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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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LXI.

Die Liebe kan nicht rechtmäßig noch ver-
nünfftig seyn/ wann sie nicht das Gute vor
sich hat. Derowegen thun wir sehr übel/
daß wir lieben/ was uns zu wider ist/ und
welches uns nichts schaden kan/ als wann
wir unsere Affection darauf werffen.
Heißt daß nicht recht unglücklich seyn in
der Liebe/ wann man die Ursach seines Un-
glücks liebt? Und doch thun solches dieje-
nigen/ welche das Glück lieben/ und die Tu-
gend verachten.

LXII.

Der geruhige Zustand/ in welchem sich
die Seele bißweilen befindet/ und die Freu-
de/ so sie fühlet/ ist die Frucht/ oder die rech-
te Vergeltung seiner Liebe. Man ist nicht
nur glücklich/ wann man seine Affection
auff das Gute richtet/ sondern man hat
auch Theil an den geliebten Sachen/ und
wird warhafftig fromm. Der hohe Punct
der Tugend bestehet in der Liebe GOttes/
und was auch die Libertiner sagen/ so ist
doch keine Glückseligkeit derjenigen gleich/
wann man von GOtt geliebet wird.

LXIII.

Ist das nicht eine grosse Thorheit/ daß

man
D 2
LXI.

Die Liebe kan nicht rechtmaͤßig noch ver-
nuͤnfftig ſeyn/ wann ſie nicht das Gute vor
ſich hat. Derowegen thun wir ſehr uͤbel/
daß wir lieben/ was uns zu wider iſt/ und
welches uns nichts ſchaden kan/ als wann
wir unſere Affection darauf werffen.
Heißt daß nicht recht ungluͤcklich ſeyn in
der Liebe/ wann man die Urſach ſeines Un-
gluͤcks liebt? Und doch thun ſolches dieje-
nigen/ welche das Gluͤck lieben/ und die Tu-
gend verachten.

LXII.

Der geruhige Zuſtand/ in welchem ſich
die Seele bißweilen befindet/ und die Freu-
de/ ſo ſie fuͤhlet/ iſt die Frucht/ oder die rech-
te Vergeltung ſeiner Liebe. Man iſt nicht
nur gluͤcklich/ wann man ſeine Affection
auff das Gute richtet/ ſondern man hat
auch Theil an den geliebten Sachen/ und
wird warhafftig fromm. Der hohe Punct
der Tugend beſtehet in der Liebe GOttes/
und was auch die Libertiner ſagen/ ſo iſt
doch keine Gluͤckſeligkeit derjenigen gleich/
wann man von GOtt geliebet wird.

LXIII.

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man
D 2
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[85[75]/0086] LXI. Die Liebe kan nicht rechtmaͤßig noch ver- nuͤnfftig ſeyn/ wann ſie nicht das Gute vor ſich hat. Derowegen thun wir ſehr uͤbel/ daß wir lieben/ was uns zu wider iſt/ und welches uns nichts ſchaden kan/ als wann wir unſere Affection darauf werffen. Heißt daß nicht recht ungluͤcklich ſeyn in der Liebe/ wann man die Urſach ſeines Un- gluͤcks liebt? Und doch thun ſolches dieje- nigen/ welche das Gluͤck lieben/ und die Tu- gend verachten. LXII. Der geruhige Zuſtand/ in welchem ſich die Seele bißweilen befindet/ und die Freu- de/ ſo ſie fuͤhlet/ iſt die Frucht/ oder die rech- te Vergeltung ſeiner Liebe. Man iſt nicht nur gluͤcklich/ wann man ſeine Affection auff das Gute richtet/ ſondern man hat auch Theil an den geliebten Sachen/ und wird warhafftig fromm. Der hohe Punct der Tugend beſtehet in der Liebe GOttes/ und was auch die Libertiner ſagen/ ſo iſt doch keine Gluͤckſeligkeit derjenigen gleich/ wann man von GOtt geliebet wird. LXIII. Iſt das nicht eine groſſe Thorheit/ daß man D 2

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 85[75]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/86>, abgerufen am 28.03.2024.