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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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Nach Schmidt ging P. Fireman an das Problem (Conrads Jahr-
bücher, dritte Folge, III, S. 793). Ich gehe nicht ein auf seine
Bemerkungen über sonstige Seiten der Marxschen Darstellung. Sie
beruhen auf dem Missverständniss, dass Marx da definiren will, wo
er entwickelt, und dass man überhaupt bei Marx nach fix und fer-
tigen, ein für allemal gültigen Definitionen suchen dürfe. Es ver
steht sich ja von selbst, dass da, wo die Dinge und ihre gegen-
seitigen Beziehungen nicht als fixe, sondern als veränderliche auf-
gefasst werden, auch ihre Gedankenabbilder, die Begriffe, ebenfalls
der Veränderung und Umbildung unterworfen sind; dass man sie
nicht in starre Definitionen einkapselt, sondern in ihrem histo-
rischen resp. logischen Bildungsprozess entwickelt. Danach wird
es wohl klar sein, warum Marx am Anfang des ersten Buchs, wo
er von der einfachen Waarenproduktion als seiner historischen Vor-
aussetzung ausgeht, um dann weiterhin von dieser Basis aus zum
Kapital zu kommen -- warum er da eben von der einfachen Waare
ausgeht und nicht von einer begrifflich und geschichtlich sekun-
dären Form, von der schon kapitalistisch modificirten Waare; was
freilich Fireman platterdings nicht einsehn kann. Diese und andre
Nebendinge, die noch zu mancherlei Einwendungen Anlass geben
könnten, lassen wir lieber links liegen and gehn sofort zum Kern
der Sache über. Während dem Verfasser die Theorie lehrt, dass
der Mehrwerth bei gegebner Mehrwerthsrate der Anzahl der an-
gewandten Arbeitskräfte proportional ist, zeigt ihm die Erfahrung,
dass bei gegebner Durchschnittsprofitrate der Profit proportional
ist der Grösse des angewandten Gesammtkapitals. Dies erklärt
Fireman dadurch, dass der Profit eine nur konventionelle (das heisst
bei ihm: einer bestimmten gesellschaftlichen Formation angehörige,
mit ihr stehende und fallende) Erscheinung ist; seine Existenz ist
einfach an das Kapital geknüpft; dies, wenn es stark genug ist,
sich einen Profit zu erzwingen, ist durch die Konkurrenz genöthigt
sich auch eine für alle Kapitale gleiche Profitrate zu erzwingen.
Ohne gleiche Profitrate ist eben keine kapitalistische Produktion
möglich; diese Produktionsform vorausgesetzt, kann für jeden Ein-
zelkapitalisten die Masse des Profits nur abhängen, bei gegebner
Profitrate, von der Grösse seines Kapitals. Andrerseits besteht der
Profit aus Mehrwerth, unbezahlter Arbeit. Und wie geschieht hier

Nach Schmidt ging P. Fireman an das Problem (Conrads Jahr-
bücher, dritte Folge, III, S. 793). Ich gehe nicht ein auf seine
Bemerkungen über sonstige Seiten der Marxschen Darstellung. Sie
beruhen auf dem Missverständniss, dass Marx da definiren will, wo
er entwickelt, und dass man überhaupt bei Marx nach fix und fer-
tigen, ein für allemal gültigen Definitionen suchen dürfe. Es ver
steht sich ja von selbst, dass da, wo die Dinge und ihre gegen-
seitigen Beziehungen nicht als fixe, sondern als veränderliche auf-
gefasst werden, auch ihre Gedankenabbilder, die Begriffe, ebenfalls
der Veränderung und Umbildung unterworfen sind; dass man sie
nicht in starre Definitionen einkapselt, sondern in ihrem histo-
rischen resp. logischen Bildungsprozess entwickelt. Danach wird
es wohl klar sein, warum Marx am Anfang des ersten Buchs, wo
er von der einfachen Waarenproduktion als seiner historischen Vor-
aussetzung ausgeht, um dann weiterhin von dieser Basis aus zum
Kapital zu kommen — warum er da eben von der einfachen Waare
ausgeht und nicht von einer begrifflich und geschichtlich sekun-
dären Form, von der schon kapitalistisch modificirten Waare; was
freilich Fireman platterdings nicht einsehn kann. Diese und andre
Nebendinge, die noch zu mancherlei Einwendungen Anlass geben
könnten, lassen wir lieber links liegen and gehn sofort zum Kern
der Sache über. Während dem Verfasser die Theorie lehrt, dass
der Mehrwerth bei gegebner Mehrwerthsrate der Anzahl der an-
gewandten Arbeitskräfte proportional ist, zeigt ihm die Erfahrung,
dass bei gegebner Durchschnittsprofitrate der Profit proportional
ist der Grösse des angewandten Gesammtkapitals. Dies erklärt
Fireman dadurch, dass der Profit eine nur konventionelle (das heisst
bei ihm: einer bestimmten gesellschaftlichen Formation angehörige,
mit ihr stehende und fallende) Erscheinung ist; seine Existenz ist
einfach an das Kapital geknüpft; dies, wenn es stark genug ist,
sich einen Profit zu erzwingen, ist durch die Konkurrenz genöthigt
sich auch eine für alle Kapitale gleiche Profitrate zu erzwingen.
Ohne gleiche Profitrate ist eben keine kapitalistische Produktion
möglich; diese Produktionsform vorausgesetzt, kann für jeden Ein-
zelkapitalisten die Masse des Profits nur abhängen, bei gegebner
Profitrate, von der Grösse seines Kapitals. Andrerseits besteht der
Profit aus Mehrwerth, unbezahlter Arbeit. Und wie geschieht hier

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[XVI/0022] Nach Schmidt ging P. Fireman an das Problem (Conrads Jahr- bücher, dritte Folge, III, S. 793). Ich gehe nicht ein auf seine Bemerkungen über sonstige Seiten der Marxschen Darstellung. Sie beruhen auf dem Missverständniss, dass Marx da definiren will, wo er entwickelt, und dass man überhaupt bei Marx nach fix und fer- tigen, ein für allemal gültigen Definitionen suchen dürfe. Es ver steht sich ja von selbst, dass da, wo die Dinge und ihre gegen- seitigen Beziehungen nicht als fixe, sondern als veränderliche auf- gefasst werden, auch ihre Gedankenabbilder, die Begriffe, ebenfalls der Veränderung und Umbildung unterworfen sind; dass man sie nicht in starre Definitionen einkapselt, sondern in ihrem histo- rischen resp. logischen Bildungsprozess entwickelt. Danach wird es wohl klar sein, warum Marx am Anfang des ersten Buchs, wo er von der einfachen Waarenproduktion als seiner historischen Vor- aussetzung ausgeht, um dann weiterhin von dieser Basis aus zum Kapital zu kommen — warum er da eben von der einfachen Waare ausgeht und nicht von einer begrifflich und geschichtlich sekun- dären Form, von der schon kapitalistisch modificirten Waare; was freilich Fireman platterdings nicht einsehn kann. Diese und andre Nebendinge, die noch zu mancherlei Einwendungen Anlass geben könnten, lassen wir lieber links liegen and gehn sofort zum Kern der Sache über. Während dem Verfasser die Theorie lehrt, dass der Mehrwerth bei gegebner Mehrwerthsrate der Anzahl der an- gewandten Arbeitskräfte proportional ist, zeigt ihm die Erfahrung, dass bei gegebner Durchschnittsprofitrate der Profit proportional ist der Grösse des angewandten Gesammtkapitals. Dies erklärt Fireman dadurch, dass der Profit eine nur konventionelle (das heisst bei ihm: einer bestimmten gesellschaftlichen Formation angehörige, mit ihr stehende und fallende) Erscheinung ist; seine Existenz ist einfach an das Kapital geknüpft; dies, wenn es stark genug ist, sich einen Profit zu erzwingen, ist durch die Konkurrenz genöthigt sich auch eine für alle Kapitale gleiche Profitrate zu erzwingen. Ohne gleiche Profitrate ist eben keine kapitalistische Produktion möglich; diese Produktionsform vorausgesetzt, kann für jeden Ein- zelkapitalisten die Masse des Profits nur abhängen, bei gegebner Profitrate, von der Grösse seines Kapitals. Andrerseits besteht der Profit aus Mehrwerth, unbezahlter Arbeit. Und wie geschieht hier

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. XVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/22>, abgerufen am 16.04.2024.