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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Von Verträgen.
Zweytes Hauprstück.
Von Verträgen.
§. 40.
Unterschied der Verträge und des Herkommens.

Auch durch gegenseitige Einwilligung der Völker kön-
nen ihre ursprünglichen Rechte gegen einander auf mannig-
faltige Weise vermehret werden, so daß sie das was sie
nach dem absoluten Naturrecht zu thun, zu unterlassen,
oder zu leiden nicht, oder doch nicht vollkommen verbunden
waren, nunmehr zu thun, zu unterlassen oder zu leiden ver-
pflichtet sind. Der Grund dieser Verpflichtungen ist also
der Wille der Völker. Dieser kann entweder 1) ausdrücklich
erkläret seyn, es sey durch Worte, oder durch andere den Wor-
ten gleich geachtete Zeichen der Einwilligung, oder 2) still-
schweigend durch Handlungen, die, ob sie gleich für sich
nicht als Wortzeichen angesehn werden, doch den Beweis
der Einwilligung enthalten, oder endlich 3) blos aus der in
ähnlichen Fällen beobachteten Art zu handeln für künftige
Fälle gemuthmaßet werden. Daraus entsteht eine dreyfache
Quelle des positiven Völkerrechts: ausdrückliche Verträge,
stillschweigende Verträge, Herkommen
oder Gewohnheit.

§. 41.
Begriff eines Staatsvertrags.

Verträge welche von ganzen Völkern unter einander,
oder in ihrem Nahmen eingegangen werden, heißen Staats-
verträge. Diejenigen hingegen welche der Regent für sich
als Privatmann, oder die er zwar als Regent, aber mit
Privatpersonen eingeht, werden nicht Staatsverträge ge-
nannt a), und sind kein Gegenstand unserer Wissenschaft.

Wiefern unterworfene Theile eines Staats für sich
Staatsverträge eingehn können, hängt in zusammengesetz-
ten Staaten von der Verfassung, in einfachen von der be-
sondren Erlaubniß ihres Souverains oder dem Herkommen

ab
D 2
Von Vertraͤgen.
Zweytes Hauprſtuͤck.
Von Vertraͤgen.
§. 40.
Unterſchied der Vertraͤge und des Herkommens.

Auch durch gegenſeitige Einwilligung der Voͤlker koͤn-
nen ihre urſpruͤnglichen Rechte gegen einander auf mannig-
faltige Weiſe vermehret werden, ſo daß ſie das was ſie
nach dem abſoluten Naturrecht zu thun, zu unterlaſſen,
oder zu leiden nicht, oder doch nicht vollkommen verbunden
waren, nunmehr zu thun, zu unterlaſſen oder zu leiden ver-
pflichtet ſind. Der Grund dieſer Verpflichtungen iſt alſo
der Wille der Voͤlker. Dieſer kann entweder 1) ausdruͤcklich
erklaͤret ſeyn, es ſey durch Worte, oder durch andere den Wor-
ten gleich geachtete Zeichen der Einwilligung, oder 2) ſtill-
ſchweigend durch Handlungen, die, ob ſie gleich fuͤr ſich
nicht als Wortzeichen angeſehn werden, doch den Beweis
der Einwilligung enthalten, oder endlich 3) blos aus der in
aͤhnlichen Faͤllen beobachteten Art zu handeln fuͤr kuͤnftige
Faͤlle gemuthmaßet werden. Daraus entſteht eine dreyfache
Quelle des poſitiven Voͤlkerrechts: ausdruͤckliche Vertraͤge,
ſtillſchweigende Vertraͤge, Herkommen
oder Gewohnheit.

§. 41.
Begriff eines Staatsvertrags.

Vertraͤge welche von ganzen Voͤlkern unter einander,
oder in ihrem Nahmen eingegangen werden, heißen Staats-
vertraͤge. Diejenigen hingegen welche der Regent fuͤr ſich
als Privatmann, oder die er zwar als Regent, aber mit
Privatperſonen eingeht, werden nicht Staatsvertraͤge ge-
nannt a), und ſind kein Gegenſtand unſerer Wiſſenſchaft.

Wiefern unterworfene Theile eines Staats fuͤr ſich
Staatsvertraͤge eingehn koͤnnen, haͤngt in zuſammengeſetz-
ten Staaten von der Verfaſſung, in einfachen von der be-
ſondren Erlaubniß ihres Souverains oder dem Herkommen

ab
D 2
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[51/0079] Von Vertraͤgen. Zweytes Hauprſtuͤck. Von Vertraͤgen. §. 40. Unterſchied der Vertraͤge und des Herkommens. Auch durch gegenſeitige Einwilligung der Voͤlker koͤn- nen ihre urſpruͤnglichen Rechte gegen einander auf mannig- faltige Weiſe vermehret werden, ſo daß ſie das was ſie nach dem abſoluten Naturrecht zu thun, zu unterlaſſen, oder zu leiden nicht, oder doch nicht vollkommen verbunden waren, nunmehr zu thun, zu unterlaſſen oder zu leiden ver- pflichtet ſind. Der Grund dieſer Verpflichtungen iſt alſo der Wille der Voͤlker. Dieſer kann entweder 1) ausdruͤcklich erklaͤret ſeyn, es ſey durch Worte, oder durch andere den Wor- ten gleich geachtete Zeichen der Einwilligung, oder 2) ſtill- ſchweigend durch Handlungen, die, ob ſie gleich fuͤr ſich nicht als Wortzeichen angeſehn werden, doch den Beweis der Einwilligung enthalten, oder endlich 3) blos aus der in aͤhnlichen Faͤllen beobachteten Art zu handeln fuͤr kuͤnftige Faͤlle gemuthmaßet werden. Daraus entſteht eine dreyfache Quelle des poſitiven Voͤlkerrechts: ausdruͤckliche Vertraͤge, ſtillſchweigende Vertraͤge, Herkommen oder Gewohnheit. §. 41. Begriff eines Staatsvertrags. Vertraͤge welche von ganzen Voͤlkern unter einander, oder in ihrem Nahmen eingegangen werden, heißen Staats- vertraͤge. Diejenigen hingegen welche der Regent fuͤr ſich als Privatmann, oder die er zwar als Regent, aber mit Privatperſonen eingeht, werden nicht Staatsvertraͤge ge- nannt a), und ſind kein Gegenſtand unſerer Wiſſenſchaft. Wiefern unterworfene Theile eines Staats fuͤr ſich Staatsvertraͤge eingehn koͤnnen, haͤngt in zuſammengeſetz- ten Staaten von der Verfaſſung, in einfachen von der be- ſondren Erlaubniß ihres Souverains oder dem Herkommen ab D 2

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/79>, abgerufen am 29.03.2024.