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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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Seine Lebens-Leitung ist das Bildnüß des
Lebens aller seiner Unterthanen. Man
wird sich in dem gantzen Lande verhalten/
nach dem er lebt: Was vor ein Ubel wäre
das/ wann man die Qvelle und den Brun-
nen/ welcher allen gemein ist/ vergifften wol-
te? Derowegen soll ein Fürst sehr fleissig be-
trachten/ so wohl wegen seiner/ als auch we-
gen seiner Unterthanen/ daß er andere lehrt
übels thun/ wann er auffhöret zu leben/ wie
es seine Schuldigkeit erfodert. Der Müs-
siggang ist eine Kunst/ die nichts anders
lehrt als Ubels thun.

XLIX.

Es wird eher geschehen/ daß die Natur
an ihrer Schuldigkeit fehle/ als daß die Völ-
cker den Actionen des Fürsten/ der sie regie-
ret/ nicht nachfolgen solten. Derowegen
muß er sich befleissen/ daß er nichts böses
thue: Seine Actionen sollen zugleich eine
Verwunderung und Furcht erwecken.
Und ob er schon ohne Gesetz und Furcht lebt/
so soll er doch gedencken/ daß er selbst ein le-
bendiges Gesetz ist: Und gleich wie die
Straff-Gesetze einen Schrecken erwecken/
und diejenige welche das gute Regiment
und die Policey betreffen/ weiß nicht was

vor

Seine Lebens-Leitung iſt das Bildnuͤß des
Lebens aller ſeiner Unterthanen. Man
wird ſich in dem gantzen Lande verhalten/
nach dem er lebt: Was vor ein Ubel waͤre
das/ wann man die Qvelle und den Brun-
nen/ welcher allen gemein iſt/ vergifften wol-
te? Derowegen ſoll ein Fuͤrſt ſehr fleisſig be-
trachten/ ſo wohl wegen ſeiner/ als auch we-
gen ſeiner Unterthanen/ daß er andere lehrt
uͤbels thun/ wann er auffhoͤret zu leben/ wie
es ſeine Schuldigkeit erfodert. Der Muͤſ-
ſiggang iſt eine Kunſt/ die nichts anders
lehrt als Ubels thun.

XLIX.

Es wird eher geſchehen/ daß die Natur
an ihrer Schuldigkeit fehle/ als daß die Voͤl-
cker den Actionen des Fuͤrſten/ der ſie regie-
ret/ nicht nachfolgen ſolten. Derowegen
muß er ſich befleiſſen/ daß er nichts boͤſes
thue: Seine Actionen ſollen zugleich eine
Verwunderung und Furcht erwecken.
Und ob er ſchon ohne Geſetz und Furcht lebt/
ſo ſoll er doch gedencken/ daß er ſelbſt ein le-
bendiges Geſetz iſt: Und gleich wie die
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und diejenige welche das gute Regiment
und die Policey betreffen/ weiß nicht was

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[199[189]/0200] Seine Lebens-Leitung iſt das Bildnuͤß des Lebens aller ſeiner Unterthanen. Man wird ſich in dem gantzen Lande verhalten/ nach dem er lebt: Was vor ein Ubel waͤre das/ wann man die Qvelle und den Brun- nen/ welcher allen gemein iſt/ vergifften wol- te? Derowegen ſoll ein Fuͤrſt ſehr fleisſig be- trachten/ ſo wohl wegen ſeiner/ als auch we- gen ſeiner Unterthanen/ daß er andere lehrt uͤbels thun/ wann er auffhoͤret zu leben/ wie es ſeine Schuldigkeit erfodert. Der Muͤſ- ſiggang iſt eine Kunſt/ die nichts anders lehrt als Ubels thun. XLIX. Es wird eher geſchehen/ daß die Natur an ihrer Schuldigkeit fehle/ als daß die Voͤl- cker den Actionen des Fuͤrſten/ der ſie regie- ret/ nicht nachfolgen ſolten. Derowegen muß er ſich befleiſſen/ daß er nichts boͤſes thue: Seine Actionen ſollen zugleich eine Verwunderung und Furcht erwecken. Und ob er ſchon ohne Geſetz und Furcht lebt/ ſo ſoll er doch gedencken/ daß er ſelbſt ein le- bendiges Geſetz iſt: Und gleich wie die Straff-Geſetze einen Schrecken erwecken/ und diejenige welche das gute Regiment und die Policey betreffen/ weiß nicht was vor

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 199[189]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/200>, abgerufen am 20.04.2024.