Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweytes Buch. Erstes Hauptstück.
§. 38.
Wirkungen des Eigenthums. Oberherrschaft.

Schon aus dem Begriffe des Eigenthums fließt, daß
eine Nation das Recht habe, alle andere von dem Ge-
brauch und der Disposition über ihr rechtmäßig erworbenes
Eigenthum auszuschließen; sie hat daher auch das Recht,
denen, welchen sie einen Gebrauch desselben einräumt,
hierinn Gesetze vorzuschreiben. Sofern ist Oberherrschaft
Folge des unumschränkten Eigenthums. Auch auf Güter
die keinen Eigenthümer haben, ist eine Oberherrschaft ge-
denkbar; aber diese setzt Einwilligung desjenigen voraus,
über den sie ausgeübt werden soll, und kann daher nur
über diesen rechtmäßig behauptet werden. Daher könnte
zwar Oberherrschaft über nicht occupirte Lande, über nicht
occupirte Theile des Meers, selbst über das weite Welt-
meer statt haben. Aber letztere ist nie einem Europäischen
Volk von den übrigen eingeräumt worden, und wiefern er-
stere hin und wieder von einzelnen Völkern anerkannt wor-
den, wird erst unten bey Erörterung der Rechte vorkom-
men, welche Kraft eines erworbenen oder behaupteten Ei-
genthums oder Oberherrschaft zu Lande und zu Wasser aus-
geübt werden.

§. 39.
Recht auf den Zuwachs.

Das Recht des Eigenthums erstreckt sich auch auf
den natürlichen Zuwachs, und es läßt sich zwischen An-
spielungen und Anwurf nach dem natürlichen Recht kein
Unterschied machen, auch die Nothwendigkeit einer beson-
deren Occupation des letzteren nicht erweisen a).

a) S. überhaupt Vattel L. I. c. 22. §. 268. 275. Günther Th.
II, S. 57. u. f. Von den Streitigkeiten zwischen Holland und
den Gen. Staaten, über die Grenzen von Flandern und über
das Eigenthum auf Hoogeplaat. S. den Vergleich vom 23 Febr.
1776. Pestel commentarii §. 268.



Zweytes
Zweytes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
§. 38.
Wirkungen des Eigenthums. Oberherrſchaft.

Schon aus dem Begriffe des Eigenthums fließt, daß
eine Nation das Recht habe, alle andere von dem Ge-
brauch und der Diſpoſition uͤber ihr rechtmaͤßig erworbenes
Eigenthum auszuſchließen; ſie hat daher auch das Recht,
denen, welchen ſie einen Gebrauch deſſelben einraͤumt,
hierinn Geſetze vorzuſchreiben. Sofern iſt Oberherrſchaft
Folge des unumſchraͤnkten Eigenthums. Auch auf Guͤter
die keinen Eigenthuͤmer haben, iſt eine Oberherrſchaft ge-
denkbar; aber dieſe ſetzt Einwilligung desjenigen voraus,
uͤber den ſie ausgeuͤbt werden ſoll, und kann daher nur
uͤber dieſen rechtmaͤßig behauptet werden. Daher koͤnnte
zwar Oberherrſchaft uͤber nicht occupirte Lande, uͤber nicht
occupirte Theile des Meers, ſelbſt uͤber das weite Welt-
meer ſtatt haben. Aber letztere iſt nie einem Europaͤiſchen
Volk von den uͤbrigen eingeraͤumt worden, und wiefern er-
ſtere hin und wieder von einzelnen Voͤlkern anerkannt wor-
den, wird erſt unten bey Eroͤrterung der Rechte vorkom-
men, welche Kraft eines erworbenen oder behaupteten Ei-
genthums oder Oberherrſchaft zu Lande und zu Waſſer aus-
geuͤbt werden.

§. 39.
Recht auf den Zuwachs.

Das Recht des Eigenthums erſtreckt ſich auch auf
den natuͤrlichen Zuwachs, und es laͤßt ſich zwiſchen An-
ſpielungen und Anwurf nach dem natuͤrlichen Recht kein
Unterſchied machen, auch die Nothwendigkeit einer beſon-
deren Occupation des letzteren nicht erweiſen a).

a) S. uͤberhaupt Vattel L. I. c. 22. §. 268. 275. Guͤnther Th.
II, S. 57. u. f. Von den Streitigkeiten zwiſchen Holland und
den Gen. Staaten, uͤber die Grenzen von Flandern und uͤber
das Eigenthum auf Hoogeplaat. S. den Vergleich vom 23 Febr.
1776. Pestel commentarii §. 268.



Zweytes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0078" n="50"/>
          <fw place="top" type="header">Zweytes Buch. Er&#x017F;tes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 38.<lb/><hi rendition="#fr">Wirkungen des Eigenthums. Oberherr&#x017F;chaft.</hi></head><lb/>
            <p>Schon aus dem Begriffe des Eigenthums fließt, daß<lb/>
eine Nation das Recht habe, alle andere von dem Ge-<lb/>
brauch und der Di&#x017F;po&#x017F;ition u&#x0364;ber ihr rechtma&#x0364;ßig erworbenes<lb/>
Eigenthum auszu&#x017F;chließen; &#x017F;ie hat daher auch das Recht,<lb/>
denen, welchen &#x017F;ie einen Gebrauch de&#x017F;&#x017F;elben einra&#x0364;umt,<lb/>
hierinn Ge&#x017F;etze vorzu&#x017F;chreiben. Sofern i&#x017F;t Oberherr&#x017F;chaft<lb/>
Folge des unum&#x017F;chra&#x0364;nkten Eigenthums. Auch auf Gu&#x0364;ter<lb/>
die keinen Eigenthu&#x0364;mer haben, i&#x017F;t eine Oberherr&#x017F;chaft ge-<lb/>
denkbar; aber die&#x017F;e &#x017F;etzt Einwilligung desjenigen voraus,<lb/>
u&#x0364;ber den &#x017F;ie ausgeu&#x0364;bt werden &#x017F;oll, und kann daher nur<lb/>
u&#x0364;ber die&#x017F;en rechtma&#x0364;ßig behauptet werden. Daher ko&#x0364;nnte<lb/>
zwar Oberherr&#x017F;chaft u&#x0364;ber nicht occupirte Lande, u&#x0364;ber nicht<lb/>
occupirte Theile des Meers, &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;ber das weite Welt-<lb/>
meer &#x017F;tatt haben. Aber letztere i&#x017F;t nie einem Europa&#x0364;i&#x017F;chen<lb/>
Volk von den u&#x0364;brigen eingera&#x0364;umt worden, und wiefern er-<lb/>
&#x017F;tere hin und wieder von einzelnen Vo&#x0364;lkern anerkannt wor-<lb/>
den, wird er&#x017F;t unten bey Ero&#x0364;rterung der Rechte vorkom-<lb/>
men, welche Kraft eines erworbenen oder behaupteten Ei-<lb/>
genthums oder Oberherr&#x017F;chaft zu Lande und zu Wa&#x017F;&#x017F;er aus-<lb/>
geu&#x0364;bt werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 39.<lb/><hi rendition="#fr">Recht auf den Zuwachs.</hi></head><lb/>
            <p>Das Recht des Eigenthums er&#x017F;treckt &#x017F;ich auch auf<lb/>
den natu&#x0364;rlichen Zuwachs, und es la&#x0364;ßt &#x017F;ich zwi&#x017F;chen An-<lb/>
&#x017F;pielungen und Anwurf nach dem natu&#x0364;rlichen Recht kein<lb/>
Unter&#x017F;chied machen, auch die Nothwendigkeit einer be&#x017F;on-<lb/>
deren Occupation des letzteren nicht erwei&#x017F;en <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="a)">S. u&#x0364;berhaupt <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Vattel</hi> L. I. c.</hi> 22. §. 268. 275. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Gu&#x0364;nther</hi></hi> Th.<lb/><hi rendition="#aq">II,</hi> S. 57. u. f. Von den Streitigkeiten zwi&#x017F;chen Holland und<lb/>
den Gen. Staaten, u&#x0364;ber die Grenzen von Flandern und u&#x0364;ber<lb/>
das Eigenthum auf Hoogeplaat. S. den Vergleich vom 23 Febr.<lb/>
1776. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Pestel</hi><hi rendition="#i">commentarii</hi></hi> §. 268.</note>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Zweytes</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0078] Zweytes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck. §. 38. Wirkungen des Eigenthums. Oberherrſchaft. Schon aus dem Begriffe des Eigenthums fließt, daß eine Nation das Recht habe, alle andere von dem Ge- brauch und der Diſpoſition uͤber ihr rechtmaͤßig erworbenes Eigenthum auszuſchließen; ſie hat daher auch das Recht, denen, welchen ſie einen Gebrauch deſſelben einraͤumt, hierinn Geſetze vorzuſchreiben. Sofern iſt Oberherrſchaft Folge des unumſchraͤnkten Eigenthums. Auch auf Guͤter die keinen Eigenthuͤmer haben, iſt eine Oberherrſchaft ge- denkbar; aber dieſe ſetzt Einwilligung desjenigen voraus, uͤber den ſie ausgeuͤbt werden ſoll, und kann daher nur uͤber dieſen rechtmaͤßig behauptet werden. Daher koͤnnte zwar Oberherrſchaft uͤber nicht occupirte Lande, uͤber nicht occupirte Theile des Meers, ſelbſt uͤber das weite Welt- meer ſtatt haben. Aber letztere iſt nie einem Europaͤiſchen Volk von den uͤbrigen eingeraͤumt worden, und wiefern er- ſtere hin und wieder von einzelnen Voͤlkern anerkannt wor- den, wird erſt unten bey Eroͤrterung der Rechte vorkom- men, welche Kraft eines erworbenen oder behaupteten Ei- genthums oder Oberherrſchaft zu Lande und zu Waſſer aus- geuͤbt werden. §. 39. Recht auf den Zuwachs. Das Recht des Eigenthums erſtreckt ſich auch auf den natuͤrlichen Zuwachs, und es laͤßt ſich zwiſchen An- ſpielungen und Anwurf nach dem natuͤrlichen Recht kein Unterſchied machen, auch die Nothwendigkeit einer beſon- deren Occupation des letzteren nicht erweiſen a). a⁾ S. uͤberhaupt Vattel L. I. c. 22. §. 268. 275. Guͤnther Th. II, S. 57. u. f. Von den Streitigkeiten zwiſchen Holland und den Gen. Staaten, uͤber die Grenzen von Flandern und uͤber das Eigenthum auf Hoogeplaat. S. den Vergleich vom 23 Febr. 1776. Pestel commentarii §. 268. Zweytes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/78
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/78>, abgerufen am 29.03.2024.