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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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die Tugend begreifft solche Hoheit und
Vortreflichkeit/ daß sie die Macht hat zu er-
höhen/ alles was zu ihr nahet/ und sie edel
macht. So lasset uns dann dasjenige/ was
uns so beträchtlich machen kan/ hoch halten.

XCVIII.

Es ist kein Unterschied zwischen langen
Leben und langen Leiden. Die Beküm-
mernüß/ Mühe/ Thränen und Schmertzen
wachsen mit uns. Das Leben des Men-
schen ist nichts anders/ als eine lange und
verdrießliche Kette der Gefahr/ Marter
und Unglücks/ aber der Mensch hat einige
Ursach sich zu trösten/ sintemal er gleich bey
dem Anfang seines Lebens anfängt zu dem
Ende und Todt zu nahen.

XCIX.

Die Tugend hat keinen geringern
Glantz von dem Unglück/ welches den La-
sterhafften wiederfähret von der Arbeit/
welche gemeiniglich die Böse außste hen/ als
von dem rechten Vergnügen/ welches die
Frommen in Ubung der schweresten Tu-
gend geniessen. Das heist gantz elendig
seyn/ eine solche Seele haben/ welche zu
nichts dienet/ als den Leib zu erhalten/ und
die ihre Bewegungen nicht reguliret.

Man

die Tugend begreifft ſolche Hoheit und
Vortreflichkeit/ daß ſie die Macht hat zu er-
hoͤhen/ alles was zu ihr nahet/ und ſie edel
macht. So laſſet uns dann dasjenige/ was
uns ſo betraͤchtlich machen kan/ hoch halten.

XCVIII.

Es iſt kein Unterſchied zwiſchen langen
Leben und langen Leiden. Die Bekuͤm-
mernuͤß/ Muͤhe/ Thraͤnen und Schmertzen
wachſen mit uns. Das Leben des Men-
ſchen iſt nichts anders/ als eine lange und
verdrießliche Kette der Gefahr/ Marter
und Ungluͤcks/ aber der Menſch hat einige
Urſach ſich zu troͤſten/ ſintemal er gleich bey
dem Anfang ſeines Lebens anfaͤngt zu dem
Ende und Todt zu nahen.

XCIX.

Die Tugend hat keinen geringern
Glantz von dem Ungluͤck/ welches den La-
ſterhafften wiederfaͤhret von der Arbeit/
welche gemeiniglich die Boͤſe außſte hen/ als
von dem rechten Vergnuͤgen/ welches die
Frommen in Ubung der ſchwereſten Tu-
gend genieſſen. Das heiſt gantz elendig
ſeyn/ eine ſolche Seele haben/ welche zu
nichts dienet/ als den Leib zu erhalten/ und
die ihre Bewegungen nicht reguliret.

Man
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[104[94]/0105] die Tugend begreifft ſolche Hoheit und Vortreflichkeit/ daß ſie die Macht hat zu er- hoͤhen/ alles was zu ihr nahet/ und ſie edel macht. So laſſet uns dann dasjenige/ was uns ſo betraͤchtlich machen kan/ hoch halten. XCVIII. Es iſt kein Unterſchied zwiſchen langen Leben und langen Leiden. Die Bekuͤm- mernuͤß/ Muͤhe/ Thraͤnen und Schmertzen wachſen mit uns. Das Leben des Men- ſchen iſt nichts anders/ als eine lange und verdrießliche Kette der Gefahr/ Marter und Ungluͤcks/ aber der Menſch hat einige Urſach ſich zu troͤſten/ ſintemal er gleich bey dem Anfang ſeines Lebens anfaͤngt zu dem Ende und Todt zu nahen. XCIX. Die Tugend hat keinen geringern Glantz von dem Ungluͤck/ welches den La- ſterhafften wiederfaͤhret von der Arbeit/ welche gemeiniglich die Boͤſe außſte hen/ als von dem rechten Vergnuͤgen/ welches die Frommen in Ubung der ſchwereſten Tu- gend genieſſen. Das heiſt gantz elendig ſeyn/ eine ſolche Seele haben/ welche zu nichts dienet/ als den Leib zu erhalten/ und die ihre Bewegungen nicht reguliret. Man

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 104[94]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/105>, abgerufen am 29.03.2024.