Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Von Verträgen.
§. 54.
Folgen dieses Unterschieds.

Die Wichtigkeit dieses Unterschieds äußert sich darinn,
daß der Nachfolger, er mag durch Erbrecht oder Wahl
auf den Thron kommen, alle reelle Verträge seines Ver-
fahrers zu halten schuldig ist, ohne daß es einer Erneue-
rung derselben bedürfe a); hingegen persönliche Verträge
erlöschen, 1) wenn der, oder diejenigen, für welche, oder
auf deren Lebenszeit sie eingegangen worden, gestorben
sind, 2) wenn diese durch Abdankung oder Absetzung den
Thron verlieren, dafern nicht das Bündniß eben für die-
sen Fall hauptsächlich eingegangen worden, und noch weder
Verzichtleistung erfolget, noch alle vernünftige Hoffnung
ihnen wieder auf den Thron zu helfen verloren ist b).

a) Grotius L. II. c. XIV. §. 10. cap. XVI. §. 16. Neyron de vi foe-
derum inter Gentes
. Gottingae
1778. 4.
b) Bündnisse Frankreichs mit Jacob II.; Familienpact von Frank-
reich und Spanien 1761.
§. 55.
Gleiche oder ungleiche Bündnisse.

Bündnisse werden in gleiche und ungleiche einge-
theilt, wobey aber die Gleichheit und Ungleichheit der Be-
dingungen, mit der des Bündnisses nicht verwechselt wer-
den muß. Jene hängt von der Gleichheit oder Ungleich-
heit der Vortheile ab, welche für beide Contrahenten aus
dem Bündnisse erwachsen, deren Abwägung für die Politik
gehöret a); diese aber von der Gleichheit oder Ungleichheit
des Verhältnisses, welches durch das Bündniß zwischen
den Contrahenten festgesetzt wird; ist dieses ungleich, so
daß ein Theil Kraft des Bündnisses dem andern mehr
Ehrerbietung schuldig wird, als er von diesem wieder er-
hält, wie z. B. in Schutz- Zins- Lehn- Verbündungen,
so ist das Bündniß ungleich. Im entgegengesetzten Fall
ist es gleich, auch wenn vor dem Vertrage das Verhältniß
zwischen beiden in Ansehung des Ranges, der Ehre u. s. f.

ungleich
E
Von Vertraͤgen.
§. 54.
Folgen dieſes Unterſchieds.

Die Wichtigkeit dieſes Unterſchieds aͤußert ſich darinn,
daß der Nachfolger, er mag durch Erbrecht oder Wahl
auf den Thron kommen, alle reelle Vertraͤge ſeines Ver-
fahrers zu halten ſchuldig iſt, ohne daß es einer Erneue-
rung derſelben beduͤrfe a); hingegen perſoͤnliche Vertraͤge
erloͤſchen, 1) wenn der, oder diejenigen, fuͤr welche, oder
auf deren Lebenszeit ſie eingegangen worden, geſtorben
ſind, 2) wenn dieſe durch Abdankung oder Abſetzung den
Thron verlieren, dafern nicht das Buͤndniß eben fuͤr die-
ſen Fall hauptſaͤchlich eingegangen worden, und noch weder
Verzichtleiſtung erfolget, noch alle vernuͤnftige Hoffnung
ihnen wieder auf den Thron zu helfen verloren iſt b).

a) Grotius L. II. c. XIV. §. 10. cap. XVI. §. 16. Neyron de vi foe-
derum inter Genteſ
. Gottingae
1778. 4.
b) Buͤndniſſe Frankreichs mit Jacob II.; Familienpact von Frank-
reich und Spanien 1761.
§. 55.
Gleiche oder ungleiche Buͤndniſſe.

Buͤndniſſe werden in gleiche und ungleiche einge-
theilt, wobey aber die Gleichheit und Ungleichheit der Be-
dingungen, mit der des Buͤndniſſes nicht verwechſelt wer-
den muß. Jene haͤngt von der Gleichheit oder Ungleich-
heit der Vortheile ab, welche fuͤr beide Contrahenten aus
dem Buͤndniſſe erwachſen, deren Abwaͤgung fuͤr die Politik
gehoͤret a); dieſe aber von der Gleichheit oder Ungleichheit
des Verhaͤltniſſes, welches durch das Buͤndniß zwiſchen
den Contrahenten feſtgeſetzt wird; iſt dieſes ungleich, ſo
daß ein Theil Kraft des Buͤndniſſes dem andern mehr
Ehrerbietung ſchuldig wird, als er von dieſem wieder er-
haͤlt, wie z. B. in Schutz- Zins- Lehn- Verbuͤndungen,
ſo iſt das Buͤndniß ungleich. Im entgegengeſetzten Fall
iſt es gleich, auch wenn vor dem Vertrage das Verhaͤltniß
zwiſchen beiden in Anſehung des Ranges, der Ehre u. ſ. f.

ungleich
E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0093" n="65"/>
          <fw place="top" type="header">Von Vertra&#x0364;gen.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 54.<lb/><hi rendition="#fr">Folgen die&#x017F;es Unter&#x017F;chieds.</hi></head><lb/>
            <p>Die Wichtigkeit die&#x017F;es Unter&#x017F;chieds a&#x0364;ußert &#x017F;ich darinn,<lb/>
daß der Nachfolger, er mag durch Erbrecht oder Wahl<lb/>
auf den Thron kommen, alle reelle Vertra&#x0364;ge &#x017F;eines Ver-<lb/>
fahrers zu halten &#x017F;chuldig i&#x017F;t, ohne daß es einer Erneue-<lb/>
rung der&#x017F;elben bedu&#x0364;rfe <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>); hingegen per&#x017F;o&#x0364;nliche Vertra&#x0364;ge<lb/>
erlo&#x0364;&#x017F;chen, 1) wenn der, oder diejenigen, fu&#x0364;r welche, oder<lb/>
auf deren Lebenszeit &#x017F;ie eingegangen worden, ge&#x017F;torben<lb/>
&#x017F;ind, 2) wenn die&#x017F;e durch Abdankung oder Ab&#x017F;etzung den<lb/>
Thron verlieren, dafern nicht das Bu&#x0364;ndniß eben fu&#x0364;r die-<lb/>
&#x017F;en Fall haupt&#x017F;a&#x0364;chlich eingegangen worden, und noch weder<lb/>
Verzichtlei&#x017F;tung erfolget, noch alle vernu&#x0364;nftige Hoffnung<lb/>
ihnen wieder auf den Thron zu helfen verloren i&#x017F;t <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Grotius</hi> L. II. c. XIV. §. 10. cap. XVI. §. 16. <hi rendition="#k">Neyron</hi> <hi rendition="#i">de vi foe-<lb/>
derum inter Gente&#x017F;</hi>. Gottingae</hi> 1778. 4.</note><lb/>
            <note place="end" n="b)">Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e Frankreichs mit Jacob <hi rendition="#aq">II.</hi>; Familienpact von Frank-<lb/>
reich und Spanien 1761.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 55.<lb/><hi rendition="#fr">Gleiche oder ungleiche Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e.</hi></head><lb/>
            <p>Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e werden in gleiche und ungleiche einge-<lb/>
theilt, wobey aber die Gleichheit und Ungleichheit der Be-<lb/>
dingungen, mit der des Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es nicht verwech&#x017F;elt wer-<lb/>
den muß. Jene ha&#x0364;ngt von der Gleichheit oder Ungleich-<lb/>
heit der Vortheile ab, welche fu&#x0364;r beide Contrahenten aus<lb/>
dem Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e erwach&#x017F;en, deren Abwa&#x0364;gung fu&#x0364;r die Politik<lb/>
geho&#x0364;ret <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>); die&#x017F;e aber von der Gleichheit oder Ungleichheit<lb/>
des Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;es, welches durch das Bu&#x0364;ndniß zwi&#x017F;chen<lb/>
den Contrahenten fe&#x017F;tge&#x017F;etzt wird; i&#x017F;t die&#x017F;es ungleich, &#x017F;o<lb/>
daß ein Theil Kraft des Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es dem andern mehr<lb/>
Ehrerbietung &#x017F;chuldig wird, als er von die&#x017F;em wieder er-<lb/>
ha&#x0364;lt, wie z. B. in Schutz- Zins- Lehn- Verbu&#x0364;ndungen,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t das Bu&#x0364;ndniß ungleich. Im entgegenge&#x017F;etzten Fall<lb/>
i&#x017F;t es gleich, auch wenn vor dem Vertrage das Verha&#x0364;ltniß<lb/>
zwi&#x017F;chen beiden in An&#x017F;ehung des Ranges, der Ehre u. &#x017F;. f.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E</fw><fw place="bottom" type="catch">ungleich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0093] Von Vertraͤgen. §. 54. Folgen dieſes Unterſchieds. Die Wichtigkeit dieſes Unterſchieds aͤußert ſich darinn, daß der Nachfolger, er mag durch Erbrecht oder Wahl auf den Thron kommen, alle reelle Vertraͤge ſeines Ver- fahrers zu halten ſchuldig iſt, ohne daß es einer Erneue- rung derſelben beduͤrfe a); hingegen perſoͤnliche Vertraͤge erloͤſchen, 1) wenn der, oder diejenigen, fuͤr welche, oder auf deren Lebenszeit ſie eingegangen worden, geſtorben ſind, 2) wenn dieſe durch Abdankung oder Abſetzung den Thron verlieren, dafern nicht das Buͤndniß eben fuͤr die- ſen Fall hauptſaͤchlich eingegangen worden, und noch weder Verzichtleiſtung erfolget, noch alle vernuͤnftige Hoffnung ihnen wieder auf den Thron zu helfen verloren iſt b). a⁾ Grotius L. II. c. XIV. §. 10. cap. XVI. §. 16. Neyron de vi foe- derum inter Genteſ. Gottingae 1778. 4. b⁾ Buͤndniſſe Frankreichs mit Jacob II.; Familienpact von Frank- reich und Spanien 1761. §. 55. Gleiche oder ungleiche Buͤndniſſe. Buͤndniſſe werden in gleiche und ungleiche einge- theilt, wobey aber die Gleichheit und Ungleichheit der Be- dingungen, mit der des Buͤndniſſes nicht verwechſelt wer- den muß. Jene haͤngt von der Gleichheit oder Ungleich- heit der Vortheile ab, welche fuͤr beide Contrahenten aus dem Buͤndniſſe erwachſen, deren Abwaͤgung fuͤr die Politik gehoͤret a); dieſe aber von der Gleichheit oder Ungleichheit des Verhaͤltniſſes, welches durch das Buͤndniß zwiſchen den Contrahenten feſtgeſetzt wird; iſt dieſes ungleich, ſo daß ein Theil Kraft des Buͤndniſſes dem andern mehr Ehrerbietung ſchuldig wird, als er von dieſem wieder er- haͤlt, wie z. B. in Schutz- Zins- Lehn- Verbuͤndungen, ſo iſt das Buͤndniß ungleich. Im entgegengeſetzten Fall iſt es gleich, auch wenn vor dem Vertrage das Verhaͤltniß zwiſchen beiden in Anſehung des Ranges, der Ehre u. ſ. f. ungleich E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/93
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/93>, abgerufen am 29.03.2024.