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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Zunehmende Intensivität und Produktivkraft der
Arbeit mit gleichzeitiger Verkürzung des Arbeitstags
.

Gesteigerte Produktivkraft der Arbeit und ihre wachsende Intensivi-
tät wirken nach einer Seite hin gleichförmig. Beide vermehren die Pro-
duktenmasse in gegebnem Zeitraum. Beide verkürzen also den Theil des
Arbeitstags, den der Arbeiter zur Produktion seiner Lebensmittel oder
ihres Aequivalents braucht. Die absolute Grenze des Arbeitstags
wird überhaupt gebildet durch diesen seinen nothwendigen, aber
kontraktilen Bestandtheil. Schrumpfte darauf der ganze Arbeits-
tag zusammen, so verschwände die Mehrarbeit, was unter dem Regime des
Kapitals unmöglich. Die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform
erlaubt den Arbeitstag durch die nothwendige Arbeit zu be-
schränken. Jedoch würde die letztere mit ihrem Begriff, unter sonst gleich-
bleibenden Umständen, auch ihren Raum ausdehnen. Einerseits weil die
Lebensbedingungen des Arbeiters reicher und seine Lebensansprüche
grösser. Andrerseits würde ein Theil der jetzigen Mehrarbeit zur noth-

liamentary Committees of Inquiry 1814--15), they are most meritorious in the
individuals, and certainly favour the growth of capital. But no man of
humanity could wish to see them constant and unremitted. They are
most admirable as a temporary relief; but if they were constantly in action,
effects of a similar kind would result from them, as from the population of a
country being pushed to the very extreme limits of its food." (Malthus:
"Inquiry into the Nature and Progress of Rent. Lond. 1815",
p. 48 Note.) Es macht Malthus alle Ehre, dass er die auch an andrer Stelle in
seinem Pamphlet direkt ausgesprochne Verlängerung des Arbeitstags
betont, während Ricardo und Andre, im Angesicht der schreiendsten Thatsachen,
an ihrer Schulansicht von der constanten Grösse des Arbeitstags dogmatisch
festhielten, und sie in der That allen ihren Untersuchungen zu Grund legten. Aber
die konservativen Interessen, deren Knecht Malthus war, hinderten ihn zu sehn,
dass die masslose Verlängerung des Arbeitstags, zugleich mit ausserordentlicher
Entwicklung der Maschinerie und der Exploitation der Weiber- und Kinderarbeit,
einen grossen Theil der Arbeiterklasse "überzählig" machen mussten, namentlich
sobald die Kriegsnachfrage und das englische Monopol des Weltmarkts aufhörten.
Es war natürlich weit bequemer und den Interessen der herrschenden Klassen, die
Malthus ächt pfäffisch idolatrisirt, viel entsprechender, diese "Uebervölkerung"
aus den ewigen Gesetzen der Natur, als aus den nur historischen Naturgesetzen
der kapitalistischen Produktion zu erklären.
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Zunehmende Intensivität und Produktivkraft der
Arbeit mit gleichzeitiger Verkürzung des Arbeitstags
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Gesteigerte Produktivkraft der Arbeit und ihre wachsende Intensivi-
tät wirken nach einer Seite hin gleichförmig. Beide vermehren die Pro-
duktenmasse in gegebnem Zeitraum. Beide verkürzen also den Theil des
Arbeitstags, den der Arbeiter zur Produktion seiner Lebensmittel oder
ihres Aequivalents braucht. Die absolute Grenze des Arbeitstags
wird überhaupt gebildet durch diesen seinen nothwendigen, aber
kontraktilen Bestandtheil. Schrumpfte darauf der ganze Arbeits-
tag zusammen, so verschwände die Mehrarbeit, was unter dem Regime des
Kapitals unmöglich. Die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform
erlaubt den Arbeitstag durch die nothwendige Arbeit zu be-
schränken. Jedoch würde die letztere mit ihrem Begriff, unter sonst gleich-
bleibenden Umständen, auch ihren Raum ausdehnen. Einerseits weil die
Lebensbedingungen des Arbeiters reicher und seine Lebensansprüche
grösser. Andrerseits würde ein Theil der jetzigen Mehrarbeit zur noth-

liamentary Committees of Inquiry 1814—15), they are most meritorious in the
individuals, and certainly favour the growth of capital. But no man of
humanity could wish to see them constant and unremitted. They are
most admirable as a temporary relief; but if they were constantly in action,
effects of a similar kind would result from them, as from the population of a
country being pushed to the very extreme limits of its food.“ (Malthus:
Inquiry into the Nature and Progress of Rent. Lond. 1815“,
p. 48 Note.) Es macht Malthus alle Ehre, dass er die auch an andrer Stelle in
seinem Pamphlet direkt ausgesprochne Verlängerung des Arbeitstags
betont, während Ricardo und Andre, im Angesicht der schreiendsten Thatsachen,
an ihrer Schulansicht von der constanten Grösse des Arbeitstags dogmatisch
festhielten, und sie in der That allen ihren Untersuchungen zu Grund legten. Aber
die konservativen Interessen, deren Knecht Malthus war, hinderten ihn zu sehn,
dass die masslose Verlängerung des Arbeitstags, zugleich mit ausserordentlicher
Entwicklung der Maschinerie und der Exploitation der Weiber- und Kinderarbeit,
einen grossen Theil der Arbeiterklasse „überzählig“ machen mussten, namentlich
sobald die Kriegsnachfrage und das englische Monopol des Weltmarkts aufhörten.
Es war natürlich weit bequemer und den Interessen der herrschenden Klassen, die
Malthus ächt pfäffisch idolatrisirt, viel entsprechender, diese „Uebervölkerung“
aus den ewigen Gesetzen der Natur, als aus den nur historischen Naturgesetzen
der kapitalistischen Produktion zu erklären.
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[515/0534] Zunehmende Intensivität und Produktivkraft der Arbeit mit gleichzeitiger Verkürzung des Arbeitstags. Gesteigerte Produktivkraft der Arbeit und ihre wachsende Intensivi- tät wirken nach einer Seite hin gleichförmig. Beide vermehren die Pro- duktenmasse in gegebnem Zeitraum. Beide verkürzen also den Theil des Arbeitstags, den der Arbeiter zur Produktion seiner Lebensmittel oder ihres Aequivalents braucht. Die absolute Grenze des Arbeitstags wird überhaupt gebildet durch diesen seinen nothwendigen, aber kontraktilen Bestandtheil. Schrumpfte darauf der ganze Arbeits- tag zusammen, so verschwände die Mehrarbeit, was unter dem Regime des Kapitals unmöglich. Die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform erlaubt den Arbeitstag durch die nothwendige Arbeit zu be- schränken. Jedoch würde die letztere mit ihrem Begriff, unter sonst gleich- bleibenden Umständen, auch ihren Raum ausdehnen. Einerseits weil die Lebensbedingungen des Arbeiters reicher und seine Lebensansprüche grösser. Andrerseits würde ein Theil der jetzigen Mehrarbeit zur noth- 16) 16) liamentary Committees of Inquiry 1814—15), they are most meritorious in the individuals, and certainly favour the growth of capital. But no man of humanity could wish to see them constant and unremitted. They are most admirable as a temporary relief; but if they were constantly in action, effects of a similar kind would result from them, as from the population of a country being pushed to the very extreme limits of its food.“ (Malthus: „Inquiry into the Nature and Progress of Rent. Lond. 1815“, p. 48 Note.) Es macht Malthus alle Ehre, dass er die auch an andrer Stelle in seinem Pamphlet direkt ausgesprochne Verlängerung des Arbeitstags betont, während Ricardo und Andre, im Angesicht der schreiendsten Thatsachen, an ihrer Schulansicht von der constanten Grösse des Arbeitstags dogmatisch festhielten, und sie in der That allen ihren Untersuchungen zu Grund legten. Aber die konservativen Interessen, deren Knecht Malthus war, hinderten ihn zu sehn, dass die masslose Verlängerung des Arbeitstags, zugleich mit ausserordentlicher Entwicklung der Maschinerie und der Exploitation der Weiber- und Kinderarbeit, einen grossen Theil der Arbeiterklasse „überzählig“ machen mussten, namentlich sobald die Kriegsnachfrage und das englische Monopol des Weltmarkts aufhörten. Es war natürlich weit bequemer und den Interessen der herrschenden Klassen, die Malthus ächt pfäffisch idolatrisirt, viel entsprechender, diese „Uebervölkerung“ aus den ewigen Gesetzen der Natur, als aus den nur historischen Naturgesetzen der kapitalistischen Produktion zu erklären. 33*

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/534>, abgerufen am 20.04.2024.