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Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885.

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Pflaster, während sie andrerseits den Verkauf der nothwenigen Konsum-
tionsmittel eben dadurch auch in's Stocken bringt und verringert. Ganz
abgesehn von den, gleichzeitig abgedankten, unproduktiven Arbeitern, die
für ihre Dienste einen Theil der Ausgabe der Kapitalisten in Luxus bil-
den (diese Arbeiter selbst sind pro tanto Luxusartikel) und die sich sehr
stark betheiligen namentlich auch an der Konsumtion nothwendiger Lebens-
mittel etc. Umgekehrt in der Prosperitätsperiode, und namentlich während
der Zeit ihrer Schwindelblüte -- wo schon aus andren Gründen der rela-
tive, in Waaren ausgedrückte Werth des Geldes fällt (ohne wirkliche
sonstige Werthrevolution), also der Preis der Waaren, unabhängig von
ihrem eignen Werth, steigt. Nicht nur steigt die Konsumtion nothwen-
diger Lebensmittel; die Arbeiterklasse (in die nun ihre ganze Reservearmee
aktiv eingetreten) nimmt auch momentan Antheil an der Konsumtion ihr
sonst unzugänglicher Luxusartikel, ausserdem auch an der Klasse der
nothwendigen Konsumtionsartikel, die sonst zum größten Theil "nothwen-
dige" Konsumtionsmittel nur für die Kapitalistenklasse bildet, was seiner-
seits eine Steigerung der Preise hervorruft.

Es ist eine reine Tautologie zu sagen, dass die Krisen aus Mangel
an zahlungsfähiger Konsumtion oder an zahlungsfähigen Konsumenten her-
vorgehn. Andre Konsumarten, als zahlende, kennt das kapitalistische
System nicht, ausgenommen die sub forma pauperis oder die des "Spitz-
buben." Dass Waaren unverkäuflich sind, heisst nichts, als dass sich
keine zahlungsfähigen Käufer für sie fanden, also Konsumenten (sei es
nun, dass die Waaren in letzter Instanz zum Behuf produktiver oder in-
dividueller Konsumtion gekauft werden). Will man aber dieser Tauto-
logie einen Schein tiefrer Begründung dadurch geben, dass man sagt, die
Arbeiterklasse erhalte einen zu geringen Theil ihres eignen Produkts, und
dem Uebelstand werde mithin abgeholfen, sobald sie größern Antheil davon
empfängt, ihr Arbeitslohn folglich wächst, so ist nur zu bemerken, dass
die Krisen jedesmal gerade vorbereitet werden durch eine Periode, worin
der Arbeitslohn allgemein steigt und die Arbeiterklasse realiter größern
Antheil an dem für Konsumtion bestimmten Theil des jährlichen Produkts
erhält. Jene Periode müsste -- von dem Gesichtspunkt dieser Ritter
vom gesunden und "einfachen" (!) Menschenverstand -- umgekehrt die
Krise entfernen. Es scheint also, dass die kapitalistische Produktion vom
guten oder bösen Willen unabhängige Bedingungen einschliesst, die jene

Pflaster, während sie andrerseits den Verkauf der nothwenigen Konsum-
tionsmittel eben dadurch auch in’s Stocken bringt und verringert. Ganz
abgesehn von den, gleichzeitig abgedankten, unproduktiven Arbeitern, die
für ihre Dienste einen Theil der Ausgabe der Kapitalisten in Luxus bil-
den (diese Arbeiter selbst sind pro tanto Luxusartikel) und die sich sehr
stark betheiligen namentlich auch an der Konsumtion nothwendiger Lebens-
mittel etc. Umgekehrt in der Prosperitätsperiode, und namentlich während
der Zeit ihrer Schwindelblüte — wo schon aus andren Gründen der rela-
tive, in Waaren ausgedrückte Werth des Geldes fällt (ohne wirkliche
sonstige Werthrevolution), also der Preis der Waaren, unabhängig von
ihrem eignen Werth, steigt. Nicht nur steigt die Konsumtion nothwen-
diger Lebensmittel; die Arbeiterklasse (in die nun ihre ganze Reservearmee
aktiv eingetreten) nimmt auch momentan Antheil an der Konsumtion ihr
sonst unzugänglicher Luxusartikel, ausserdem auch an der Klasse der
nothwendigen Konsumtionsartikel, die sonst zum größten Theil „nothwen-
dige“ Konsumtionsmittel nur für die Kapitalistenklasse bildet, was seiner-
seits eine Steigerung der Preise hervorruft.

Es ist eine reine Tautologie zu sagen, dass die Krisen aus Mangel
an zahlungsfähiger Konsumtion oder an zahlungsfähigen Konsumenten her-
vorgehn. Andre Konsumarten, als zahlende, kennt das kapitalistische
System nicht, ausgenommen die sub forma pauperis oder die des „Spitz-
buben.“ Dass Waaren unverkäuflich sind, heisst nichts, als dass sich
keine zahlungsfähigen Käufer für sie fanden, also Konsumenten (sei es
nun, dass die Waaren in letzter Instanz zum Behuf produktiver oder in-
dividueller Konsumtion gekauft werden). Will man aber dieser Tauto-
logie einen Schein tiefrer Begründung dadurch geben, dass man sagt, die
Arbeiterklasse erhalte einen zu geringen Theil ihres eignen Produkts, und
dem Uebelstand werde mithin abgeholfen, sobald sie größern Antheil davon
empfängt, ihr Arbeitslohn folglich wächst, so ist nur zu bemerken, dass
die Krisen jedesmal gerade vorbereitet werden durch eine Periode, worin
der Arbeitslohn allgemein steigt und die Arbeiterklasse realiter größern
Antheil an dem für Konsumtion bestimmten Theil des jährlichen Produkts
erhält. Jene Periode müsste — von dem Gesichtspunkt dieser Ritter
vom gesunden und „einfachen“ (!) Menschenverstand — umgekehrt die
Krise entfernen. Es scheint also, dass die kapitalistische Produktion vom
guten oder bösen Willen unabhängige Bedingungen einschliesst, die jene

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[406/0440] Pflaster, während sie andrerseits den Verkauf der nothwenigen Konsum- tionsmittel eben dadurch auch in’s Stocken bringt und verringert. Ganz abgesehn von den, gleichzeitig abgedankten, unproduktiven Arbeitern, die für ihre Dienste einen Theil der Ausgabe der Kapitalisten in Luxus bil- den (diese Arbeiter selbst sind pro tanto Luxusartikel) und die sich sehr stark betheiligen namentlich auch an der Konsumtion nothwendiger Lebens- mittel etc. Umgekehrt in der Prosperitätsperiode, und namentlich während der Zeit ihrer Schwindelblüte — wo schon aus andren Gründen der rela- tive, in Waaren ausgedrückte Werth des Geldes fällt (ohne wirkliche sonstige Werthrevolution), also der Preis der Waaren, unabhängig von ihrem eignen Werth, steigt. Nicht nur steigt die Konsumtion nothwen- diger Lebensmittel; die Arbeiterklasse (in die nun ihre ganze Reservearmee aktiv eingetreten) nimmt auch momentan Antheil an der Konsumtion ihr sonst unzugänglicher Luxusartikel, ausserdem auch an der Klasse der nothwendigen Konsumtionsartikel, die sonst zum größten Theil „nothwen- dige“ Konsumtionsmittel nur für die Kapitalistenklasse bildet, was seiner- seits eine Steigerung der Preise hervorruft. Es ist eine reine Tautologie zu sagen, dass die Krisen aus Mangel an zahlungsfähiger Konsumtion oder an zahlungsfähigen Konsumenten her- vorgehn. Andre Konsumarten, als zahlende, kennt das kapitalistische System nicht, ausgenommen die sub forma pauperis oder die des „Spitz- buben.“ Dass Waaren unverkäuflich sind, heisst nichts, als dass sich keine zahlungsfähigen Käufer für sie fanden, also Konsumenten (sei es nun, dass die Waaren in letzter Instanz zum Behuf produktiver oder in- dividueller Konsumtion gekauft werden). Will man aber dieser Tauto- logie einen Schein tiefrer Begründung dadurch geben, dass man sagt, die Arbeiterklasse erhalte einen zu geringen Theil ihres eignen Produkts, und dem Uebelstand werde mithin abgeholfen, sobald sie größern Antheil davon empfängt, ihr Arbeitslohn folglich wächst, so ist nur zu bemerken, dass die Krisen jedesmal gerade vorbereitet werden durch eine Periode, worin der Arbeitslohn allgemein steigt und die Arbeiterklasse realiter größern Antheil an dem für Konsumtion bestimmten Theil des jährlichen Produkts erhält. Jene Periode müsste — von dem Gesichtspunkt dieser Ritter vom gesunden und „einfachen“ (!) Menschenverstand — umgekehrt die Krise entfernen. Es scheint also, dass die kapitalistische Produktion vom guten oder bösen Willen unabhängige Bedingungen einschliesst, die jene

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital02_1885/440>, abgerufen am 19.04.2024.