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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Bewegung als sich selbst verwerthender Werth. Schmelzöfen
und Arbeitsgebäude, die des Nachts ruhn und keine lebendige Arbeit ein-
saugen, sind "reiner Verlust" ("a mere loss") für den Kapitalisten. Da-
rum konstituiren Schmelzöfen und Arbeitsgebäude einen "Anspruch auf
die Nachtarbeit" der Arbeitskräfte. Die blosse Verwandlung des Geldes
in gegenständliche Faktoren des Produktionsprozesses, in Produktions-
mittel, verwandelt letztre in Rechtstitel und Zwangstitel auf
fremde Arbeit und Mehrarbeit. Wie diese der kapitalistischen Produktion
eigenthümliche und sie charakterisirende Verkehrung, ja Verrückung des
Verhältnisses von todter und lebendiger Arbeit, von Werth und werth-
schöpferischer Kraft, sich im Bewusstsein der Kapitalistenköpfe abspie-
gelt, zeige schliesslich noch ein Beispiel. Während der englischen Fabri-
kantenrevolte von 1848--50 schrieb "der Chef der Leinen- und Baum-
wollspinnerei zu Paisley, einer der ältesten und respektabelsten Firmen
von Westschottland, der Herrn Carlile, Söhne und Co., deren Kompagnie
seit 1752 besteht und Generation nach Generation von derselben Familie
geführt wird", -- dieser äusserst intelligente Gentleman also schrieb in die
"Glasgow Daily Mail" vom 25. April 1849 einen Brief207) unter dem
Titel: "das Relaissystem", worin u. a. folgende grotesk naive Stelle
unterläuft: "Lasst uns nun die Uebel betrachten, die aus einer Reduktion
der Arbeitszeit von 12 auf 10 Stunden fliessen . . . . Sie "belaufen" sich
auf die allerernsthafteste Beschädigung der Aussichten und des Eigen-
thums
des Fabrikanten. Arbeitete er (d. h. seine "Hände") 12 Stunden
und wird er auf 10 beschränkt, dann schrumpfen je 12 Maschinen oder
Spindeln seines Etablissements auf 10 zusammen, ("then every 12 ma-
chines or spindles, in his establishment, shrink to 10"), und wollte er
seine Fabrik verkaufen, so würden sie nur als 10 gewerthschätzt werden,
so dass so ein sechster Theil vom Werth einer jeden Fabrik im ganzen
Lande abgezogen würde"208).


207) "Reports of Insp. of Fact. for 30th April 1849", p. 59.
208) l. c. p. 60. Fabrikinspektor Stuart, selbst Schotte, und im Gegensatz
zu den englischen Fabrikinspektoren, ganz in kapitalistischer Denkart befangen,
bemerkt ausdrücklich, dieser Brief, den er seinem Bericht einverleibt, "sei die aller-
nützlichste Mittheilung, die irgend einer der Fabrikanten, welche das Relaissystem
anwenden, gemacht, und ganz besonders darauf berechnet, die Vorurtheile und
Skrupel gegen jenes System zu beseitigen."

Bewegung als sich selbst verwerthender Werth. Schmelzöfen
und Arbeitsgebäude, die des Nachts ruhn und keine lebendige Arbeit ein-
saugen, sind „reiner Verlust“ („a mere loss“) für den Kapitalisten. Da-
rum konstituiren Schmelzöfen und Arbeitsgebäude einen „Anspruch auf
die Nachtarbeit“ der Arbeitskräfte. Die blosse Verwandlung des Geldes
in gegenständliche Faktoren des Produktionsprozesses, in Produktions-
mittel, verwandelt letztre in Rechtstitel und Zwangstitel auf
fremde Arbeit und Mehrarbeit. Wie diese der kapitalistischen Produktion
eigenthümliche und sie charakterisirende Verkehrung, ja Verrückung des
Verhältnisses von todter und lebendiger Arbeit, von Werth und werth-
schöpferischer Kraft, sich im Bewusstsein der Kapitalistenköpfe abspie-
gelt, zeige schliesslich noch ein Beispiel. Während der englischen Fabri-
kantenrevolte von 1848—50 schrieb „der Chef der Leinen- und Baum-
wollspinnerei zu Paisley, einer der ältesten und respektabelsten Firmen
von Westschottland, der Herrn Carlile, Söhne und Co., deren Kompagnie
seit 1752 besteht und Generation nach Generation von derselben Familie
geführt wird“, — dieser äusserst intelligente Gentleman also schrieb in die
„Glasgow Daily Mail“ vom 25. April 1849 einen Brief207) unter dem
Titel: „das Relaissystem“, worin u. a. folgende grotesk naive Stelle
unterläuft: „Lasst uns nun die Uebel betrachten, die aus einer Reduktion
der Arbeitszeit von 12 auf 10 Stunden fliessen . . . . Sie „belaufen“ sich
auf die allerernsthafteste Beschädigung der Aussichten und des Eigen-
thums
des Fabrikanten. Arbeitete er (d. h. seine „Hände“) 12 Stunden
und wird er auf 10 beschränkt, dann schrumpfen je 12 Maschinen oder
Spindeln seines Etablissements auf 10 zusammen, („then every 12 ma-
chines or spindles, in his establishment, shrink to 10“), und wollte er
seine Fabrik verkaufen, so würden sie nur als 10 gewerthschätzt werden,
so dass so ein sechster Theil vom Werth einer jeden Fabrik im ganzen
Lande abgezogen würde“208).


207)Reports of Insp. of Fact. for 30th April 1849“, p. 59.
208) l. c. p. 60. Fabrikinspektor Stuart, selbst Schotte, und im Gegensatz
zu den englischen Fabrikinspektoren, ganz in kapitalistischer Denkart befangen,
bemerkt ausdrücklich, dieser Brief, den er seinem Bericht einverleibt, „sei die aller-
nützlichste Mittheilung, die irgend einer der Fabrikanten, welche das Relaissystem
anwenden, gemacht, und ganz besonders darauf berechnet, die Vorurtheile und
Skrupel gegen jenes System zu beseitigen.“
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[290/0309] Bewegung als sich selbst verwerthender Werth. Schmelzöfen und Arbeitsgebäude, die des Nachts ruhn und keine lebendige Arbeit ein- saugen, sind „reiner Verlust“ („a mere loss“) für den Kapitalisten. Da- rum konstituiren Schmelzöfen und Arbeitsgebäude einen „Anspruch auf die Nachtarbeit“ der Arbeitskräfte. Die blosse Verwandlung des Geldes in gegenständliche Faktoren des Produktionsprozesses, in Produktions- mittel, verwandelt letztre in Rechtstitel und Zwangstitel auf fremde Arbeit und Mehrarbeit. Wie diese der kapitalistischen Produktion eigenthümliche und sie charakterisirende Verkehrung, ja Verrückung des Verhältnisses von todter und lebendiger Arbeit, von Werth und werth- schöpferischer Kraft, sich im Bewusstsein der Kapitalistenköpfe abspie- gelt, zeige schliesslich noch ein Beispiel. Während der englischen Fabri- kantenrevolte von 1848—50 schrieb „der Chef der Leinen- und Baum- wollspinnerei zu Paisley, einer der ältesten und respektabelsten Firmen von Westschottland, der Herrn Carlile, Söhne und Co., deren Kompagnie seit 1752 besteht und Generation nach Generation von derselben Familie geführt wird“, — dieser äusserst intelligente Gentleman also schrieb in die „Glasgow Daily Mail“ vom 25. April 1849 einen Brief 207) unter dem Titel: „das Relaissystem“, worin u. a. folgende grotesk naive Stelle unterläuft: „Lasst uns nun die Uebel betrachten, die aus einer Reduktion der Arbeitszeit von 12 auf 10 Stunden fliessen . . . . Sie „belaufen“ sich auf die allerernsthafteste Beschädigung der Aussichten und des Eigen- thums des Fabrikanten. Arbeitete er (d. h. seine „Hände“) 12 Stunden und wird er auf 10 beschränkt, dann schrumpfen je 12 Maschinen oder Spindeln seines Etablissements auf 10 zusammen, („then every 12 ma- chines or spindles, in his establishment, shrink to 10“), und wollte er seine Fabrik verkaufen, so würden sie nur als 10 gewerthschätzt werden, so dass so ein sechster Theil vom Werth einer jeden Fabrik im ganzen Lande abgezogen würde“ 208). 207) „Reports of Insp. of Fact. for 30th April 1849“, p. 59. 208) l. c. p. 60. Fabrikinspektor Stuart, selbst Schotte, und im Gegensatz zu den englischen Fabrikinspektoren, ganz in kapitalistischer Denkart befangen, bemerkt ausdrücklich, dieser Brief, den er seinem Bericht einverleibt, „sei die aller- nützlichste Mittheilung, die irgend einer der Fabrikanten, welche das Relaissystem anwenden, gemacht, und ganz besonders darauf berechnet, die Vorurtheile und Skrupel gegen jenes System zu beseitigen.“

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/309>, abgerufen am 23.04.2024.