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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Diese einbringliche Methode hat wie alles Gute in dieser Welt ihren
Missstand. Mit der Accumulation der Grundrente in Irland hält Schritt
die Accumulation der Irländer in Amerika. Der durch Schaf und Ochs
beseitigte Ire ersteht auf der andern Seite des Oceans als Fenian. Und
gegenüber der alten Seekönigin erhebt sich drohend und drohender die
junge Riesenrepublik.


Acerba fata Romanos agunt
Scelusque fraternae necis.
2) Die s. g. Ursprüngliche Accumulation.

Man hat gesehn, wie Geld in Kapital verwandelt, mit dem Kapital
Mehrwerth und aus dem Mehrwerth mehr Kapital gemacht wird. Indess
setzt die Accumulation des Kapitals den Mehrwerth, der Mehrwerth die
kapitalistische Produktion, diese aber das Vorhandensein grösserer Kapi-
talmassen in den Händen von Waarenproducenten voraus. Der ganze Pro-
zess scheint also eine der kapitalistischen Accumulation vor-
ausgehende "ursprüngliche" Accumulation ("previous accumu-
lation
" bei Adam Smith) zu unterstellen, eine Accumulation, welche
nicht das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern
ihr Ausgangspunkt.

Diese ursprüngliche Accumulation spielt in der politischen
Oekonomie ungefähr dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie.
Adam biss in den Apfel und damit kam über das Menschengeschlecht die
Sünde. Ihr Ursprung wird erklärt, indem er als Anekdote der Ver-
gangenheit erzählt wird. In einer längst verflossenen Zeit gab es auf der
einen Seite eine fleissige Elite und auf der andern faulenzende Lumpen.
So kam es, dass die ersten Reichthum accumulirten und die letz-
teren schliesslich nichts zu verkaufen hatten als ihre eigne Haut. Und von
diesem Sündenfall datirt die Armuth der grossen Masse, die immer noch,
aller Arbeit zum Trotz, nichts zu verkaufen hat als sich selbst, und der
Reichthum der Wenigen
, der fortwährend wächst, obgleich sie längst
aufgehört haben zu arbeiten. Solche fade Kinderei kaut Herr Thiers
z. B. noch mit staatsfeierlichem Ernst, zur Vertheidigung der propriete,
den einst so geistreichen Franzosen vor. Aber sobald die Eigenthums-
frage ins Spiel kommt, wird es heilige Pflicht, den Standpunkt der Kinder-
fibel als den allen Altersklassen und Entwicklungsstufen allein gerechten
festzuhalten. In der wirklichen Geschichte spielen bekanntlich Erobe-

Diese einbringliche Methode hat wie alles Gute in dieser Welt ihren
Missstand. Mit der Accumulation der Grundrente in Irland hält Schritt
die Accumulation der Irländer in Amerika. Der durch Schaf und Ochs
beseitigte Ire ersteht auf der andern Seite des Oceans als Fenian. Und
gegenüber der alten Seekönigin erhebt sich drohend und drohender die
junge Riesenrepublik.


Acerba fata Romanos agunt
Scelusque fraternae necis.
2) Die s. g. Ursprüngliche Accumulation.

Man hat gesehn, wie Geld in Kapital verwandelt, mit dem Kapital
Mehrwerth und aus dem Mehrwerth mehr Kapital gemacht wird. Indess
setzt die Accumulation des Kapitals den Mehrwerth, der Mehrwerth die
kapitalistische Produktion, diese aber das Vorhandensein grösserer Kapi-
talmassen in den Händen von Waarenproducenten voraus. Der ganze Pro-
zess scheint also eine der kapitalistischen Accumulation vor-
ausgehende „ursprüngliche“ Accumulation („previous accumu-
lation
“ bei Adam Smith) zu unterstellen, eine Accumulation, welche
nicht das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern
ihr Ausgangspunkt.

Diese ursprüngliche Accumulation spielt in der politischen
Oekonomie ungefähr dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie.
Adam biss in den Apfel und damit kam über das Menschengeschlecht die
Sünde. Ihr Ursprung wird erklärt, indem er als Anekdote der Ver-
gangenheit erzählt wird. In einer längst verflossenen Zeit gab es auf der
einen Seite eine fleissige Elite und auf der andern faulenzende Lumpen.
So kam es, dass die ersten Reichthum accumulirten und die letz-
teren schliesslich nichts zu verkaufen hatten als ihre eigne Haut. Und von
diesem Sündenfall datirt die Armuth der grossen Masse, die immer noch,
aller Arbeit zum Trotz, nichts zu verkaufen hat als sich selbst, und der
Reichthum der Wenigen
, der fortwährend wächst, obgleich sie längst
aufgehört haben zu arbeiten. Solche fade Kinderei kaut Herr Thiers
z. B. noch mit staatsfeierlichem Ernst, zur Vertheidigung der propriété,
den einst so geistreichen Franzosen vor. Aber sobald die Eigenthums-
frage ins Spiel kommt, wird es heilige Pflicht, den Standpunkt der Kinder-
fibel als den allen Altersklassen und Entwicklungsstufen allein gerechten
festzuhalten. In der wirklichen Geschichte spielen bekanntlich Erobe-

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[699/0718] Diese einbringliche Methode hat wie alles Gute in dieser Welt ihren Missstand. Mit der Accumulation der Grundrente in Irland hält Schritt die Accumulation der Irländer in Amerika. Der durch Schaf und Ochs beseitigte Ire ersteht auf der andern Seite des Oceans als Fenian. Und gegenüber der alten Seekönigin erhebt sich drohend und drohender die junge Riesenrepublik. Acerba fata Romanos agunt Scelusque fraternae necis. 2) Die s. g. Ursprüngliche Accumulation. Man hat gesehn, wie Geld in Kapital verwandelt, mit dem Kapital Mehrwerth und aus dem Mehrwerth mehr Kapital gemacht wird. Indess setzt die Accumulation des Kapitals den Mehrwerth, der Mehrwerth die kapitalistische Produktion, diese aber das Vorhandensein grösserer Kapi- talmassen in den Händen von Waarenproducenten voraus. Der ganze Pro- zess scheint also eine der kapitalistischen Accumulation vor- ausgehende „ursprüngliche“ Accumulation („previous accumu- lation“ bei Adam Smith) zu unterstellen, eine Accumulation, welche nicht das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern ihr Ausgangspunkt. Diese ursprüngliche Accumulation spielt in der politischen Oekonomie ungefähr dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie. Adam biss in den Apfel und damit kam über das Menschengeschlecht die Sünde. Ihr Ursprung wird erklärt, indem er als Anekdote der Ver- gangenheit erzählt wird. In einer längst verflossenen Zeit gab es auf der einen Seite eine fleissige Elite und auf der andern faulenzende Lumpen. So kam es, dass die ersten Reichthum accumulirten und die letz- teren schliesslich nichts zu verkaufen hatten als ihre eigne Haut. Und von diesem Sündenfall datirt die Armuth der grossen Masse, die immer noch, aller Arbeit zum Trotz, nichts zu verkaufen hat als sich selbst, und der Reichthum der Wenigen, der fortwährend wächst, obgleich sie längst aufgehört haben zu arbeiten. Solche fade Kinderei kaut Herr Thiers z. B. noch mit staatsfeierlichem Ernst, zur Vertheidigung der propriété, den einst so geistreichen Franzosen vor. Aber sobald die Eigenthums- frage ins Spiel kommt, wird es heilige Pflicht, den Standpunkt der Kinder- fibel als den allen Altersklassen und Entwicklungsstufen allein gerechten festzuhalten. In der wirklichen Geschichte spielen bekanntlich Erobe-

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 699. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/718>, abgerufen am 19.04.2024.