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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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Mittel aus dem Elend zu kommen. Richte
deine Begierden nach allerley Zufällen/ so
wirst du die allergrösseste Beschwerlichkei-
ten ohne Mühe übersteigen/ der Unmuth
wird vielmehr genommen/ als daß er selbst
komt.

VI.

Es ist eine grosse Kunst/ wann man be-
gehren kan; wann man nicht gar geschick-
lich damit umgehet/ so kan man nicht lang
vergnügt leben. Wer seine Begierden
kan abschneiden/ ist über alles/ und die gantze
Welt hat nichts/ das seiner Werth ist.
Es ist leicht/ eine vollkommene Ruhe zu fin-
den/ und die unglückliche Zufälle/ welche
das Leben verdrießlich und unerträglich
machen; man muß sich nur von allen Crea-
turen entziehen/ und sich über sich selbst er-
höhen. Man hat solche Leute gefunden/
welche/ wann sie blind sind worden/ und
den Gebrauch der Hände und Füsse ver-
lohren/ doch vergnügt gelebt haben. So
laß dann dein Glück nicht an dem Leib/ noch
allen den jenigen hangen/ was den Sinnen
schmeicheln kan. Ein lahmer Mensch den-
cket nur nicht daran sich zu beklagen/ wann
sein Hertz vergnüget ist. Wer mit ihm

selbst
E 2

Mittel aus dem Elend zu kommen. Richte
deine Begierden nach allerley Zufaͤllen/ ſo
wirſt du die allergroͤſſeſte Beſchwerlichkei-
ten ohne Muͤhe uͤberſteigen/ der Unmuth
wird vielmehr genommen/ als daß er ſelbſt
komt.

VI.

Es iſt eine groſſe Kunſt/ wann man be-
gehren kan; wann man nicht gar geſchick-
lich damit umgehet/ ſo kan man nicht lang
vergnuͤgt leben. Wer ſeine Begierden
kan abſchneiden/ iſt uͤber alles/ und die gantze
Welt hat nichts/ das ſeiner Werth iſt.
Es iſt leicht/ eine vollkommene Ruhe zu fin-
den/ und die ungluͤckliche Zufaͤlle/ welche
das Leben verdrießlich und unertraͤglich
machen; man muß ſich nur von allen Crea-
turen entziehen/ und ſich uͤber ſich ſelbſt er-
hoͤhen. Man hat ſolche Leute gefunden/
welche/ wann ſie blind ſind worden/ und
den Gebrauch der Haͤnde und Fuͤſſe ver-
lohren/ doch vergnuͤgt gelebt haben. So
laß dann dein Gluͤck nicht an dem Leib/ noch
allen den jenigen hangen/ was den Sinnen
ſchmeicheln kan. Ein lahmer Menſch den-
cket nur nicht daran ſich zu beklagen/ wann
ſein Hertz vergnuͤget iſt. Wer mit ihm

ſelbſt
E 2
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[109[99]/0110] Mittel aus dem Elend zu kommen. Richte deine Begierden nach allerley Zufaͤllen/ ſo wirſt du die allergroͤſſeſte Beſchwerlichkei- ten ohne Muͤhe uͤberſteigen/ der Unmuth wird vielmehr genommen/ als daß er ſelbſt komt. VI. Es iſt eine groſſe Kunſt/ wann man be- gehren kan; wann man nicht gar geſchick- lich damit umgehet/ ſo kan man nicht lang vergnuͤgt leben. Wer ſeine Begierden kan abſchneiden/ iſt uͤber alles/ und die gantze Welt hat nichts/ das ſeiner Werth iſt. Es iſt leicht/ eine vollkommene Ruhe zu fin- den/ und die ungluͤckliche Zufaͤlle/ welche das Leben verdrießlich und unertraͤglich machen; man muß ſich nur von allen Crea- turen entziehen/ und ſich uͤber ſich ſelbſt er- hoͤhen. Man hat ſolche Leute gefunden/ welche/ wann ſie blind ſind worden/ und den Gebrauch der Haͤnde und Fuͤſſe ver- lohren/ doch vergnuͤgt gelebt haben. So laß dann dein Gluͤck nicht an dem Leib/ noch allen den jenigen hangen/ was den Sinnen ſchmeicheln kan. Ein lahmer Menſch den- cket nur nicht daran ſich zu beklagen/ wann ſein Hertz vergnuͤget iſt. Wer mit ihm ſelbſt E 2

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 109[99]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/110>, abgerufen am 28.03.2024.