Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht nach dem Vergnügen/ welches er ihm
zu Wege bringen will. Man würde nicht
so vielen Kranckheiten unterworffen seyn/
wann man seinen Leib nicht so zärtlich hiel-
te/ wie gewönlich geschicht.

XCIV.

Der Todt ist ein herrlichs Gemählde/
welches die Tugend sehr wohl vor Augen
stellet. Wer da will lernen wohl zu leben/
darff nur die Todten um Raht fragen.
Die warhaffte Philosophy ist eine ernst-
liche Betrachtung des Todes; So last uns
nun derselben Lehre bedienen/ damit wir
uns vor der Abscheuligkeit des Lasters und
der Eytelkeit aller Welt-Sachen beden-
cken: Last uns auch denjenigen Regeln/ die
sie uns gibt/ folgen/ damit wir in kurtzer Zeit
grossen Fortgang in der Tugend erlangen.

XCV.

Du wirst niemals besser an dich selbst ge-
dencken/ als wann du betrachtest/ daß du
dermaleins sterben must. Die Todes-Ge-
dancken haben eine wunderbare Fruchtbar-
keit in sich/ dann sie lehren uns/ was wir
anitzo seyn/ und geben uns zu verstehen/ was
wir mit der Zeit seyn werden/ und unter-
weisen uns/ was wir in unserm Lebens-

Lauff

nicht nach dem Vergnuͤgen/ welches er ihm
zu Wege bringen will. Man wuͤrde nicht
ſo vielen Kranckheiten unterworffen ſeyn/
wann man ſeinen Leib nicht ſo zaͤrtlich hiel-
te/ wie gewoͤnlich geſchicht.

XCIV.

Der Todt iſt ein herrlichs Gemaͤhlde/
welches die Tugend ſehr wohl vor Augen
ſtellet. Wer da will lernen wohl zu leben/
darff nur die Todten um Raht fragen.
Die warhaffte Philoſophy iſt eine ernſt-
liche Betrachtung des Todes; So laſt uns
nun derſelben Lehre bedienen/ damit wir
uns vor der Abſcheuligkeit des Laſters und
der Eytelkeit aller Welt-Sachen beden-
cken: Laſt uns auch denjenigen Regeln/ die
ſie uns gibt/ folgen/ damit wir in kurtzer Zeit
groſſen Fortgang in der Tugend erlangen.

XCV.

Du wirſt niemals beſſer an dich ſelbſt ge-
dencken/ als wann du betrachteſt/ daß du
dermaleins ſterben muſt. Die Todes-Ge-
dancken haben eine wunderbare Fruchtbar-
keit in ſich/ dann ſie lehren uns/ was wir
anitzo ſeyn/ und geben uns zu verſtehen/ was
wir mit der Zeit ſeyn werden/ und unter-
weiſen uns/ was wir in unſerm Lebens-

Lauff
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0103" n="102[92]"/>
nicht nach dem Vergnu&#x0364;gen/ welches er ihm<lb/>
zu Wege bringen will. Man wu&#x0364;rde nicht<lb/>
&#x017F;o vielen Kranckheiten unterworffen &#x017F;eyn/<lb/>
wann man &#x017F;einen Leib nicht &#x017F;o za&#x0364;rtlich hiel-<lb/>
te/ wie gewo&#x0364;nlich ge&#x017F;chicht.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XCIV.</hi> </head><lb/>
          <p>Der Todt i&#x017F;t ein herrlichs Gema&#x0364;hlde/<lb/>
welches die Tugend &#x017F;ehr wohl vor Augen<lb/>
&#x017F;tellet. Wer da will lernen wohl zu leben/<lb/>
darff nur die Todten um Raht fragen.<lb/>
Die warhaffte <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophy</hi> i&#x017F;t eine ern&#x017F;t-<lb/>
liche Betrachtung des Todes; So la&#x017F;t uns<lb/>
nun der&#x017F;elben Lehre bedienen/ damit wir<lb/>
uns vor der Ab&#x017F;cheuligkeit des La&#x017F;ters und<lb/>
der Eytelkeit aller Welt-Sachen beden-<lb/>
cken: La&#x017F;t uns auch denjenigen Regeln/ die<lb/>
&#x017F;ie uns gibt/ folgen/ damit wir in kurtzer Zeit<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Fortgang in der Tugend erlangen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XCV.</hi> </head><lb/>
          <p>Du wir&#x017F;t niemals be&#x017F;&#x017F;er an dich &#x017F;elb&#x017F;t ge-<lb/>
dencken/ als wann du betrachte&#x017F;t/ daß du<lb/>
dermaleins &#x017F;terben mu&#x017F;t. Die Todes-Ge-<lb/>
dancken haben eine wunderbare Fruchtbar-<lb/>
keit in &#x017F;ich/ dann &#x017F;ie lehren uns/ was wir<lb/>
anitzo &#x017F;eyn/ und geben uns zu ver&#x017F;tehen/ was<lb/>
wir mit der Zeit &#x017F;eyn werden/ und unter-<lb/>
wei&#x017F;en uns/ was wir in un&#x017F;erm Lebens-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Lauff</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102[92]/0103] nicht nach dem Vergnuͤgen/ welches er ihm zu Wege bringen will. Man wuͤrde nicht ſo vielen Kranckheiten unterworffen ſeyn/ wann man ſeinen Leib nicht ſo zaͤrtlich hiel- te/ wie gewoͤnlich geſchicht. XCIV. Der Todt iſt ein herrlichs Gemaͤhlde/ welches die Tugend ſehr wohl vor Augen ſtellet. Wer da will lernen wohl zu leben/ darff nur die Todten um Raht fragen. Die warhaffte Philoſophy iſt eine ernſt- liche Betrachtung des Todes; So laſt uns nun derſelben Lehre bedienen/ damit wir uns vor der Abſcheuligkeit des Laſters und der Eytelkeit aller Welt-Sachen beden- cken: Laſt uns auch denjenigen Regeln/ die ſie uns gibt/ folgen/ damit wir in kurtzer Zeit groſſen Fortgang in der Tugend erlangen. XCV. Du wirſt niemals beſſer an dich ſelbſt ge- dencken/ als wann du betrachteſt/ daß du dermaleins ſterben muſt. Die Todes-Ge- dancken haben eine wunderbare Fruchtbar- keit in ſich/ dann ſie lehren uns/ was wir anitzo ſeyn/ und geben uns zu verſtehen/ was wir mit der Zeit ſeyn werden/ und unter- weiſen uns/ was wir in unſerm Lebens- Lauff

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/103
Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 102[92]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/103>, abgerufen am 28.03.2024.