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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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Straffe ist offt die Frucht und der Zweck der
Begierden/ und das heist glückselich seyn/
wann man nicht alles erhält/ was man
wünschet. Entschlage dich deines Willens/
er betrieget den Verstand/ und fehlet am
öfftersten in der Erwählung der Dinge.
Nicht die inclination/ sondern die Ver-
nunfft soll uns in allen Begebenheiten zur
Richtschnur dienen.

XLI.

Wir sollen nicht alle Sachen dieser
Welt hoch achten/ weil diejenigen/ welche
eine Billichkeit und Verstand in sich haben/
urtheilen/ es sey ein grösser Ruhm sie mit
grossem Gemüth zu verachten/ als sie durch
seine eigene Kunst erlangen.

XLII.

Das Leben mit dem Laster ist ein Todt;
ohne die Lust/ die bey der Sünde ist/ ist es eine
sehr verdrießliche Nacht: wegen der Freude
ist es auffs höchste eine Stunde: wegen der
Sorge und Mühe ist es ein gantzes Secu-
lum:
wegen der Hoffnung ist es ein Schlaff
oder vielmehr ein Traum. In Summa/
von dem Leben zu reden/ wie es sich gebüh-
ret/ so soll man dasselbe niemahls ein Leben
nennen/ wann es nicht von der Tugend ge-

leh-

Straffe iſt offt die Frucht und der Zweck der
Begierden/ und das heiſt gluͤckſelich ſeyn/
wann man nicht alles erhaͤlt/ was man
wuͤnſchet. Entſchlage dich deines Willens/
er betrieget den Verſtand/ und fehlet am
oͤffterſten in der Erwaͤhlung der Dinge.
Nicht die inclination/ ſondern die Ver-
nunfft ſoll uns in allen Begebenheiten zur
Richtſchnur dienen.

XLI.

Wir ſollen nicht alle Sachen dieſer
Welt hoch achten/ weil diejenigen/ welche
eine Billichkeit und Verſtand in ſich haben/
urtheilen/ es ſey ein groͤſſer Ruhm ſie mit
groſſem Gemuͤth zu verachten/ als ſie durch
ſeine eigene Kunſt erlangen.

XLII.

Das Leben mit dem Laſter iſt ein Todt;
ohne die Luſt/ die bey der Suͤnde iſt/ iſt es eine
ſehr verdrießliche Nacht: wegen der Freude
iſt es auffs hoͤchſte eine Stunde: wegen der
Sorge und Muͤhe iſt es ein gantzes Secu-
lum:
wegen der Hoffnung iſt es ein Schlaff
oder vielmehr ein Traum. In Summa/
von dem Leben zu reden/ wie es ſich gebuͤh-
ret/ ſo ſoll man daſſelbe niemahls ein Leben
nennen/ wann es nicht von der Tugend ge-

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[127[117]/0128] Straffe iſt offt die Frucht und der Zweck der Begierden/ und das heiſt gluͤckſelich ſeyn/ wann man nicht alles erhaͤlt/ was man wuͤnſchet. Entſchlage dich deines Willens/ er betrieget den Verſtand/ und fehlet am oͤffterſten in der Erwaͤhlung der Dinge. Nicht die inclination/ ſondern die Ver- nunfft ſoll uns in allen Begebenheiten zur Richtſchnur dienen. XLI. Wir ſollen nicht alle Sachen dieſer Welt hoch achten/ weil diejenigen/ welche eine Billichkeit und Verſtand in ſich haben/ urtheilen/ es ſey ein groͤſſer Ruhm ſie mit groſſem Gemuͤth zu verachten/ als ſie durch ſeine eigene Kunſt erlangen. XLII. Das Leben mit dem Laſter iſt ein Todt; ohne die Luſt/ die bey der Suͤnde iſt/ iſt es eine ſehr verdrießliche Nacht: wegen der Freude iſt es auffs hoͤchſte eine Stunde: wegen der Sorge und Muͤhe iſt es ein gantzes Secu- lum: wegen der Hoffnung iſt es ein Schlaff oder vielmehr ein Traum. In Summa/ von dem Leben zu reden/ wie es ſich gebuͤh- ret/ ſo ſoll man daſſelbe niemahls ein Leben nennen/ wann es nicht von der Tugend ge- leh-

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 127[117]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/128>, abgerufen am 29.03.2024.