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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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zu erhalten. Worzu dienen so viel verachte-
te oder gantz vegessene Gesetze. Man hat
nur eine kleine Anzahl Gesetze von nöhten/
die Völcker in der Schuldigkeit zu erhal-
ten/ aber man muß machen/ daß dieselbe
wohl in acht genommen werden. Ein Ge-
setz/ das nicht mehr im Schwange gehet
und gehalten wird/ ist/ die Warheit zu sa-
gen/ ein sehr schädliches Exempel/ ein gemei-
nes Aergernüß/ und gibt vielen Leuten An-
laß/ allerley Boßheit zu begehen. Es ist gut
dieselbe bißweilen nach den Zeiten und Ge-
legenheiten zu verändern/ wann das Gesetz
dem Verstandes. Urtheil/ und der Klugheit
des Gesetzgebers nicht schimpfflich/ und an-
dern theils dem gemeinen Wesen nützlich
und vortheilhafftig ist/ so muß man dasselbe
nicht versäumen/ noch zugeben/ daß es in Ab-
gang komme. Nicht die Vernunfft macht
das Gesetze/ sondern die Noth und gezie-
mende Wohlständigkeit. Man soll so viel
möglich verhindern/ daß die Gewonheit
nicht auffkomme/ denn wo sie der Herr lei-
det/ und das Volck unempfindlicher Weise
auffnimpt/ so wird mit der Zeit ein Gesetz
darauß/ und verpflichtet so wohl als die an-
dere Verordnungen des Fürsten. Es ist

besser

zu erhalten. Worzu dienen ſo viel verachte-
te oder gantz vegeſſene Geſetze. Man hat
nur eine kleine Anzahl Geſetze von noͤhten/
die Voͤlcker in der Schuldigkeit zu erhal-
ten/ aber man muß machen/ daß dieſelbe
wohl in acht genommen werden. Ein Ge-
ſetz/ das nicht mehr im Schwange gehet
und gehalten wird/ iſt/ die Warheit zu ſa-
gen/ ein ſehr ſchaͤdliches Exempel/ ein gemei-
nes Aergernuͤß/ und gibt vielen Leuten An-
laß/ allerley Boßheit zu begehen. Es iſt gut
dieſelbe bißweilen nach den Zeiten und Ge-
legenheiten zu veraͤndern/ wann das Geſetz
dem Verſtandes. Urtheil/ und der Klugheit
des Geſetzgebers nicht ſchimpfflich/ und an-
dern theils dem gemeinen Weſen nuͤtzlich
und vortheilhafftig iſt/ ſo muß man daſſelbe
nicht verſaͤumen/ noch zugeben/ daß es in Ab-
gang komme. Nicht die Vernunfft macht
das Geſetze/ ſondern die Noth und gezie-
mende Wohlſtaͤndigkeit. Man ſoll ſo viel
moͤglich verhindern/ daß die Gewonheit
nicht auffkomme/ denn wo ſie der Herr lei-
det/ und das Volck unempfindlicher Weiſe
auffnimpt/ ſo wird mit der Zeit ein Geſetz
darauß/ und verpflichtet ſo wohl als die an-
dere Verordnungen des Fuͤrſten. Es iſt

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[195[185]/0196] zu erhalten. Worzu dienen ſo viel verachte- te oder gantz vegeſſene Geſetze. Man hat nur eine kleine Anzahl Geſetze von noͤhten/ die Voͤlcker in der Schuldigkeit zu erhal- ten/ aber man muß machen/ daß dieſelbe wohl in acht genommen werden. Ein Ge- ſetz/ das nicht mehr im Schwange gehet und gehalten wird/ iſt/ die Warheit zu ſa- gen/ ein ſehr ſchaͤdliches Exempel/ ein gemei- nes Aergernuͤß/ und gibt vielen Leuten An- laß/ allerley Boßheit zu begehen. Es iſt gut dieſelbe bißweilen nach den Zeiten und Ge- legenheiten zu veraͤndern/ wann das Geſetz dem Verſtandes. Urtheil/ und der Klugheit des Geſetzgebers nicht ſchimpfflich/ und an- dern theils dem gemeinen Weſen nuͤtzlich und vortheilhafftig iſt/ ſo muß man daſſelbe nicht verſaͤumen/ noch zugeben/ daß es in Ab- gang komme. Nicht die Vernunfft macht das Geſetze/ ſondern die Noth und gezie- mende Wohlſtaͤndigkeit. Man ſoll ſo viel moͤglich verhindern/ daß die Gewonheit nicht auffkomme/ denn wo ſie der Herr lei- det/ und das Volck unempfindlicher Weiſe auffnimpt/ ſo wird mit der Zeit ein Geſetz darauß/ und verpflichtet ſo wohl als die an- dere Verordnungen des Fuͤrſten. Es iſt beſſer

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 195[185]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/196>, abgerufen am 28.03.2024.