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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.

Die ganze Lehre muss davon ausgehen, dass ein derartiges Polizei-
verbot durch den Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen
Erlaubnis schon in sich selbst eine besondere rechtliche Art bekommt.

Das Polizeiverbot mit Erlaubnisvorbehalt wendet sich gegen solche
Lebensäusserungen, welche nicht unbedingt als störend für die gute
Ordnung des Gemeinwesens angesehen sind, welche aber störend
werden können je nach der Person, von der sie ausgehen, nach der
Art und Weise, wie das Unternehmen begründet, eingerichtet und ge-
führt wird. Darum wird an den Beginn der Thätigkeit das Erfordernis
einer Prüfung gestellt: es soll gar nicht angefangen werden, ohne
dass diese Prüfung vorgenommen worden und günstig ausgefallen und
darüber obrigkeitliche Feststellung gemacht ist. Diese Feststellung
ist enthalten in der Erlaubnis, welche von dem Verbot entbindet. Es
handelt sich bei dem Ganzen um eine Verwendung der Form des
Verbotes zu einer jener Überwachungsmassregeln gegen mög-
liche Gefährdung (oben § 19 S. 269). Das Verbot trifft auch Dinge,
welche an sich gar nichts polizeiwidriges wirklich enthalten; und der
im Widerspruch damit geschaffene Zustand unterliegt seinen Wirkungen
lediglich wegen der rechtlich fehlerhaften Art seines Ent-
stehens
2.

Das Rechtsinstitut entfaltet sich stufenweise, wie folgt.

I. Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist ein Rechtssatz mit
zwei verschiedenen Stücken. Davon lautet das eine, das
Verbot selbst, überall gleichmässig: das bezeichnete Unternehmen soll
nicht ins Werk gesetzt werden. Der Erlaubnisvorbehalt kann dagegen
sehr verschieden gestaltet sein, je nach dem grösseren oder geringeren
Spielraum, welcher der Willensentschliessung der Behörde dabei ein-

braucht wird. Die Konzession oder Verleihung ist aber ein ganz bestimmtes, wohl
abgegrenztes Rechtsinstitut von ganz anderer Art als die Polizeierlaubnis; Rehm,
Rechtliche Natur der Gewerbekonzession S. 80.
2 Das wird von Wichtigkeit für die Verjährung des etwa damit begangenen
Polizeidelikts und für die Zurücknahme der Polizeierlaubnis (unten III). Aber
auch im Falle einer Änderung der Gesetzgebung, wodurch bisher freie Unter-
nehmungen unter Erlaubnisvorbehalt gestellt werden: die bereits vorgefundenen,
also fehlerfrei ins Werk gesetzten Unternehmungen werden naturgemäss von dem
Verbote nicht getroffen. Die Frage hat ihre Behandlung gefunden bei den neuen
Polizeierlaubnisvorschriften der Gewerbeordnung. "Zum Betriebe Berechtigte" im
Sinne von Gew.O. § 1 Abs. 2 sind nur, die im gegebenen Augenblick rechtmässiger-
weise ein Gewerbe in Betrieb hatten, nicht wie Rehm, a. a. O. S. 51 Anm. 2
meint: die damals die Möglichkeit gehabt hätten, ein solches Gewerbe in Betrieb
zu nehmen, also bei freien Gewerben alle damals lebenden Deutschen. Richtig
Seydel, Gew.Pol.R. S. 25; Landmann, Gew.O. S. 21; O.V.G. 1. Mai 1882;
V.G.H. 9. Mai 1882.
Die Polizeigewalt.

Die ganze Lehre muſs davon ausgehen, daſs ein derartiges Polizei-
verbot durch den Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen
Erlaubnis schon in sich selbst eine besondere rechtliche Art bekommt.

Das Polizeiverbot mit Erlaubnisvorbehalt wendet sich gegen solche
Lebensäuſserungen, welche nicht unbedingt als störend für die gute
Ordnung des Gemeinwesens angesehen sind, welche aber störend
werden können je nach der Person, von der sie ausgehen, nach der
Art und Weise, wie das Unternehmen begründet, eingerichtet und ge-
führt wird. Darum wird an den Beginn der Thätigkeit das Erfordernis
einer Prüfung gestellt: es soll gar nicht angefangen werden, ohne
daſs diese Prüfung vorgenommen worden und günstig ausgefallen und
darüber obrigkeitliche Feststellung gemacht ist. Diese Feststellung
ist enthalten in der Erlaubnis, welche von dem Verbot entbindet. Es
handelt sich bei dem Ganzen um eine Verwendung der Form des
Verbotes zu einer jener Überwachungsmaſsregeln gegen mög-
liche Gefährdung (oben § 19 S. 269). Das Verbot trifft auch Dinge,
welche an sich gar nichts polizeiwidriges wirklich enthalten; und der
im Widerspruch damit geschaffene Zustand unterliegt seinen Wirkungen
lediglich wegen der rechtlich fehlerhaften Art seines Ent-
stehens
2.

Das Rechtsinstitut entfaltet sich stufenweise, wie folgt.

I. Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist ein Rechtssatz mit
zwei verschiedenen Stücken. Davon lautet das eine, das
Verbot selbst, überall gleichmäſsig: das bezeichnete Unternehmen soll
nicht ins Werk gesetzt werden. Der Erlaubnisvorbehalt kann dagegen
sehr verschieden gestaltet sein, je nach dem gröſseren oder geringeren
Spielraum, welcher der Willensentschlieſsung der Behörde dabei ein-

braucht wird. Die Konzession oder Verleihung ist aber ein ganz bestimmtes, wohl
abgegrenztes Rechtsinstitut von ganz anderer Art als die Polizeierlaubnis; Rehm,
Rechtliche Natur der Gewerbekonzession S. 80.
2 Das wird von Wichtigkeit für die Verjährung des etwa damit begangenen
Polizeidelikts und für die Zurücknahme der Polizeierlaubnis (unten III). Aber
auch im Falle einer Änderung der Gesetzgebung, wodurch bisher freie Unter-
nehmungen unter Erlaubnisvorbehalt gestellt werden: die bereits vorgefundenen,
also fehlerfrei ins Werk gesetzten Unternehmungen werden naturgemäſs von dem
Verbote nicht getroffen. Die Frage hat ihre Behandlung gefunden bei den neuen
Polizeierlaubnisvorschriften der Gewerbeordnung. „Zum Betriebe Berechtigte“ im
Sinne von Gew.O. § 1 Abs. 2 sind nur, die im gegebenen Augenblick rechtmäſsiger-
weise ein Gewerbe in Betrieb hatten, nicht wie Rehm, a. a. O. S. 51 Anm. 2
meint: die damals die Möglichkeit gehabt hätten, ein solches Gewerbe in Betrieb
zu nehmen, also bei freien Gewerben alle damals lebenden Deutschen. Richtig
Seydel, Gew.Pol.R. S. 25; Landmann, Gew.O. S. 21; O.V.G. 1. Mai 1882;
V.G.H. 9. Mai 1882.
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[288/0308] Die Polizeigewalt. Die ganze Lehre muſs davon ausgehen, daſs ein derartiges Polizei- verbot durch den Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen Erlaubnis schon in sich selbst eine besondere rechtliche Art bekommt. Das Polizeiverbot mit Erlaubnisvorbehalt wendet sich gegen solche Lebensäuſserungen, welche nicht unbedingt als störend für die gute Ordnung des Gemeinwesens angesehen sind, welche aber störend werden können je nach der Person, von der sie ausgehen, nach der Art und Weise, wie das Unternehmen begründet, eingerichtet und ge- führt wird. Darum wird an den Beginn der Thätigkeit das Erfordernis einer Prüfung gestellt: es soll gar nicht angefangen werden, ohne daſs diese Prüfung vorgenommen worden und günstig ausgefallen und darüber obrigkeitliche Feststellung gemacht ist. Diese Feststellung ist enthalten in der Erlaubnis, welche von dem Verbot entbindet. Es handelt sich bei dem Ganzen um eine Verwendung der Form des Verbotes zu einer jener Überwachungsmaſsregeln gegen mög- liche Gefährdung (oben § 19 S. 269). Das Verbot trifft auch Dinge, welche an sich gar nichts polizeiwidriges wirklich enthalten; und der im Widerspruch damit geschaffene Zustand unterliegt seinen Wirkungen lediglich wegen der rechtlich fehlerhaften Art seines Ent- stehens 2. Das Rechtsinstitut entfaltet sich stufenweise, wie folgt. I. Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist ein Rechtssatz mit zwei verschiedenen Stücken. Davon lautet das eine, das Verbot selbst, überall gleichmäſsig: das bezeichnete Unternehmen soll nicht ins Werk gesetzt werden. Der Erlaubnisvorbehalt kann dagegen sehr verschieden gestaltet sein, je nach dem gröſseren oder geringeren Spielraum, welcher der Willensentschlieſsung der Behörde dabei ein- 1 2 Das wird von Wichtigkeit für die Verjährung des etwa damit begangenen Polizeidelikts und für die Zurücknahme der Polizeierlaubnis (unten III). Aber auch im Falle einer Änderung der Gesetzgebung, wodurch bisher freie Unter- nehmungen unter Erlaubnisvorbehalt gestellt werden: die bereits vorgefundenen, also fehlerfrei ins Werk gesetzten Unternehmungen werden naturgemäſs von dem Verbote nicht getroffen. Die Frage hat ihre Behandlung gefunden bei den neuen Polizeierlaubnisvorschriften der Gewerbeordnung. „Zum Betriebe Berechtigte“ im Sinne von Gew.O. § 1 Abs. 2 sind nur, die im gegebenen Augenblick rechtmäſsiger- weise ein Gewerbe in Betrieb hatten, nicht wie Rehm, a. a. O. S. 51 Anm. 2 meint: die damals die Möglichkeit gehabt hätten, ein solches Gewerbe in Betrieb zu nehmen, also bei freien Gewerben alle damals lebenden Deutschen. Richtig Seydel, Gew.Pol.R. S. 25; Landmann, Gew.O. S. 21; O.V.G. 1. Mai 1882; V.G.H. 9. Mai 1882. 1 braucht wird. Die Konzession oder Verleihung ist aber ein ganz bestimmtes, wohl abgegrenztes Rechtsinstitut von ganz anderer Art als die Polizeierlaubnis; Rehm, Rechtliche Natur der Gewerbekonzession S. 80.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/308>, abgerufen am 24.04.2024.