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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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daher die nationalen Arbeitslöhne so berechnen, als ob der Theil derselben,
der dem Staat in der Form von Steuern zufällt, dem Arbeiter selbst zufiele.
Sollte Herr Carey nicht weiter darüber nachdenken, ob diese "Staats-
kosten" nicht auch "naturgemässe" Früchte der kapitalistischen Entwick-
lung sind? Das Raisonnement ist ganz des Mannes würdig, der die kapita-
listischen Produktionsverhältnisse erst für ewige Natur- und Vernunftge-
setze erklärte, deren frei harmonisches Spiel nur durch die Staatsein-
mischung
gestört werde, um hinterher zu entdecken, dass Englands dia-
bolischer Einfluss auf den Weltmarkt, ein Einfluss, der, wie es scheint,
nicht den Naturgesetzen der kapitalistischen Produktion entspringt, die
Staatseinmischung
nöthig macht, nämlich den Schutz jener Natur- und
Vernunftgesetze durch den Staat, alias das Protektionssystem. Er ent-
deckte ferner, dass die Theoreme Ricardo's u. s. w., worin existirende gesell-
schaftliche Gegensätze und Widersprüche formulirt sind, nicht das ideale Pro-
dukt der wirklichen ökonomischen Bewegung, sondern dass umgekehrt die
wirklichen Gegensätze der kapitalistischen Produktion in England und
anderswo das Resultat der Ricardo'schen u. s. w. Theorie sind! Er ent-
deckte schliesslich, dass es in letzter Instanz der Handel ist, der die ein-
gebornen Schönheiten und Harmonieen der kapitalistischen Produktions-
weise vernichtet. Noch einen Schritt weiter, und er entdeckt vielleicht,
dass der einzige Missstand an der kapitalistischen Produktion das Kapi-
tal selbst ist. Nur ein Mann von so entsetzlicher Kritiklosigkeit und sol-
cher Gelehrsamkeit de faux aloi verdiente, trotz seiner protektionistischen
Ketzerei, die Geheimquelle der harmonischen Weisheit eines
Bastiat und aller andern freihändlerischen Optimisten der Gegenwart zu
werden68).



68) Ich werde im Vierten Buch die Seichtigkeit seiner Wissenschaft näher
nachweisen.

daher die nationalen Arbeitslöhne so berechnen, als ob der Theil derselben,
der dem Staat in der Form von Steuern zufällt, dem Arbeiter selbst zufiele.
Sollte Herr Carey nicht weiter darüber nachdenken, ob diese „Staats-
kosten“ nicht auch „naturgemässe“ Früchte der kapitalistischen Entwick-
lung sind? Das Raisonnement ist ganz des Mannes würdig, der die kapita-
listischen Produktionsverhältnisse erst für ewige Natur- und Vernunftge-
setze erklärte, deren frei harmonisches Spiel nur durch die Staatsein-
mischung
gestört werde, um hinterher zu entdecken, dass Englands dia-
bolischer Einfluss auf den Weltmarkt, ein Einfluss, der, wie es scheint,
nicht den Naturgesetzen der kapitalistischen Produktion entspringt, die
Staatseinmischung
nöthig macht, nämlich den Schutz jener Natur- und
Vernunftgesetze durch den Staat, alias das Protektionssystem. Er ent-
deckte ferner, dass die Theoreme Ricardo’s u. s. w., worin existirende gesell-
schaftliche Gegensätze und Widersprüche formulirt sind, nicht das ideale Pro-
dukt der wirklichen ökonomischen Bewegung, sondern dass umgekehrt die
wirklichen Gegensätze der kapitalistischen Produktion in England und
anderswo das Resultat der Ricardo’schen u. s. w. Theorie sind! Er ent-
deckte schliesslich, dass es in letzter Instanz der Handel ist, der die ein-
gebornen Schönheiten und Harmonieen der kapitalistischen Produktions-
weise vernichtet. Noch einen Schritt weiter, und er entdeckt vielleicht,
dass der einzige Missstand an der kapitalistischen Produktion das Kapi-
tal selbst ist. Nur ein Mann von so entsetzlicher Kritiklosigkeit und sol-
cher Gelehrsamkeit de faux aloi verdiente, trotz seiner protektionistischen
Ketzerei, die Geheimquelle der harmonischen Weisheit eines
Bastiat und aller andern freihändlerischen Optimisten der Gegenwart zu
werden68).



68) Ich werde im Vierten Buch die Seichtigkeit seiner Wissenschaft näher
nachweisen.
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[550/0569] daher die nationalen Arbeitslöhne so berechnen, als ob der Theil derselben, der dem Staat in der Form von Steuern zufällt, dem Arbeiter selbst zufiele. Sollte Herr Carey nicht weiter darüber nachdenken, ob diese „Staats- kosten“ nicht auch „naturgemässe“ Früchte der kapitalistischen Entwick- lung sind? Das Raisonnement ist ganz des Mannes würdig, der die kapita- listischen Produktionsverhältnisse erst für ewige Natur- und Vernunftge- setze erklärte, deren frei harmonisches Spiel nur durch die Staatsein- mischung gestört werde, um hinterher zu entdecken, dass Englands dia- bolischer Einfluss auf den Weltmarkt, ein Einfluss, der, wie es scheint, nicht den Naturgesetzen der kapitalistischen Produktion entspringt, die Staatseinmischung nöthig macht, nämlich den Schutz jener Natur- und Vernunftgesetze durch den Staat, alias das Protektionssystem. Er ent- deckte ferner, dass die Theoreme Ricardo’s u. s. w., worin existirende gesell- schaftliche Gegensätze und Widersprüche formulirt sind, nicht das ideale Pro- dukt der wirklichen ökonomischen Bewegung, sondern dass umgekehrt die wirklichen Gegensätze der kapitalistischen Produktion in England und anderswo das Resultat der Ricardo’schen u. s. w. Theorie sind! Er ent- deckte schliesslich, dass es in letzter Instanz der Handel ist, der die ein- gebornen Schönheiten und Harmonieen der kapitalistischen Produktions- weise vernichtet. Noch einen Schritt weiter, und er entdeckt vielleicht, dass der einzige Missstand an der kapitalistischen Produktion das Kapi- tal selbst ist. Nur ein Mann von so entsetzlicher Kritiklosigkeit und sol- cher Gelehrsamkeit de faux aloi verdiente, trotz seiner protektionistischen Ketzerei, die Geheimquelle der harmonischen Weisheit eines Bastiat und aller andern freihändlerischen Optimisten der Gegenwart zu werden 68). 68) Ich werde im Vierten Buch die Seichtigkeit seiner Wissenschaft näher nachweisen.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/569>, abgerufen am 16.04.2024.