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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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doch nicht lang einen glücklichen Fortgang
seines Anschlags haben/ wann man von der
Klugheit keinen Beystand erhält.

XCI.

Die Mittelmaaß erhebt sich unfehlbar-
lich biß auf den Sitz der Tugen den/ weil sie
sich allezeit in der Mitten hält: Die andern
Tugenden/ wann sie die wahren Tugen-
den seyn wollen/ müssen mit grosser Sorge
und Mühe suchen/ was die Mittelmäßig-
keit von Natur hat; Ihr Nahme giebt
genugsahm zu verstehen/ daß es eine Tu-
gend ist/ welche allezeit in der Mittelmaaß
bestehet/ zu deren alle andere Tugenden
sich befleissen zu gelangen. Es ist nichts
gewissers als dieses/ ob es schon ein wenig
seltzam ist: Was das geringste in den
Sitten-Tugenden genennet wird/ ist das
grösseste und vortreffnchste darinn: Der
Excess wird billich vor einen Fehler/ und
die mittelmäßige vor eine seltne Tugend
gehalten. Die Mäßigung macht alle
Dinge zeitig/ ohne dieselbe würden die aller-
süssesten und annehmlichsten sauer und un-
annehmlich werden: Sie unterhält die
Ehr/ sie bietet reine Lust und Vergnügung
an. In Summa/ man soll sie in acht neh-

men/

doch nicht lang einen gluͤcklichen Fortgang
ſeines Anſchlags haben/ wann man von der
Klugheit keinen Beyſtand erhaͤlt.

XCI.

Die Mittelmaaß erhebt ſich unfehlbar-
lich biß auf den Sitz der Tugen den/ weil ſie
ſich allezeit in der Mitten haͤlt: Die andern
Tugenden/ wann ſie die wahren Tugen-
den ſeyn wollen/ muͤſſen mit groſſer Sorge
und Muͤhe ſuchen/ was die Mittelmaͤßig-
keit von Natur hat; Ihr Nahme giebt
genugſahm zu verſtehen/ daß es eine Tu-
gend iſt/ welche allezeit in der Mittelmaaß
beſtehet/ zu deren alle andere Tugenden
ſich befleiſſen zu gelangen. Es iſt nichts
gewiſſers als dieſes/ ob es ſchon ein wenig
ſeltzam iſt: Was das geringſte in den
Sitten-Tugenden genennet wird/ iſt das
groͤſſeſte und vortreffnchſte darinn: Der
Exceſs wird billich vor einen Fehler/ und
die mittelmaͤßige vor eine ſeltne Tugend
gehalten. Die Maͤßigung macht alle
Dinge zeitig/ ohne dieſelbe wuͤrden die aller-
ſuͤſſeſten und annehmlichſten ſauer und un-
annehmlich werden: Sie unterhaͤlt die
Ehr/ ſie bietet reine Luſt und Vergnuͤgung
an. In Summa/ man ſoll ſie in acht neh-

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[100[90]/0101] doch nicht lang einen gluͤcklichen Fortgang ſeines Anſchlags haben/ wann man von der Klugheit keinen Beyſtand erhaͤlt. XCI. Die Mittelmaaß erhebt ſich unfehlbar- lich biß auf den Sitz der Tugen den/ weil ſie ſich allezeit in der Mitten haͤlt: Die andern Tugenden/ wann ſie die wahren Tugen- den ſeyn wollen/ muͤſſen mit groſſer Sorge und Muͤhe ſuchen/ was die Mittelmaͤßig- keit von Natur hat; Ihr Nahme giebt genugſahm zu verſtehen/ daß es eine Tu- gend iſt/ welche allezeit in der Mittelmaaß beſtehet/ zu deren alle andere Tugenden ſich befleiſſen zu gelangen. Es iſt nichts gewiſſers als dieſes/ ob es ſchon ein wenig ſeltzam iſt: Was das geringſte in den Sitten-Tugenden genennet wird/ iſt das groͤſſeſte und vortreffnchſte darinn: Der Exceſs wird billich vor einen Fehler/ und die mittelmaͤßige vor eine ſeltne Tugend gehalten. Die Maͤßigung macht alle Dinge zeitig/ ohne dieſelbe wuͤrden die aller- ſuͤſſeſten und annehmlichſten ſauer und un- annehmlich werden: Sie unterhaͤlt die Ehr/ ſie bietet reine Luſt und Vergnuͤgung an. In Summa/ man ſoll ſie in acht neh- men/

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 100[90]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/101>, abgerufen am 24.04.2024.