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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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nicht anders von Getreidebau unterscheiden, wie dieser von Vieh-
zucht und Manufaktur, so ist sonnenklar, dass Produktion und kapi-
talistische Produktion überhaupt identisch sind, und dass nament-
lich auch die Vertheilung der gesellschaftlichen Produkte unter die
Mitglieder der Gesellschaft, sei es zur produktiven oder zur indi-
viduellen Konsumtion, ebenso ewig durch Kaufleute und Bankiers
vermittelt werden muss, wie der Genuss von Fleisch durch Vieh-
zucht und der von Kleidungsstücken durch deren Fabrikation.45)

Die grossen Oekonomen wie Smith, Ricardo etc., da sie die
Grundform des Kapitals betrachten, das Kapital als industrielles
Kapital, und das Cirkulationskapital (Geld- und Waarenkapital) that-
sächlich nur, soweit es selbst eine Phase im Reproduktionsprocess
jedes Kapitals, sind in Verlegenheit mit dem merkantilen Kapital
als einer eignen Sorte. Die aus der Betrachtung des industriellen
Kapitals unmittelbar abgeleiteten Sätze über Werthbildung, Profit etc.,
passen nicht direkt auf das Kaufmannskapital. Sie lassen dies
daher in der That ganz bei Seite liegen und erwähnen es nur als
eine Art des industriellen Kapitals. Wo sie im besondren davon
handeln, wie Ricardo beim auswärtigen Handel, suchen sie nach-
zuweisen, dass es keinen Werth schafft (folglich auch keinen Mehr-
werth). Aber was vom auswärtigen Handel, gilt vom inländischen.



Wir haben bisher das Kaufmannskapital vom Standpunkt und
innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise be-
trachtet. Nicht nur der Handel, sondern auch das Handelskapital
ist aber älter als die kapitalistische Produktionsweise, ist in der
That die historisch älteste, freie Existenzweise des Kapitals.


45) Der weise Roscher hat ausgeklügelt, dass wenn Gewisse den Handel als
"Vermittlung" zwischen Producenten und Konsumenten charakterisiren, "man"
ebensogut die Produktion selbst als "Vermittlung" der Konsumtion (zwischen
wem?) charakterisiren könne, woraus natürlich folgt, dass das Handelskapital
ein Theil des produktiven Kapitals ist, wie Ackerbau- und Industriekapital.
Weil man also sagen kann, dass der Mensch nur durch die Produktion seine
Konsumtion vermitteln kann (dies muss er thun selbst ohne Leipziger Bildung)
oder dass die Arbeit nöthig ist zur Aneignung der Natur (was man "Ver-
mittlung" nennen kann), so folgt daraus natürlich, dass eine aus einer speci-
fischen gesellschaftlichen Form der Produktion hervorgehende gesellschaft-
liche "Vermittlung" -- weil Vermittlung -- denselben absoluten Charakter
der Nothwendigkeit hat, denselben Rang. Das Wort Vermittlung entscheidet
alles. Uebrigens sind die Kaufleute ja nicht Vermittler zwischen Producenten
und Konsumenten (die letztren in der Scheidung von den erstren, die Kon-
sumenten, die nicht produciren, zunächst ausser Acht gelassen) sondern des
Austausches der Produkte dieser Producenten unter einander, sind nur die
Zwischenpersonen eines Austausches, der immer in tausend Fällen ohne sie
vorgeht.

nicht anders von Getreidebau unterscheiden, wie dieser von Vieh-
zucht und Manufaktur, so ist sonnenklar, dass Produktion und kapi-
talistische Produktion überhaupt identisch sind, und dass nament-
lich auch die Vertheilung der gesellschaftlichen Produkte unter die
Mitglieder der Gesellschaft, sei es zur produktiven oder zur indi-
viduellen Konsumtion, ebenso ewig durch Kaufleute und Bankiers
vermittelt werden muss, wie der Genuss von Fleisch durch Vieh-
zucht und der von Kleidungsstücken durch deren Fabrikation.45)

Die grossen Oekonomen wie Smith, Ricardo etc., da sie die
Grundform des Kapitals betrachten, das Kapital als industrielles
Kapital, und das Cirkulationskapital (Geld- und Waarenkapital) that-
sächlich nur, soweit es selbst eine Phase im Reproduktionsprocess
jedes Kapitals, sind in Verlegenheit mit dem merkantilen Kapital
als einer eignen Sorte. Die aus der Betrachtung des industriellen
Kapitals unmittelbar abgeleiteten Sätze über Werthbildung, Profit etc.,
passen nicht direkt auf das Kaufmannskapital. Sie lassen dies
daher in der That ganz bei Seite liegen und erwähnen es nur als
eine Art des industriellen Kapitals. Wo sie im besondren davon
handeln, wie Ricardo beim auswärtigen Handel, suchen sie nach-
zuweisen, dass es keinen Werth schafft (folglich auch keinen Mehr-
werth). Aber was vom auswärtigen Handel, gilt vom inländischen.



Wir haben bisher das Kaufmannskapital vom Standpunkt und
innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise be-
trachtet. Nicht nur der Handel, sondern auch das Handelskapital
ist aber älter als die kapitalistische Produktionsweise, ist in der
That die historisch älteste, freie Existenzweise des Kapitals.


45) Der weise Roscher hat ausgeklügelt, dass wenn Gewisse den Handel als
„Vermittlung“ zwischen Producenten und Konsumenten charakterisiren, „man“
ebensogut die Produktion selbst als „Vermittlung“ der Konsumtion (zwischen
wem?) charakterisiren könne, woraus natürlich folgt, dass das Handelskapital
ein Theil des produktiven Kapitals ist, wie Ackerbau- und Industriekapital.
Weil man also sagen kann, dass der Mensch nur durch die Produktion seine
Konsumtion vermitteln kann (dies muss er thun selbst ohne Leipziger Bildung)
oder dass die Arbeit nöthig ist zur Aneignung der Natur (was man „Ver-
mittlung“ nennen kann), so folgt daraus natürlich, dass eine aus einer speci-
fischen gesellschaftlichen Form der Produktion hervorgehende gesellschaft-
liche „Vermittlung“ — weil Vermittlung — denselben absoluten Charakter
der Nothwendigkeit hat, denselben Rang. Das Wort Vermittlung entscheidet
alles. Uebrigens sind die Kaufleute ja nicht Vermittler zwischen Producenten
und Konsumenten (die letztren in der Scheidung von den erstren, die Kon-
sumenten, die nicht produciren, zunächst ausser Acht gelassen) sondern des
Austausches der Produkte dieser Producenten unter einander, sind nur die
Zwischenpersonen eines Austausches, der immer in tausend Fällen ohne sie
vorgeht.
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[308/0342] nicht anders von Getreidebau unterscheiden, wie dieser von Vieh- zucht und Manufaktur, so ist sonnenklar, dass Produktion und kapi- talistische Produktion überhaupt identisch sind, und dass nament- lich auch die Vertheilung der gesellschaftlichen Produkte unter die Mitglieder der Gesellschaft, sei es zur produktiven oder zur indi- viduellen Konsumtion, ebenso ewig durch Kaufleute und Bankiers vermittelt werden muss, wie der Genuss von Fleisch durch Vieh- zucht und der von Kleidungsstücken durch deren Fabrikation. 45) Die grossen Oekonomen wie Smith, Ricardo etc., da sie die Grundform des Kapitals betrachten, das Kapital als industrielles Kapital, und das Cirkulationskapital (Geld- und Waarenkapital) that- sächlich nur, soweit es selbst eine Phase im Reproduktionsprocess jedes Kapitals, sind in Verlegenheit mit dem merkantilen Kapital als einer eignen Sorte. Die aus der Betrachtung des industriellen Kapitals unmittelbar abgeleiteten Sätze über Werthbildung, Profit etc., passen nicht direkt auf das Kaufmannskapital. Sie lassen dies daher in der That ganz bei Seite liegen und erwähnen es nur als eine Art des industriellen Kapitals. Wo sie im besondren davon handeln, wie Ricardo beim auswärtigen Handel, suchen sie nach- zuweisen, dass es keinen Werth schafft (folglich auch keinen Mehr- werth). Aber was vom auswärtigen Handel, gilt vom inländischen. Wir haben bisher das Kaufmannskapital vom Standpunkt und innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise be- trachtet. Nicht nur der Handel, sondern auch das Handelskapital ist aber älter als die kapitalistische Produktionsweise, ist in der That die historisch älteste, freie Existenzweise des Kapitals. 45) Der weise Roscher hat ausgeklügelt, dass wenn Gewisse den Handel als „Vermittlung“ zwischen Producenten und Konsumenten charakterisiren, „man“ ebensogut die Produktion selbst als „Vermittlung“ der Konsumtion (zwischen wem?) charakterisiren könne, woraus natürlich folgt, dass das Handelskapital ein Theil des produktiven Kapitals ist, wie Ackerbau- und Industriekapital. Weil man also sagen kann, dass der Mensch nur durch die Produktion seine Konsumtion vermitteln kann (dies muss er thun selbst ohne Leipziger Bildung) oder dass die Arbeit nöthig ist zur Aneignung der Natur (was man „Ver- mittlung“ nennen kann), so folgt daraus natürlich, dass eine aus einer speci- fischen gesellschaftlichen Form der Produktion hervorgehende gesellschaft- liche „Vermittlung“ — weil Vermittlung — denselben absoluten Charakter der Nothwendigkeit hat, denselben Rang. Das Wort Vermittlung entscheidet alles. Uebrigens sind die Kaufleute ja nicht Vermittler zwischen Producenten und Konsumenten (die letztren in der Scheidung von den erstren, die Kon- sumenten, die nicht produciren, zunächst ausser Acht gelassen) sondern des Austausches der Produkte dieser Producenten unter einander, sind nur die Zwischenpersonen eines Austausches, der immer in tausend Fällen ohne sie vorgeht.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/342>, abgerufen am 19.04.2024.