Kirche
bewürkten, von welchen jene nur noch in Rußland die
herrschende ist, und in Ungarn Polen und der Türkey
auch hin und wieder in Theilen anderer Staaten geduldet
wird, aber kein gemeinsames höchste geistliche Oberhaupt
erkennt, indeß die Lateinische die bis ins 16te Jahrhundert
die übrigen Theile von Europa begriff, im geistlichen den
Pabst als Oberhaupt der Kirche erkannte, dem auch ein
Theil der Griechen, unter dem Nahmen der Unirten, sich
wieder bedingt unterworfen hat.

§. 27.
Catholische und Reformirte.

Seit aber Luthers Reformation in Teuschland und
Zwingli hernach Calvins Reformation in der Schweiz festen
Fuß gefaßt, und, obwohl unter unglücklichen hier und dort
zwischen den Anhängern dieser beiden Reformationen, ent-
standenen Streitigkeiten Luthers Lehre in Preußen 1525, bald
darauf in Danemark, später in Schweden angenommen,
Calvins Lehre in Holland, und mit ungleichem Schicksal
in Frankreich verbreitet worden, England und Schott-
land
nach diesen Mustern ihre eigene Reformation vor-
genommen, ward das Ende der nahmenlosen Streitigkei-
ten, Verfolgungen und blutigen Kriege denen diese Ver-
schiedenheit der Glaubensmeinungen, bald zum Grund, bald
zum Vorwand dienten, dieses, daß ein beträchtlicher Theil
Europens sich ganz von der Römischen Kirche getrennt und
jeder dieser Staaten für sich eine Kirche gebildet hat, ohne
zwischen mehreren Staaten auch nur eine gleiche Gesell-
schaft zu Ausübung der kirchlichen Gewalt zu schließen a);
der übrige Theil der ehemahligen Mitglieder der Römi-
schen Kirche, als der größeste Theil von Europa aber,
zwar noch jetzt den Pabst als gemeinsames Oberhaupt der
Kirche erkennt, doch nach Verschiedenheit des angenommenen
Systems, und der geschloßenen Concordate b), dessen allge-
mein beschränktere Macht zum Theil noch mehr beschränkt hat.

Frank-
C 4

Von dem Religions-Zuſtande in Europa.
Heer von Zwiſtigkeiten, die im 11ten Jahrhundert eine
gaͤnzliche Trennung der griechiſchen und lateiniſchen Kirche
bewuͤrkten, von welchen jene nur noch in Rußland die
herrſchende iſt, und in Ungarn Polen und der Tuͤrkey
auch hin und wieder in Theilen anderer Staaten geduldet
wird, aber kein gemeinſames hoͤchſte geiſtliche Oberhaupt
erkennt, indeß die Lateiniſche die bis ins 16te Jahrhundert
die uͤbrigen Theile von Europa begriff, im geiſtlichen den
Pabſt als Oberhaupt der Kirche erkannte, dem auch ein
Theil der Griechen, unter dem Nahmen der Unirten, ſich
wieder bedingt unterworfen hat.

§. 27.
Catholiſche und Reformirte.

Seit aber Luthers Reformation in Teuſchland und
Zwingli hernach Calvins Reformation in der Schweiz feſten
Fuß gefaßt, und, obwohl unter ungluͤcklichen hier und dort
zwiſchen den Anhaͤngern dieſer beiden Reformationen, ent-
ſtandenen Streitigkeiten Luthers Lehre in Preußen 1525, bald
darauf in Danemark, ſpaͤter in Schweden angenommen,
Calvins Lehre in Holland, und mit ungleichem Schickſal
in Frankreich verbreitet worden, England und Schott-
land
nach dieſen Muſtern ihre eigene Reformation vor-
genommen, ward das Ende der nahmenloſen Streitigkei-
ten, Verfolgungen und blutigen Kriege denen dieſe Ver-
ſchiedenheit der Glaubensmeinungen, bald zum Grund, bald
zum Vorwand dienten, dieſes, daß ein betraͤchtlicher Theil
Europens ſich ganz von der Roͤmiſchen Kirche getrennt und
jeder dieſer Staaten fuͤr ſich eine Kirche gebildet hat, ohne
zwiſchen mehreren Staaten auch nur eine gleiche Geſell-
ſchaft zu Ausuͤbung der kirchlichen Gewalt zu ſchließen a);
der uͤbrige Theil der ehemahligen Mitglieder der Roͤmi-
ſchen Kirche, als der groͤßeſte Theil von Europa aber,
zwar noch jetzt den Pabſt als gemeinſames Oberhaupt der
Kirche erkennt, doch nach Verſchiedenheit des angenommenen
Syſtems, und der geſchloßenen Concordate b), deſſen allge-
mein beſchraͤnktere Macht zum Theil noch mehr beſchraͤnkt hat.

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[39/0067] Von dem Religions-Zuſtande in Europa. Heer von Zwiſtigkeiten, die im 11ten Jahrhundert eine gaͤnzliche Trennung der griechiſchen und lateiniſchen Kirche bewuͤrkten, von welchen jene nur noch in Rußland die herrſchende iſt, und in Ungarn Polen und der Tuͤrkey auch hin und wieder in Theilen anderer Staaten geduldet wird, aber kein gemeinſames hoͤchſte geiſtliche Oberhaupt erkennt, indeß die Lateiniſche die bis ins 16te Jahrhundert die uͤbrigen Theile von Europa begriff, im geiſtlichen den Pabſt als Oberhaupt der Kirche erkannte, dem auch ein Theil der Griechen, unter dem Nahmen der Unirten, ſich wieder bedingt unterworfen hat. §. 27. Catholiſche und Reformirte. Seit aber Luthers Reformation in Teuſchland und Zwingli hernach Calvins Reformation in der Schweiz feſten Fuß gefaßt, und, obwohl unter ungluͤcklichen hier und dort zwiſchen den Anhaͤngern dieſer beiden Reformationen, ent- ſtandenen Streitigkeiten Luthers Lehre in Preußen 1525, bald darauf in Danemark, ſpaͤter in Schweden angenommen, Calvins Lehre in Holland, und mit ungleichem Schickſal in Frankreich verbreitet worden, England und Schott- land nach dieſen Muſtern ihre eigene Reformation vor- genommen, ward das Ende der nahmenloſen Streitigkei- ten, Verfolgungen und blutigen Kriege denen dieſe Ver- ſchiedenheit der Glaubensmeinungen, bald zum Grund, bald zum Vorwand dienten, dieſes, daß ein betraͤchtlicher Theil Europens ſich ganz von der Roͤmiſchen Kirche getrennt und jeder dieſer Staaten fuͤr ſich eine Kirche gebildet hat, ohne zwiſchen mehreren Staaten auch nur eine gleiche Geſell- ſchaft zu Ausuͤbung der kirchlichen Gewalt zu ſchließen a); der uͤbrige Theil der ehemahligen Mitglieder der Roͤmi- ſchen Kirche, als der groͤßeſte Theil von Europa aber, zwar noch jetzt den Pabſt als gemeinſames Oberhaupt der Kirche erkennt, doch nach Verſchiedenheit des angenommenen Syſtems, und der geſchloßenen Concordate b), deſſen allge- mein beſchraͤnktere Macht zum Theil noch mehr beſchraͤnkt hat. Frank- C 4

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/67>, abgerufen am 18.04.2024.