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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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Gegenwärtige siehet/ als darin/ daß man
das Zukünfftige betrachtet. Man sagt von
gewissen Leuten/ welche sich befleissen/ künff-
tige Dinge zu verkündigen/ daß sie so durch-
sichtige Augen haben/ daß sie auch durch die
Mauren und biß unter die Erde fehen kön-
nen; Also ist es auch gewiß/ daß ein weiser
Mann alles was in der Folge der Zeiten
verdecket liegen kan/ mit dem Liecht seines
Geistes entdeckt. Er verliehret das Ge-
dächtnüß der vergangenen Dinge nimmer-
mehr/ er nimt die gegenwärtige Zeit wohl
in acht/ und versorget sich ohne grosse Mühe
auff die zukünfftige.

III.

Derjenige/ welcher bald zu dem höchsten
Gipffel der Weißheit ohne Hülffe eines
fremden Lehrmeisters gelangen will/ darff
sich nur felbst allezeit am ersten anklagen/
und sorgfältig erforschen/ ob er nicht auch
solcher Fehler/ wie andere/ schuldig seye.
Man wird in kurtzer Zeit seiner selbst Mei-
ster/ wann man sich eines andern Fehler be-
dienet/ als eines Spiegels/ darin man seine
eigene ersehen kan.

IV.

Die Vernunfft soll alle unsere Actiones

er-

Gegenwaͤrtige ſiehet/ als darin/ daß man
das Zukuͤnfftige betrachtet. Man ſagt von
gewiſſen Leuten/ welche ſich befleiſſen/ kuͤnff-
tige Dinge zu verkuͤndigen/ daß ſie ſo durch-
ſichtige Augen haben/ daß ſie auch durch die
Mauren und biß unter die Erde fehen koͤn-
nen; Alſo iſt es auch gewiß/ daß ein weiſer
Mann alles was in der Folge der Zeiten
verdecket liegen kan/ mit dem Liecht ſeines
Geiſtes entdeckt. Er verliehret das Ge-
daͤchtnuͤß der vergangenen Dinge nimmer-
mehr/ er nimt die gegenwaͤrtige Zeit wohl
in acht/ und veꝛſorget ſich ohne groſſe Muͤhe
auff die zukuͤnfftige.

III.

Derjenige/ welcher bald zu dem hoͤchſten
Gipffel der Weißheit ohne Huͤlffe eines
fremden Lehrmeiſters gelangen will/ darff
ſich nur felbſt allezeit am erſten anklagen/
und ſorgfaͤltig erforſchen/ ob er nicht auch
ſolcher Fehler/ wie andere/ ſchuldig ſeye.
Man wird in kurtzer Zeit ſeiner ſelbſt Mei-
ſter/ wann man ſich eines andern Fehler be-
dienet/ als eines Spiegels/ darin man ſeine
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IV.

Die Vernunfft ſoll alle unſere Actiones

er-
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[2/0013] Gegenwaͤrtige ſiehet/ als darin/ daß man das Zukuͤnfftige betrachtet. Man ſagt von gewiſſen Leuten/ welche ſich befleiſſen/ kuͤnff- tige Dinge zu verkuͤndigen/ daß ſie ſo durch- ſichtige Augen haben/ daß ſie auch durch die Mauren und biß unter die Erde fehen koͤn- nen; Alſo iſt es auch gewiß/ daß ein weiſer Mann alles was in der Folge der Zeiten verdecket liegen kan/ mit dem Liecht ſeines Geiſtes entdeckt. Er verliehret das Ge- daͤchtnuͤß der vergangenen Dinge nimmer- mehr/ er nimt die gegenwaͤrtige Zeit wohl in acht/ und veꝛſorget ſich ohne groſſe Muͤhe auff die zukuͤnfftige. III. Derjenige/ welcher bald zu dem hoͤchſten Gipffel der Weißheit ohne Huͤlffe eines fremden Lehrmeiſters gelangen will/ darff ſich nur felbſt allezeit am erſten anklagen/ und ſorgfaͤltig erforſchen/ ob er nicht auch ſolcher Fehler/ wie andere/ ſchuldig ſeye. Man wird in kurtzer Zeit ſeiner ſelbſt Mei- ſter/ wann man ſich eines andern Fehler be- dienet/ als eines Spiegels/ darin man ſeine eigene erſehen kan. IV. Die Vernunfft ſoll alle unſere Actiones er-

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/13>, abgerufen am 25.04.2024.