Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte.
und der Ungültigkeit des in Widerspruch damit etwa noch Ge-
schehenden. Die Sache ist damit nicht von selbst erledigt; es können
noch Nebenentscheidungen erforderlich sein, namentlich im Kosten-
punkt. Wenn der Kläger in Widerspruch mit der Kompetenzkonflikts-
entscheidung auf der Klage besteht, muss er abgewiesen werden wegen
Unzuständigkeit. Thatsächlich wird er dieses aussichtslose Verfahren
ja nicht einschlagen, sondern die Klage zurücknehmen und nicht er-
neuern. Würde er die zurückgenommene Klage doch erneuern, so
stände ihm die Einrede der rechtskräftig festgestellten Unzuständig-
keit nicht entgegen; aber das Gericht, wenn auch für diesen neuen
Prozess nicht formell gebunden, würde wohl oder übel der Ansicht
des Kompetenzkonfliktshofes in Bezug auf seine Zuständigkeit sich
fügen27.

Ist umgekehrt der Rechtsweg für zulässig erklärt oder, wie die
Formel lautet, der von der Verwaltungsbehörde erhobene Kompetenz-
konflikt für unbegründet erklärt worden, so hat das nur die Bedeutung
der Verweigerung eines solchen Einschreitens durch Verbot und
Nichtigerklärung. Die Unterbrechung des Verfahrens hört auf. Das
Gericht ist wieder in die Lage gesetzt, über die Zulässigkeit des
Rechtsweges zu entscheiden der Art, dass auch die Verwaltungs-
behörden dadurch gebunden sind. Das etwa schon ergangene Urteil
aber behält einfach diese Kraft. Dabei wird sich wieder das Ansehen
der Meinungsäusserung des Kompetenzkonfliktshofes thatsächlich ge-
nügend erweisen, um die Partei auf die etwa erhobene Unzuständig-
keitseinrede verzichten zu machen oder das Gericht zur Abweisung
derselben zu bestimmen28.

27 Wach, C.Pr.R. S. 105. Es ist deshalb unrichtig, den Ausspruch der Un-
zulässigkeit des Rechtswegs gleichzustellen einer Abweisung der Klage wegen Un-
zuständigkeit: Nadbyl in Wörterbuch I S. 816.
28 R.G. 23. März 1884 (Samml. XI S. 392 ff.): Gegenüber einer Negatorien-
klage behauptet die verklagte Gemeinde, es handle sich um einen öffentlichen Weg
und erhebt die Unzuständigkeitseinrede; Kompetenzkonflikt; Rechtsweg für zulässig
erklärt. Verfahren wird wieder aufgenommen und Beklagte verlangt, dass zunächst
über ihre Unzuständigkeitseinrede entschieden werde. Das R.G. giebt ihr recht:
jener Ausspruch hat nicht die Bedeutung eines in dem Prozesse selbst unter den
Parteien gefällten Urteils, daher die erhobene Unzuständigkeitseinrede dadurch
noch nicht erledigt ist. Das Gericht hat darüber mit selbständiger Prüfung zu er-
kennen, ohne an die Ansicht des C.C.H. formell gebunden zu sein. -- Noch deut-
licher tritt diese Natur einer rechtskraftunfähigen Anordnung für die Behörden hervor
in der Entscheidung über den sog. negativen Kompetenzkonflikt, der uns jedoch
hier nicht weiter angeht.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 15

§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte.
und der Ungültigkeit des in Widerspruch damit etwa noch Ge-
schehenden. Die Sache ist damit nicht von selbst erledigt; es können
noch Nebenentscheidungen erforderlich sein, namentlich im Kosten-
punkt. Wenn der Kläger in Widerspruch mit der Kompetenzkonflikts-
entscheidung auf der Klage besteht, muſs er abgewiesen werden wegen
Unzuständigkeit. Thatsächlich wird er dieses aussichtslose Verfahren
ja nicht einschlagen, sondern die Klage zurücknehmen und nicht er-
neuern. Würde er die zurückgenommene Klage doch erneuern, so
stände ihm die Einrede der rechtskräftig festgestellten Unzuständig-
keit nicht entgegen; aber das Gericht, wenn auch für diesen neuen
Prozeſs nicht formell gebunden, würde wohl oder übel der Ansicht
des Kompetenzkonfliktshofes in Bezug auf seine Zuständigkeit sich
fügen27.

Ist umgekehrt der Rechtsweg für zulässig erklärt oder, wie die
Formel lautet, der von der Verwaltungsbehörde erhobene Kompetenz-
konflikt für unbegründet erklärt worden, so hat das nur die Bedeutung
der Verweigerung eines solchen Einschreitens durch Verbot und
Nichtigerklärung. Die Unterbrechung des Verfahrens hört auf. Das
Gericht ist wieder in die Lage gesetzt, über die Zulässigkeit des
Rechtsweges zu entscheiden der Art, daſs auch die Verwaltungs-
behörden dadurch gebunden sind. Das etwa schon ergangene Urteil
aber behält einfach diese Kraft. Dabei wird sich wieder das Ansehen
der Meinungsäuſserung des Kompetenzkonfliktshofes thatsächlich ge-
nügend erweisen, um die Partei auf die etwa erhobene Unzuständig-
keitseinrede verzichten zu machen oder das Gericht zur Abweisung
derselben zu bestimmen28.

27 Wach, C.Pr.R. S. 105. Es ist deshalb unrichtig, den Ausspruch der Un-
zulässigkeit des Rechtswegs gleichzustellen einer Abweisung der Klage wegen Un-
zuständigkeit: Nadbyl in Wörterbuch I S. 816.
28 R.G. 23. März 1884 (Samml. XI S. 392 ff.): Gegenüber einer Negatorien-
klage behauptet die verklagte Gemeinde, es handle sich um einen öffentlichen Weg
und erhebt die Unzuständigkeitseinrede; Kompetenzkonflikt; Rechtsweg für zulässig
erklärt. Verfahren wird wieder aufgenommen und Beklagte verlangt, daſs zunächst
über ihre Unzuständigkeitseinrede entschieden werde. Das R.G. giebt ihr recht:
jener Ausspruch hat nicht die Bedeutung eines in dem Prozesse selbst unter den
Parteien gefällten Urteils, daher die erhobene Unzuständigkeitseinrede dadurch
noch nicht erledigt ist. Das Gericht hat darüber mit selbständiger Prüfung zu er-
kennen, ohne an die Ansicht des C.C.H. formell gebunden zu sein. — Noch deut-
licher tritt diese Natur einer rechtskraftunfähigen Anordnung für die Behörden hervor
in der Entscheidung über den sog. negativen Kompetenzkonflikt, der uns jedoch
hier nicht weiter angeht.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0245" n="225"/><fw place="top" type="header">§ 16. Zuständigkeit der Civilgerichte.</fw><lb/>
und der Ungültigkeit des in Widerspruch damit etwa noch Ge-<lb/>
schehenden. Die Sache ist damit nicht von selbst erledigt; es können<lb/>
noch Nebenentscheidungen erforderlich sein, namentlich im Kosten-<lb/>
punkt. Wenn der Kläger in Widerspruch mit der Kompetenzkonflikts-<lb/>
entscheidung auf der Klage besteht, mu&#x017F;s er abgewiesen werden wegen<lb/>
Unzuständigkeit. Thatsächlich wird er dieses aussichtslose Verfahren<lb/>
ja nicht einschlagen, sondern die Klage zurücknehmen und nicht er-<lb/>
neuern. Würde er die zurückgenommene Klage doch erneuern, so<lb/>
stände ihm die Einrede der rechtskräftig festgestellten Unzuständig-<lb/>
keit nicht entgegen; aber das Gericht, wenn auch für diesen neuen<lb/>
Proze&#x017F;s nicht formell gebunden, würde wohl oder übel der Ansicht<lb/>
des Kompetenzkonfliktshofes in Bezug auf seine Zuständigkeit sich<lb/>
fügen<note place="foot" n="27"><hi rendition="#g">Wach,</hi> C.Pr.R. S. 105. Es ist deshalb unrichtig, den Ausspruch der Un-<lb/>
zulässigkeit des Rechtswegs gleichzustellen einer Abweisung der Klage wegen Un-<lb/>
zuständigkeit: <hi rendition="#g">Nadbyl</hi> in Wörterbuch I S. 816.</note>.</p><lb/>
            <p>Ist umgekehrt der Rechtsweg für zulässig erklärt oder, wie die<lb/>
Formel lautet, der von der Verwaltungsbehörde erhobene Kompetenz-<lb/>
konflikt für unbegründet erklärt worden, so hat das nur die Bedeutung<lb/>
der Verweigerung eines solchen Einschreitens durch Verbot und<lb/>
Nichtigerklärung. Die Unterbrechung des Verfahrens hört auf. Das<lb/>
Gericht ist wieder in die Lage gesetzt, über die Zulässigkeit des<lb/>
Rechtsweges zu entscheiden der Art, da&#x017F;s auch die Verwaltungs-<lb/>
behörden dadurch gebunden sind. Das etwa schon ergangene Urteil<lb/>
aber behält einfach diese Kraft. Dabei wird sich wieder das Ansehen<lb/>
der Meinungsäu&#x017F;serung des Kompetenzkonfliktshofes thatsächlich ge-<lb/>
nügend erweisen, um die Partei auf die etwa erhobene Unzuständig-<lb/>
keitseinrede verzichten zu machen oder das Gericht zur Abweisung<lb/>
derselben zu bestimmen<note place="foot" n="28">R.G. 23. März 1884 (Samml. XI S. 392 ff.): Gegenüber einer Negatorien-<lb/>
klage behauptet die verklagte Gemeinde, es handle sich um einen öffentlichen Weg<lb/>
und erhebt die Unzuständigkeitseinrede; Kompetenzkonflikt; Rechtsweg für zulässig<lb/>
erklärt. Verfahren wird wieder aufgenommen und Beklagte verlangt, da&#x017F;s zunächst<lb/>
über ihre Unzuständigkeitseinrede entschieden werde. Das R.G. giebt ihr recht:<lb/>
jener Ausspruch hat nicht die Bedeutung eines in dem Prozesse selbst unter den<lb/>
Parteien gefällten Urteils, daher die erhobene Unzuständigkeitseinrede dadurch<lb/>
noch nicht erledigt ist. Das Gericht hat darüber mit selbständiger Prüfung zu er-<lb/>
kennen, ohne an die Ansicht des C.C.H. formell gebunden zu sein. &#x2014; Noch deut-<lb/>
licher tritt diese Natur einer rechtskraftunfähigen Anordnung für die Behörden hervor<lb/>
in der Entscheidung über den sog. negativen Kompetenzkonflikt, der uns jedoch<lb/>
hier nicht weiter angeht.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Binding,</hi> Handbuch. VI. 1: <hi rendition="#g">Otto Mayer,</hi> Verwaltungsr. I. 15</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0245] § 16. Zuständigkeit der Civilgerichte. und der Ungültigkeit des in Widerspruch damit etwa noch Ge- schehenden. Die Sache ist damit nicht von selbst erledigt; es können noch Nebenentscheidungen erforderlich sein, namentlich im Kosten- punkt. Wenn der Kläger in Widerspruch mit der Kompetenzkonflikts- entscheidung auf der Klage besteht, muſs er abgewiesen werden wegen Unzuständigkeit. Thatsächlich wird er dieses aussichtslose Verfahren ja nicht einschlagen, sondern die Klage zurücknehmen und nicht er- neuern. Würde er die zurückgenommene Klage doch erneuern, so stände ihm die Einrede der rechtskräftig festgestellten Unzuständig- keit nicht entgegen; aber das Gericht, wenn auch für diesen neuen Prozeſs nicht formell gebunden, würde wohl oder übel der Ansicht des Kompetenzkonfliktshofes in Bezug auf seine Zuständigkeit sich fügen 27. Ist umgekehrt der Rechtsweg für zulässig erklärt oder, wie die Formel lautet, der von der Verwaltungsbehörde erhobene Kompetenz- konflikt für unbegründet erklärt worden, so hat das nur die Bedeutung der Verweigerung eines solchen Einschreitens durch Verbot und Nichtigerklärung. Die Unterbrechung des Verfahrens hört auf. Das Gericht ist wieder in die Lage gesetzt, über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu entscheiden der Art, daſs auch die Verwaltungs- behörden dadurch gebunden sind. Das etwa schon ergangene Urteil aber behält einfach diese Kraft. Dabei wird sich wieder das Ansehen der Meinungsäuſserung des Kompetenzkonfliktshofes thatsächlich ge- nügend erweisen, um die Partei auf die etwa erhobene Unzuständig- keitseinrede verzichten zu machen oder das Gericht zur Abweisung derselben zu bestimmen 28. 27 Wach, C.Pr.R. S. 105. Es ist deshalb unrichtig, den Ausspruch der Un- zulässigkeit des Rechtswegs gleichzustellen einer Abweisung der Klage wegen Un- zuständigkeit: Nadbyl in Wörterbuch I S. 816. 28 R.G. 23. März 1884 (Samml. XI S. 392 ff.): Gegenüber einer Negatorien- klage behauptet die verklagte Gemeinde, es handle sich um einen öffentlichen Weg und erhebt die Unzuständigkeitseinrede; Kompetenzkonflikt; Rechtsweg für zulässig erklärt. Verfahren wird wieder aufgenommen und Beklagte verlangt, daſs zunächst über ihre Unzuständigkeitseinrede entschieden werde. Das R.G. giebt ihr recht: jener Ausspruch hat nicht die Bedeutung eines in dem Prozesse selbst unter den Parteien gefällten Urteils, daher die erhobene Unzuständigkeitseinrede dadurch noch nicht erledigt ist. Das Gericht hat darüber mit selbständiger Prüfung zu er- kennen, ohne an die Ansicht des C.C.H. formell gebunden zu sein. — Noch deut- licher tritt diese Natur einer rechtskraftunfähigen Anordnung für die Behörden hervor in der Entscheidung über den sog. negativen Kompetenzkonflikt, der uns jedoch hier nicht weiter angeht. Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 15

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/245
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/245>, abgerufen am 24.04.2024.