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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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die Tugend die Stütze der Liebe ist/ und es
ist ein süsser Bissen geliebt zu werden/ die
Freundschafft aber erwächst aus diesen
allen beyden.

LXV.

Man muß nur das Böse fürchten: Weil
nun alles Böse dieses Lebens nur den
Schein hat/ so hat man keine Ursache/ das-
selbe zu fürchten. Der geringste Fehler
soll uns zittern machen/ aber die Arbeit soll
uns nicht erschrecken. Die Sünde ist ein
rechtes Ubel; Die Arbeit ist kein solches
Ubel/ wie mans ihm einbildet/ sie ist in der
That gut/ wird aber von den Zärtlingen
und Sinnlichen nicht geliebt; ledoch ob
ihr schon die Meynung nicht günstig ist/ so
hat sie doch die Warheit auf ihrer Seiten.

LXVI.

Gedencke daß in den Sachen selbst/ wel-
che du so hefftig begehrest/ mehr zu fürchten
als zu hoffen ist. Zum Exempel/ wann du
einer Wollust hefftig nachtrachtest/ warum
fürchtest du dich nicht vielmehr vor der
Gallen/ damit sie vermischet ist/ und vor
dem Verdruß/ der von ihr nicht kan abge-
sondert werden? Vielleicht wirst du es die
gantze Zeit deines Lebens empfinden/ da

her-
D 3

die Tugend die Stuͤtze der Liebe iſt/ und es
iſt ein ſuͤſſer Biſſen geliebt zu werden/ die
Freundſchafft aber erwaͤchſt aus dieſen
allen beyden.

LXV.

Man muß nur das Boͤſe fuͤrchten: Weil
nun alles Boͤſe dieſes Lebens nur den
Schein hat/ ſo hat man keine Urſache/ daſ-
ſelbe zu fuͤrchten. Der geringſte Fehler
ſoll uns zittern machen/ aber die Arbeit ſoll
uns nicht erſchrecken. Die Suͤnde iſt ein
rechtes Ubel; Die Arbeit iſt kein ſolches
Ubel/ wie mans ihm einbildet/ ſie iſt in der
That gut/ wird aber von den Zaͤrtlingen
und Sinnlichen nicht geliebt; ledoch ob
ihr ſchon die Meynung nicht guͤnſtig iſt/ ſo
hat ſie doch die Warheit auf ihrer Seiten.

LXVI.

Gedencke daß in den Sachen ſelbſt/ wel-
che du ſo hefftig begehreſt/ mehr zu fuͤrchten
als zu hoffen iſt. Zum Exempel/ wann du
einer Wolluſt hefftig nachtrachteſt/ warum
fuͤrchteſt du dich nicht vielmehr vor der
Gallen/ damit ſie vermiſchet iſt/ und vor
dem Verdruß/ der von ihr nicht kan abge-
ſondert werden? Vielleicht wirſt du es die
gantze Zeit deines Lebens empfinden/ da

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[87[77]/0088] die Tugend die Stuͤtze der Liebe iſt/ und es iſt ein ſuͤſſer Biſſen geliebt zu werden/ die Freundſchafft aber erwaͤchſt aus dieſen allen beyden. LXV. Man muß nur das Boͤſe fuͤrchten: Weil nun alles Boͤſe dieſes Lebens nur den Schein hat/ ſo hat man keine Urſache/ daſ- ſelbe zu fuͤrchten. Der geringſte Fehler ſoll uns zittern machen/ aber die Arbeit ſoll uns nicht erſchrecken. Die Suͤnde iſt ein rechtes Ubel; Die Arbeit iſt kein ſolches Ubel/ wie mans ihm einbildet/ ſie iſt in der That gut/ wird aber von den Zaͤrtlingen und Sinnlichen nicht geliebt; ledoch ob ihr ſchon die Meynung nicht guͤnſtig iſt/ ſo hat ſie doch die Warheit auf ihrer Seiten. LXVI. Gedencke daß in den Sachen ſelbſt/ wel- che du ſo hefftig begehreſt/ mehr zu fuͤrchten als zu hoffen iſt. Zum Exempel/ wann du einer Wolluſt hefftig nachtrachteſt/ warum fuͤrchteſt du dich nicht vielmehr vor der Gallen/ damit ſie vermiſchet iſt/ und vor dem Verdruß/ der von ihr nicht kan abge- ſondert werden? Vielleicht wirſt du es die gantze Zeit deines Lebens empfinden/ da her- D 3

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 87[77]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/88>, abgerufen am 24.04.2024.