Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Nichts kann alberner sein als das Dogma, die Waarencirculation be-
dinge ein nothwendiges Gleichgewicht der Verkäufe und Käufe, weil jeder
Verkauf Kauf und vice versa. Meint diess, dass die Zahl der wirklich
vollzognen Verkäufe gleich derselben Zahl von Käufen, so ist es platte
Tautologie. Aber es soll beweisen, dass der Verkäufer seinen eignen
Käufer zu Markt führt. Verkauf und Kauf sind ein identischer Act
als Wechselbeziehung zweier polarisch entgegengesetzter
Personen
, des Waarenbesitzers und des Geldbesitzers. Sie bilden
zweipolarisch entgegengesetzte Akte als Handlungen dersel-
ben
Person. Die Identität von Verkauf und Kauf schliesst daher ein,
dass die Waare nutzlos wird, wenn sie, in die alchymistische Retorte
der Circulation geworfen, nicht als Geld herauskommt, nicht vom Waa-
renbesitzer verkauft, also vom Geldbesitzer gekauft wird. Jene Identität
enthält ferner, dass der Prozess, wenn er gelingt, einen Ruhepunkt, einen
Lebensabschnitt der Waare bildet, der länger oder kürzer währen kann.
Da die erste Metamorphose der Waare zugleich Verkauf und Kauf,
ist dieser Theilprozess zugleich selbstständiger Prozess. Der Käufer hat
die Waare, der Verkäufer hat das Geld, d. h. eine Waare, die circula-
tionsfähige Form bewahrt, ob sie früher oder später wieder auf dem
Markt erscheine. Keiner kann verkaufen, ohne dass ein Andrer kauft.
Aber keiner braucht unmittelbar zu kaufen, weil er selbst verkauft hat.
Die Circulation sprengt die zeitlichen, örtlichen und individuellen Schran-
ken des Produktenaustauschs eben dadurch, dass sie die hier vorhandne
unmittelbare Identität zwischen dem Austausch des eignen und
dem Eintausch des fremden Arbeitsprodukts in den Gegensatz von
Verkauf und Kauf spaltet. Dass die selbstständig einander gegenüber-
tretenden Prozesse eine innere Einheit bilden, heisst eben so sehr,
dass ihre innere Einheit sich in äusseren Gegensätzen bewegt.
Geht die äusserliche Verselbstständigung der innerlich Unselbstständigen,
weil einander ergänzenden, bis zu einem gewissen Punkt fort, so macht
sich die Einheit gewaltsam geltend durch eine -- Krise. Der der Waare
immanente Gegensatz von Gebrauchswerth und Tauschwerth, von Privat-
arbeit, die sich zugleich als unmittelbar gesellschaftliche Arbeit darstellen
muss, von besondrer konkreter Arbeit, die zugleich nur als abstrakt all-
gemeine Arbeit gilt, von Personificirung der Sache und Versachlichung der
Personen -- dieser immanente Widerspruch erhält in den Gegensätzen der

Nichts kann alberner sein als das Dogma, die Waarencirculation be-
dinge ein nothwendiges Gleichgewicht der Verkäufe und Käufe, weil jeder
Verkauf Kauf und vice versa. Meint diess, dass die Zahl der wirklich
vollzognen Verkäufe gleich derselben Zahl von Käufen, so ist es platte
Tautologie. Aber es soll beweisen, dass der Verkäufer seinen eignen
Käufer zu Markt führt. Verkauf und Kauf sind ein identischer Act
als Wechselbeziehung zweier polarisch entgegengesetzter
Personen
, des Waarenbesitzers und des Geldbesitzers. Sie bilden
zweipolarisch entgegengesetzte Akte als Handlungen dersel-
ben
Person. Die Identität von Verkauf und Kauf schliesst daher ein,
dass die Waare nutzlos wird, wenn sie, in die alchymistische Retorte
der Circulation geworfen, nicht als Geld herauskommt, nicht vom Waa-
renbesitzer verkauft, also vom Geldbesitzer gekauft wird. Jene Identität
enthält ferner, dass der Prozess, wenn er gelingt, einen Ruhepunkt, einen
Lebensabschnitt der Waare bildet, der länger oder kürzer währen kann.
Da die erste Metamorphose der Waare zugleich Verkauf und Kauf,
ist dieser Theilprozess zugleich selbstständiger Prozess. Der Käufer hat
die Waare, der Verkäufer hat das Geld, d. h. eine Waare, die circula-
tionsfähige Form bewahrt, ob sie früher oder später wieder auf dem
Markt erscheine. Keiner kann verkaufen, ohne dass ein Andrer kauft.
Aber keiner braucht unmittelbar zu kaufen, weil er selbst verkauft hat.
Die Circulation sprengt die zeitlichen, örtlichen und individuellen Schran-
ken des Produktenaustauschs eben dadurch, dass sie die hier vorhandne
unmittelbare Identität zwischen dem Austausch des eignen und
dem Eintausch des fremden Arbeitsprodukts in den Gegensatz von
Verkauf und Kauf spaltet. Dass die selbstständig einander gegenüber-
tretenden Prozesse eine innere Einheit bilden, heisst eben so sehr,
dass ihre innere Einheit sich in äusseren Gegensätzen bewegt.
Geht die äusserliche Verselbstständigung der innerlich Unselbstständigen,
weil einander ergänzenden, bis zu einem gewissen Punkt fort, so macht
sich die Einheit gewaltsam geltend durch eine — Krise. Der der Waare
immanente Gegensatz von Gebrauchswerth und Tauschwerth, von Privat-
arbeit, die sich zugleich als unmittelbar gesellschaftliche Arbeit darstellen
muss, von besondrer konkreter Arbeit, die zugleich nur als abstrakt all-
gemeine Arbeit gilt, von Personificirung der Sache und Versachlichung der
Personen — dieser immanente Widerspruch erhält in den Gegensätzen der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0092" n="73"/>
                <p>Nichts kann alberner sein als das Dogma, die Waarencirculation be-<lb/>
dinge ein nothwendiges Gleichgewicht der Verkäufe und Käufe, weil jeder<lb/>
Verkauf Kauf und vice versa. Meint diess, dass die Zahl der wirklich<lb/>
vollzognen Verkäufe gleich derselben Zahl von Käufen, so ist es platte<lb/>
Tautologie. Aber es soll beweisen, dass der Verkäufer seinen eignen<lb/>
Käufer zu Markt führt. Verkauf und Kauf sind ein <hi rendition="#g">identischer Act</hi><lb/>
als Wechselbeziehung <hi rendition="#g">zweier polarisch entgegengesetzter<lb/>
Personen</hi>, des Waarenbesitzers und des Geldbesitzers. Sie bilden<lb/><hi rendition="#g">zweipolarisch entgegengesetzte Akte</hi> als Handlungen <hi rendition="#g">dersel-<lb/>
ben</hi> Person. Die Identität von Verkauf und Kauf schliesst daher ein,<lb/>
dass die Waare <hi rendition="#g">nutzlos</hi> wird, wenn sie, in die alchymistische Retorte<lb/>
der Circulation geworfen, nicht <hi rendition="#g">als Geld</hi> herauskommt, nicht vom Waa-<lb/>
renbesitzer verkauft, also vom Geldbesitzer gekauft wird. Jene Identität<lb/>
enthält ferner, dass der Prozess, wenn er gelingt, einen Ruhepunkt, einen<lb/>
Lebensabschnitt der Waare bildet, der länger oder kürzer währen kann.<lb/>
Da die <hi rendition="#g">erste Metamorphose</hi> der Waare zugleich Verkauf und Kauf,<lb/>
ist dieser Theilprozess zugleich selbstständiger Prozess. Der Käufer hat<lb/>
die Waare, der Verkäufer hat das Geld, d. h. eine Waare, die circula-<lb/>
tionsfähige Form bewahrt, ob sie früher oder später wieder auf dem<lb/>
Markt erscheine. Keiner kann verkaufen, ohne dass ein Andrer kauft.<lb/>
Aber keiner braucht unmittelbar zu kaufen, weil er selbst verkauft hat.<lb/>
Die Circulation sprengt die zeitlichen, örtlichen und individuellen Schran-<lb/>
ken des Produktenaustauschs eben dadurch, dass sie die hier vorhandne<lb/><hi rendition="#g">unmittelbare Identität</hi> zwischen dem Austausch des eignen und<lb/>
dem Eintausch des fremden Arbeitsprodukts in den <hi rendition="#g">Gegensatz</hi> von<lb/>
Verkauf und Kauf <hi rendition="#g">spaltet</hi>. Dass die selbstständig einander gegenüber-<lb/>
tretenden Prozesse eine <hi rendition="#g">innere Einheit</hi> bilden, heisst eben so sehr,<lb/>
dass ihre innere Einheit sich <hi rendition="#g">in äusseren Gegensätzen</hi> bewegt.<lb/>
Geht die äusserliche Verselbstständigung der innerlich Unselbstständigen,<lb/>
weil einander ergänzenden, bis zu einem gewissen Punkt fort, so macht<lb/>
sich die Einheit gewaltsam geltend durch eine &#x2014; <hi rendition="#g">Krise</hi>. Der der Waare<lb/>
immanente Gegensatz von Gebrauchswerth und Tauschwerth, von Privat-<lb/>
arbeit, die sich zugleich als unmittelbar gesellschaftliche Arbeit darstellen<lb/>
muss, von besondrer konkreter Arbeit, die zugleich nur als abstrakt all-<lb/>
gemeine Arbeit gilt, von Personificirung der Sache und Versachlichung der<lb/>
Personen &#x2014; dieser immanente Widerspruch erhält in den Gegensätzen der<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0092] Nichts kann alberner sein als das Dogma, die Waarencirculation be- dinge ein nothwendiges Gleichgewicht der Verkäufe und Käufe, weil jeder Verkauf Kauf und vice versa. Meint diess, dass die Zahl der wirklich vollzognen Verkäufe gleich derselben Zahl von Käufen, so ist es platte Tautologie. Aber es soll beweisen, dass der Verkäufer seinen eignen Käufer zu Markt führt. Verkauf und Kauf sind ein identischer Act als Wechselbeziehung zweier polarisch entgegengesetzter Personen, des Waarenbesitzers und des Geldbesitzers. Sie bilden zweipolarisch entgegengesetzte Akte als Handlungen dersel- ben Person. Die Identität von Verkauf und Kauf schliesst daher ein, dass die Waare nutzlos wird, wenn sie, in die alchymistische Retorte der Circulation geworfen, nicht als Geld herauskommt, nicht vom Waa- renbesitzer verkauft, also vom Geldbesitzer gekauft wird. Jene Identität enthält ferner, dass der Prozess, wenn er gelingt, einen Ruhepunkt, einen Lebensabschnitt der Waare bildet, der länger oder kürzer währen kann. Da die erste Metamorphose der Waare zugleich Verkauf und Kauf, ist dieser Theilprozess zugleich selbstständiger Prozess. Der Käufer hat die Waare, der Verkäufer hat das Geld, d. h. eine Waare, die circula- tionsfähige Form bewahrt, ob sie früher oder später wieder auf dem Markt erscheine. Keiner kann verkaufen, ohne dass ein Andrer kauft. Aber keiner braucht unmittelbar zu kaufen, weil er selbst verkauft hat. Die Circulation sprengt die zeitlichen, örtlichen und individuellen Schran- ken des Produktenaustauschs eben dadurch, dass sie die hier vorhandne unmittelbare Identität zwischen dem Austausch des eignen und dem Eintausch des fremden Arbeitsprodukts in den Gegensatz von Verkauf und Kauf spaltet. Dass die selbstständig einander gegenüber- tretenden Prozesse eine innere Einheit bilden, heisst eben so sehr, dass ihre innere Einheit sich in äusseren Gegensätzen bewegt. Geht die äusserliche Verselbstständigung der innerlich Unselbstständigen, weil einander ergänzenden, bis zu einem gewissen Punkt fort, so macht sich die Einheit gewaltsam geltend durch eine — Krise. Der der Waare immanente Gegensatz von Gebrauchswerth und Tauschwerth, von Privat- arbeit, die sich zugleich als unmittelbar gesellschaftliche Arbeit darstellen muss, von besondrer konkreter Arbeit, die zugleich nur als abstrakt all- gemeine Arbeit gilt, von Personificirung der Sache und Versachlichung der Personen — dieser immanente Widerspruch erhält in den Gegensätzen der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/92
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/92>, abgerufen am 19.03.2024.