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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Zweytes Buch. Erstes Hauptstück.
§. 34.
Meerengen, Meerbusen. Mare proximum.

In eben dem Maaße, in welchem eine Nation das
Eigenthum über einen Fluß behaupten kann und darf, ist
sie auch im Stande und befugt das Eigenthum über eine
Meerenge, oder Meerbusen, die von den Ufern aus mit
Canonen bestrichen werden können, entweder bis an das
entgegengesetzte Ufer, oder bis an die Mitte sich beyzule-
gen. Aus eben diesen Gründen kann eine Nation auch die
zunächst angrenzenden Theile des Meeres (mare proxi-
mum
) sich zueignen, und zwar nach einem natürlichen und
jetzt allgemein anerkannten Grundsatze a) wenigstens so
weit, als sie dasselbe von dem Ufer aus mir Canonen be-
streichen kann b).

a) Ehemahls behaupteten einige, das Eigenthum gehe so weit als die
Stimme eines Menschen vom Ufer aus gehöret werden könne, an-
dere so weit ein Wurfspieß trage, andere bestimmten willkührlich
eine Meilenzahl. Von diesen verschiedenen Meinungen und dem
heutigen Grundsatze sehe man: Loccenius de iure maritimo in
Heineccii scriptores rei maritimae p. 921. Bodinus de republica
Lib. I. cap. 10. p.
170. d. Pariser Ausgabe. Bynkershofk de
dominio maris
cap.
2.
b) Pfeffel in principes du droit naturel L. III. cap. IV. §. 15. giebt
als jetzt herkömmlichen Grundsatz die Entfernung von 3 lieues
an. Dieser ist nach in vielen Verträgen angenommen, obgleich
keine Canone, zumahl über See, so weit trägt.
§. 35.
Angränzende Meere.

Kann aber eine Nation nicht auch auf Flüsse,
Meerengen, Meerbusen die zu breit sind, um von den
Ufern aus mit Canonen bestrichen zu werden, auf größere
Theile eines angränzenden Meeres sich ein Eigenthum er-
werben a)? Physisch möglich ist es ein solches Eigenthum
zu erwerben und zu behaupten, es sey mit Hülfe des Lo-
cals b), oder durch eine Flotte; auch als widerrechtlich läßt

sich
Zweytes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
§. 34.
Meerengen, Meerbuſen. Mare proximum.

In eben dem Maaße, in welchem eine Nation das
Eigenthum uͤber einen Fluß behaupten kann und darf, iſt
ſie auch im Stande und befugt das Eigenthum uͤber eine
Meerenge, oder Meerbuſen, die von den Ufern aus mit
Canonen beſtrichen werden koͤnnen, entweder bis an das
entgegengeſetzte Ufer, oder bis an die Mitte ſich beyzule-
gen. Aus eben dieſen Gruͤnden kann eine Nation auch die
zunaͤchſt angrenzenden Theile des Meeres (mare proxi-
mum
) ſich zueignen, und zwar nach einem natuͤrlichen und
jetzt allgemein anerkannten Grundſatze a) wenigſtens ſo
weit, als ſie daſſelbe von dem Ufer aus mir Canonen be-
ſtreichen kann b).

a) Ehemahls behaupteten einige, das Eigenthum gehe ſo weit als die
Stimme eines Menſchen vom Ufer aus gehoͤret werden koͤnne, an-
dere ſo weit ein Wurfſpieß trage, andere beſtimmten willkuͤhrlich
eine Meilenzahl. Von dieſen verſchiedenen Meinungen und dem
heutigen Grundſatze ſehe man: Loccenius de iure maritimo in
Heineccii ſcriptores rei maritimae p. 921. Bodinus de republica
Lib. I. cap. 10. p.
170. d. Pariſer Ausgabe. Bynkershofk de
dominio maris
cap.
2.
b) Pfeffel in principes du droit naturel L. III. cap. IV. §. 15. giebt
als jetzt herkoͤmmlichen Grundſatz die Entfernung von 3 lieues
an. Dieſer iſt nach in vielen Vertraͤgen angenommen, obgleich
keine Canone, zumahl uͤber See, ſo weit traͤgt.
§. 35.
Angraͤnzende Meere.

Kann aber eine Nation nicht auch auf Fluͤſſe,
Meerengen, Meerbuſen die zu breit ſind, um von den
Ufern aus mit Canonen beſtrichen zu werden, auf groͤßere
Theile eines angraͤnzenden Meeres ſich ein Eigenthum er-
werben a)? Phyſiſch moͤglich iſt es ein ſolches Eigenthum
zu erwerben und zu behaupten, es ſey mit Huͤlfe des Lo-
cals b), oder durch eine Flotte; auch als widerrechtlich laͤßt

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[46/0074] Zweytes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck. §. 34. Meerengen, Meerbuſen. Mare proximum. In eben dem Maaße, in welchem eine Nation das Eigenthum uͤber einen Fluß behaupten kann und darf, iſt ſie auch im Stande und befugt das Eigenthum uͤber eine Meerenge, oder Meerbuſen, die von den Ufern aus mit Canonen beſtrichen werden koͤnnen, entweder bis an das entgegengeſetzte Ufer, oder bis an die Mitte ſich beyzule- gen. Aus eben dieſen Gruͤnden kann eine Nation auch die zunaͤchſt angrenzenden Theile des Meeres (mare proxi- mum) ſich zueignen, und zwar nach einem natuͤrlichen und jetzt allgemein anerkannten Grundſatze a) wenigſtens ſo weit, als ſie daſſelbe von dem Ufer aus mir Canonen be- ſtreichen kann b). a⁾ Ehemahls behaupteten einige, das Eigenthum gehe ſo weit als die Stimme eines Menſchen vom Ufer aus gehoͤret werden koͤnne, an- dere ſo weit ein Wurfſpieß trage, andere beſtimmten willkuͤhrlich eine Meilenzahl. Von dieſen verſchiedenen Meinungen und dem heutigen Grundſatze ſehe man: Loccenius de iure maritimo in Heineccii ſcriptores rei maritimae p. 921. Bodinus de republica Lib. I. cap. 10. p. 170. d. Pariſer Ausgabe. Bynkershofk de dominio maris cap. 2. b⁾ Pfeffel in principes du droit naturel L. III. cap. IV. §. 15. giebt als jetzt herkoͤmmlichen Grundſatz die Entfernung von 3 lieues an. Dieſer iſt nach in vielen Vertraͤgen angenommen, obgleich keine Canone, zumahl uͤber See, ſo weit traͤgt. §. 35. Angraͤnzende Meere. Kann aber eine Nation nicht auch auf Fluͤſſe, Meerengen, Meerbuſen die zu breit ſind, um von den Ufern aus mit Canonen beſtrichen zu werden, auf groͤßere Theile eines angraͤnzenden Meeres ſich ein Eigenthum er- werben a)? Phyſiſch moͤglich iſt es ein ſolches Eigenthum zu erwerben und zu behaupten, es ſey mit Huͤlfe des Lo- cals b), oder durch eine Flotte; auch als widerrechtlich laͤßt ſich

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/74>, abgerufen am 20.04.2024.