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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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den Kapitalisten, ohne ihm einen Werthersatz zu kosten20). Er hat diese
Flüssigmachung der Arbeitskraft umsonst. In diesem Sinn kann diese
Mehrarbeit unbezahlte Arbeit heissen.

Das Kapital ist also nicht nur Kommando über Arbeit, wie
A. Smith sagt. Es ist wesentlich Kommando über unbezahlte
Arbeit
. Aller Mehrwerth, in welcher besondern Gestalt von Profit,
Zins, Rente u. s. w. er sich später krystallisire, ist seiner Substanz nach
Materiatur unbezahlter Arbeitszeit. Das Geheimniss von der
Selbstverwerthung des Kapitals löst sich auf in seine Ver-
fügung über ein bestimmtes Quantum unbezahlter frem-
der Arbeit
.

4) Werth, resp. Preis der Arbeitskraft in der ver-
wandelten Form des Arbeitslohns
.
a) Die Formverwandlung.

Auf der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheint der
Lohn des Arbeiters als Lohn der Arbeit, ein bestimmtes Quantum
Geld, das für ein bestimmtes Quantum Arbeit gezahlt wird. Man spricht
hier von einem Werth der Arbeit und nennt den Geldausdruck dieses
Werths den nothwendigen oder natürlichen Preis der Ar-
beit
. Man spricht andrerseits von Marktpreisen der Arbeit,
d. h. über oder unter ihrem nothwendigen Preis oscillirenden Preisen.

Aber was ist der Werth einer Waare? Die Vergegenständlichung
der zu ihrer Produktion gesellschaftlich nothwendigen Arbeit. Und wo-
durch messen wir die Grösse ihres Werths? Durch die Grösse der in
ihr enthaltenen Arbeitszeit. Wodurch wäre also der Werth z. B.
eines zwölfstündigen Arbeitstags bestimmt? Durch die in einem Arbeits-
tag von 12 Stunden enthaltenen 12 Arbeitsstunden, was eine abge-
schmackte Tautologie ist21).


20) Obgleich die Physiokraten das Geheimniss des Mehrwerths nicht durch-
schauten, war ihnen doch so viel klar, dass er "une richesse independante et
disponible, qu'il (der Besitzer davon) n'a point achetee et qu'il vend."
(Turgot: "Reflexions sur la Formation et la Distribution des
Richesses
", p. 11.)
21) "Mr. Ricardo, ingeniously enough, avoids a difficulty which, on a first
view, threatens to encumber his doctrine, that value depends on the quantity of
labour employed in production. If this principle is rigidly adhered to, it follows

den Kapitalisten, ohne ihm einen Werthersatz zu kosten20). Er hat diese
Flüssigmachung der Arbeitskraft umsonst. In diesem Sinn kann diese
Mehrarbeit unbezahlte Arbeit heissen.

Das Kapital ist also nicht nur Kommando über Arbeit, wie
A. Smith sagt. Es ist wesentlich Kommando über unbezahlte
Arbeit
. Aller Mehrwerth, in welcher besondern Gestalt von Profit,
Zins, Rente u. s. w. er sich später krystallisire, ist seiner Substanz nach
Materiatur unbezahlter Arbeitszeit. Das Geheimniss von der
Selbstverwerthung des Kapitals löst sich auf in seine Ver-
fügung über ein bestimmtes Quantum unbezahlter frem-
der Arbeit
.

4) Werth, resp. Preis der Arbeitskraft in der ver-
wandelten Form des Arbeitslohns
.
a) Die Formverwandlung.

Auf der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheint der
Lohn des Arbeiters als Lohn der Arbeit, ein bestimmtes Quantum
Geld, das für ein bestimmtes Quantum Arbeit gezahlt wird. Man spricht
hier von einem Werth der Arbeit und nennt den Geldausdruck dieses
Werths den nothwendigen oder natürlichen Preis der Ar-
beit
. Man spricht andrerseits von Marktpreisen der Arbeit,
d. h. über oder unter ihrem nothwendigen Preis oscillirenden Preisen.

Aber was ist der Werth einer Waare? Die Vergegenständlichung
der zu ihrer Produktion gesellschaftlich nothwendigen Arbeit. Und wo-
durch messen wir die Grösse ihres Werths? Durch die Grösse der in
ihr enthaltenen Arbeitszeit. Wodurch wäre also der Werth z. B.
eines zwölfstündigen Arbeitstags bestimmt? Durch die in einem Arbeits-
tag von 12 Stunden enthaltenen 12 Arbeitsstunden, was eine abge-
schmackte Tautologie ist21).


20) Obgleich die Physiokraten das Geheimniss des Mehrwerths nicht durch-
schauten, war ihnen doch so viel klar, dass er „une richesse indépendante et
disponible, qu’il (der Besitzer davon) n’a point achetée et qu’il vend.“
(Turgot: „Réflexions sur la Formation et la Distribution des
Richesses
“, p. 11.)
21) „Mr. Ricardo, ingeniously enough, avoids a difficulty which, on a first
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[520/0539] den Kapitalisten, ohne ihm einen Werthersatz zu kosten 20). Er hat diese Flüssigmachung der Arbeitskraft umsonst. In diesem Sinn kann diese Mehrarbeit unbezahlte Arbeit heissen. Das Kapital ist also nicht nur Kommando über Arbeit, wie A. Smith sagt. Es ist wesentlich Kommando über unbezahlte Arbeit. Aller Mehrwerth, in welcher besondern Gestalt von Profit, Zins, Rente u. s. w. er sich später krystallisire, ist seiner Substanz nach Materiatur unbezahlter Arbeitszeit. Das Geheimniss von der Selbstverwerthung des Kapitals löst sich auf in seine Ver- fügung über ein bestimmtes Quantum unbezahlter frem- der Arbeit. 4) Werth, resp. Preis der Arbeitskraft in der ver- wandelten Form des Arbeitslohns. a) Die Formverwandlung. Auf der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheint der Lohn des Arbeiters als Lohn der Arbeit, ein bestimmtes Quantum Geld, das für ein bestimmtes Quantum Arbeit gezahlt wird. Man spricht hier von einem Werth der Arbeit und nennt den Geldausdruck dieses Werths den nothwendigen oder natürlichen Preis der Ar- beit. Man spricht andrerseits von Marktpreisen der Arbeit, d. h. über oder unter ihrem nothwendigen Preis oscillirenden Preisen. Aber was ist der Werth einer Waare? Die Vergegenständlichung der zu ihrer Produktion gesellschaftlich nothwendigen Arbeit. Und wo- durch messen wir die Grösse ihres Werths? Durch die Grösse der in ihr enthaltenen Arbeitszeit. Wodurch wäre also der Werth z. B. eines zwölfstündigen Arbeitstags bestimmt? Durch die in einem Arbeits- tag von 12 Stunden enthaltenen 12 Arbeitsstunden, was eine abge- schmackte Tautologie ist 21). 20) Obgleich die Physiokraten das Geheimniss des Mehrwerths nicht durch- schauten, war ihnen doch so viel klar, dass er „une richesse indépendante et disponible, qu’il (der Besitzer davon) n’a point achetée et qu’il vend.“ (Turgot: „Réflexions sur la Formation et la Distribution des Richesses“, p. 11.) 21) „Mr. Ricardo, ingeniously enough, avoids a difficulty which, on a first view, threatens to encumber his doctrine, that value depends on the quantity of labour employed in production. If this principle is rigidly adhered to, it follows

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/539>, abgerufen am 24.04.2024.