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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
Grundlage bilden, so lange kein Gegenbeweis angetreten und geführt
wird35.

Dadurch verschärft sich noch das Bild der eigenartigen Beschränkt-
heit, in welcher diese oberste Nachprüfung vor sich geht. Aber für
den Begriff der beschränkten Verwaltungsrechtspflege sind diese Be-
weisregeln doch nur nebensächlicher Natur.

§ 15.
Fortsetzung; Umfang der Rechtskraft.

Die Rechtskraft ist die der Rechtspflege eigentümliche Wirkung.
Sie besteht in einer Gebundenheit des darin erzeugten Aktes durch
ein Recht der Partei, über welche er ergeht. Der Umfang der Rechts-
kraft bedeutet nichts anderes als die Frage, wie weit dieses Recht
wirksam wird1.

I. Die Rechtskraft wirkt für diejenigen Personen, welche an
dem Verfahren als Parteien beteiligt waren.

1. Die Rechtskraft wirkt auf den Staat; denn in seiner Ge-
bundenheit, in der Gebundenheit der vollziehenden Gewalt besteht
sie2. Sie wirkt auf die Behörden, insofern sie als Glieder der
vollziehenden Gewalt davon mit betroffen und ihre Beamten durch
ihre Dienstpflicht zur Beachtung dieser Gebundenheit verhalten sind3.

35 Diesen Grundsatz bekundet O.V.G. 1878 (Samml. IV S. 270, 274); ebenso
O.V.G. 29. Okt. 1883 (Samml. X S. 261, 268).
1 Es ist üblich, sich darein zu ergeben, dass es mit der Rechtskraft in der
Verwaltung eine unsichere Sache ist: Gneist in Holtzendorff Rechtslex. III
S. 1122; Roesler in Grünh. Ztschft. IV S. 282; Parey, V.R. I S. 231. Ber-
natzik,
Rechtsprechung u. materielle Rechtskraft, macht wenigstens einen ernst-
haften Versuch, der Frage gerecht zu werden.
2 Über die vermeintliche Parteistellung des Staates vgl. oben § 14 Note 12.
Es findet allerdings unter Umständen auch eine Rückbezüglichkeit des Prozessrechts
auf den Staat statt (ebenda Note 17 und oben § 11 bei Note 11, unten § 16 I);
das ist aber wieder etwas anderes. Wenn es eintritt, ist der Staat Partei wie eine
andere.
3 Vgl. oben § 7, II n. 2. Schanze in Ztschft. f. Stf.R.W. IV S. 476 sucht
die Parteieigenschaft der die Parteirolle führenden Behörde (vgl. oben § 14 Note 10)
folgerichtig so weit durchzuführen, dass er auch die Rechtskraft unmittelbar auf
sie wirken lässt. Da es dabei aber doch unmöglich auf die Person des zufällig
amtierenden Staatsanwalts ankommen kann, so setzt er dafür die "Staatsanwalt-
schaft", ein Begriff, der alle gegenwärtigen und zukünftigen Staatsanwälte des Landes
umfasst. Vielleicht steckt da unbewusst die Idee der vollziehenden Gewalt dahinter.

Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen.
Grundlage bilden, so lange kein Gegenbeweis angetreten und geführt
wird35.

Dadurch verschärft sich noch das Bild der eigenartigen Beschränkt-
heit, in welcher diese oberste Nachprüfung vor sich geht. Aber für
den Begriff der beschränkten Verwaltungsrechtspflege sind diese Be-
weisregeln doch nur nebensächlicher Natur.

§ 15.
Fortsetzung; Umfang der Rechtskraft.

Die Rechtskraft ist die der Rechtspflege eigentümliche Wirkung.
Sie besteht in einer Gebundenheit des darin erzeugten Aktes durch
ein Recht der Partei, über welche er ergeht. Der Umfang der Rechts-
kraft bedeutet nichts anderes als die Frage, wie weit dieses Recht
wirksam wird1.

I. Die Rechtskraft wirkt für diejenigen Personen, welche an
dem Verfahren als Parteien beteiligt waren.

1. Die Rechtskraft wirkt auf den Staat; denn in seiner Ge-
bundenheit, in der Gebundenheit der vollziehenden Gewalt besteht
sie2. Sie wirkt auf die Behörden, insofern sie als Glieder der
vollziehenden Gewalt davon mit betroffen und ihre Beamten durch
ihre Dienstpflicht zur Beachtung dieser Gebundenheit verhalten sind3.

35 Diesen Grundsatz bekundet O.V.G. 1878 (Samml. IV S. 270, 274); ebenso
O.V.G. 29. Okt. 1883 (Samml. X S. 261, 268).
1 Es ist üblich, sich darein zu ergeben, daſs es mit der Rechtskraft in der
Verwaltung eine unsichere Sache ist: Gneist in Holtzendorff Rechtslex. III
S. 1122; Roesler in Grünh. Ztschft. IV S. 282; Parey, V.R. I S. 231. Ber-
natzik,
Rechtsprechung u. materielle Rechtskraft, macht wenigstens einen ernst-
haften Versuch, der Frage gerecht zu werden.
2 Über die vermeintliche Parteistellung des Staates vgl. oben § 14 Note 12.
Es findet allerdings unter Umständen auch eine Rückbezüglichkeit des Prozeſsrechts
auf den Staat statt (ebenda Note 17 und oben § 11 bei Note 11, unten § 16 I);
das ist aber wieder etwas anderes. Wenn es eintritt, ist der Staat Partei wie eine
andere.
3 Vgl. oben § 7, II n. 2. Schanze in Ztschft. f. Stf.R.W. IV S. 476 sucht
die Parteieigenschaft der die Parteirolle führenden Behörde (vgl. oben § 14 Note 10)
folgerichtig so weit durchzuführen, daſs er auch die Rechtskraft unmittelbar auf
sie wirken läſst. Da es dabei aber doch unmöglich auf die Person des zufällig
amtierenden Staatsanwalts ankommen kann, so setzt er dafür die „Staatsanwalt-
schaft“, ein Begriff, der alle gegenwärtigen und zukünftigen Staatsanwälte des Landes
umfaſst. Vielleicht steckt da unbewuſst die Idee der vollziehenden Gewalt dahinter.
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[196/0216] Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen. Grundlage bilden, so lange kein Gegenbeweis angetreten und geführt wird 35. Dadurch verschärft sich noch das Bild der eigenartigen Beschränkt- heit, in welcher diese oberste Nachprüfung vor sich geht. Aber für den Begriff der beschränkten Verwaltungsrechtspflege sind diese Be- weisregeln doch nur nebensächlicher Natur. § 15. Fortsetzung; Umfang der Rechtskraft. Die Rechtskraft ist die der Rechtspflege eigentümliche Wirkung. Sie besteht in einer Gebundenheit des darin erzeugten Aktes durch ein Recht der Partei, über welche er ergeht. Der Umfang der Rechts- kraft bedeutet nichts anderes als die Frage, wie weit dieses Recht wirksam wird 1. I. Die Rechtskraft wirkt für diejenigen Personen, welche an dem Verfahren als Parteien beteiligt waren. 1. Die Rechtskraft wirkt auf den Staat; denn in seiner Ge- bundenheit, in der Gebundenheit der vollziehenden Gewalt besteht sie 2. Sie wirkt auf die Behörden, insofern sie als Glieder der vollziehenden Gewalt davon mit betroffen und ihre Beamten durch ihre Dienstpflicht zur Beachtung dieser Gebundenheit verhalten sind 3. 35 Diesen Grundsatz bekundet O.V.G. 1878 (Samml. IV S. 270, 274); ebenso O.V.G. 29. Okt. 1883 (Samml. X S. 261, 268). 1 Es ist üblich, sich darein zu ergeben, daſs es mit der Rechtskraft in der Verwaltung eine unsichere Sache ist: Gneist in Holtzendorff Rechtslex. III S. 1122; Roesler in Grünh. Ztschft. IV S. 282; Parey, V.R. I S. 231. Ber- natzik, Rechtsprechung u. materielle Rechtskraft, macht wenigstens einen ernst- haften Versuch, der Frage gerecht zu werden. 2 Über die vermeintliche Parteistellung des Staates vgl. oben § 14 Note 12. Es findet allerdings unter Umständen auch eine Rückbezüglichkeit des Prozeſsrechts auf den Staat statt (ebenda Note 17 und oben § 11 bei Note 11, unten § 16 I); das ist aber wieder etwas anderes. Wenn es eintritt, ist der Staat Partei wie eine andere. 3 Vgl. oben § 7, II n. 2. Schanze in Ztschft. f. Stf.R.W. IV S. 476 sucht die Parteieigenschaft der die Parteirolle führenden Behörde (vgl. oben § 14 Note 10) folgerichtig so weit durchzuführen, daſs er auch die Rechtskraft unmittelbar auf sie wirken läſst. Da es dabei aber doch unmöglich auf die Person des zufällig amtierenden Staatsanwalts ankommen kann, so setzt er dafür die „Staatsanwalt- schaft“, ein Begriff, der alle gegenwärtigen und zukünftigen Staatsanwälte des Landes umfaſst. Vielleicht steckt da unbewuſst die Idee der vollziehenden Gewalt dahinter.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/216>, abgerufen am 29.03.2024.