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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 38. Die Gebrauchserlaubnis.

Es hat dies übrigens, wenn man genauer zusieht, sein voll-
kommenes Seitenstück auch in den Entschädigungsansprüchen für jene
Nachteile, die bei Ausübung des Gemeingebrauchs erlitten werden.
Die Beispiele, die wir oben gegeben haben, lassen die nämlichen
Unterschiede erkennen. Die Brücke ist schadhaft und kann nicht
ohne Gefahr benützt werden: großer Schaden für alle Nachbarn und
alle diejenigen, welche auf den Verkehr darüber angewiesen sind.
Der Graben, der durch die Straße gezogen ist und ungeschickterweise
längere Zeit offen bleibt, macht sie unfahrbar; alles muß Umwege
nehmen, Eisenbahnzüge werden versäumt, die bedeutendsten Verluste
sind nachzuweisen. Niemand erhält Entschädigung; nur der, welcher
mit der Brücke einbricht, in den Graben stürzt; diesem allein ist ein
unmittelbarer Nachteil erwachsen im Sinne des Rechtsinstituts der
öffentlichrechtlichen Entschädigung.

Das sind Dinge, die an gehöriger Stelle noch weiter erörtert
werden sollen. Uns ist hier an der Aufklärung nur soweit gelegen,
daß die Lehre vom Gemeingebrauch auch in dieser Richtung un-
verfälscht bleibe durch künstliche Zuthaten.

§ 38.
Fortsetzung; die Gebrauchserlaubnis.

Das Recht des Gemeingebrauchs ist, wir wir sahen, nicht be-
gründet durch eine staatliche Gewährung, sondern ist ein Bestandteil
der persönlichen Freiheit.

Im Gegensatze dazu beruht aller Gebrauch, welcher dem Einzelnen
über den Gemeingebrauch hinaus an öffentlichen Sachen zustehen mag,
auf einer staatlichen Gewährung und kann nur darauf beruhen.

Daß solche Gewährungen möglich sind, beweist am besten, daß
es sich hier nicht um res nullius handelt, noch um Sachen, deren

Umwege, die er deshalb machen muß, vom Standpunkt der öffentlichrechtlichen
Entschädigung aus vollkommen richtig als unbegründet abgewiesen. -- R.G. 4. Nov.
1881 (Samml. VII S. 173): Ein dritter, nicht von der stattgehabten Enteignung be-
troffener Grundbesitzer verliert in Folge einer störenden Bahnanlage die Vorteile,
welche ihm seither der Verkehr auf der Landstraße gebracht hatte. Das sind,
wie das Gericht sagt, "zufällige Vorteile", für welche keine Entschädigung zu
gewähren ist; es handelte sich um "entferntere Nachteile", wie wir es ausdrückten,
und das rechtfertigt die Entscheidung. Vgl. auch bayr. Ob.G.H. 27. Okt. 1877
(Samml. VII S. 50), 12. Mai 1878 (Samml. VII S. 842); Sächs. Minist. d. I. 9. Aug.
1881 (Sächs. Ztschft. f. Pr. II S. 319).
§ 38. Die Gebrauchserlaubnis.

Es hat dies übrigens, wenn man genauer zusieht, sein voll-
kommenes Seitenstück auch in den Entschädigungsansprüchen für jene
Nachteile, die bei Ausübung des Gemeingebrauchs erlitten werden.
Die Beispiele, die wir oben gegeben haben, lassen die nämlichen
Unterschiede erkennen. Die Brücke ist schadhaft und kann nicht
ohne Gefahr benützt werden: großer Schaden für alle Nachbarn und
alle diejenigen, welche auf den Verkehr darüber angewiesen sind.
Der Graben, der durch die Straße gezogen ist und ungeschickterweise
längere Zeit offen bleibt, macht sie unfahrbar; alles muß Umwege
nehmen, Eisenbahnzüge werden versäumt, die bedeutendsten Verluste
sind nachzuweisen. Niemand erhält Entschädigung; nur der, welcher
mit der Brücke einbricht, in den Graben stürzt; diesem allein ist ein
unmittelbarer Nachteil erwachsen im Sinne des Rechtsinstituts der
öffentlichrechtlichen Entschädigung.

Das sind Dinge, die an gehöriger Stelle noch weiter erörtert
werden sollen. Uns ist hier an der Aufklärung nur soweit gelegen,
daß die Lehre vom Gemeingebrauch auch in dieser Richtung un-
verfälscht bleibe durch künstliche Zuthaten.

§ 38.
Fortsetzung; die Gebrauchserlaubnis.

Das Recht des Gemeingebrauchs ist, wir wir sahen, nicht be-
gründet durch eine staatliche Gewährung, sondern ist ein Bestandteil
der persönlichen Freiheit.

Im Gegensatze dazu beruht aller Gebrauch, welcher dem Einzelnen
über den Gemeingebrauch hinaus an öffentlichen Sachen zustehen mag,
auf einer staatlichen Gewährung und kann nur darauf beruhen.

Daß solche Gewährungen möglich sind, beweist am besten, daß
es sich hier nicht um res nullius handelt, noch um Sachen, deren

Umwege, die er deshalb machen muß, vom Standpunkt der öffentlichrechtlichen
Entschädigung aus vollkommen richtig als unbegründet abgewiesen. — R.G. 4. Nov.
1881 (Samml. VII S. 173): Ein dritter, nicht von der stattgehabten Enteignung be-
troffener Grundbesitzer verliert in Folge einer störenden Bahnanlage die Vorteile,
welche ihm seither der Verkehr auf der Landstraße gebracht hatte. Das sind,
wie das Gericht sagt, „zufällige Vorteile“, für welche keine Entschädigung zu
gewähren ist; es handelte sich um „entferntere Nachteile“, wie wir es ausdrückten,
und das rechtfertigt die Entscheidung. Vgl. auch bayr. Ob.G.H. 27. Okt. 1877
(Samml. VII S. 50), 12. Mai 1878 (Samml. VII S. 842); Sächs. Minist. d. I. 9. Aug.
1881 (Sächs. Ztschft. f. Pr. II S. 319).
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[137/0149] § 38. Die Gebrauchserlaubnis. Es hat dies übrigens, wenn man genauer zusieht, sein voll- kommenes Seitenstück auch in den Entschädigungsansprüchen für jene Nachteile, die bei Ausübung des Gemeingebrauchs erlitten werden. Die Beispiele, die wir oben gegeben haben, lassen die nämlichen Unterschiede erkennen. Die Brücke ist schadhaft und kann nicht ohne Gefahr benützt werden: großer Schaden für alle Nachbarn und alle diejenigen, welche auf den Verkehr darüber angewiesen sind. Der Graben, der durch die Straße gezogen ist und ungeschickterweise längere Zeit offen bleibt, macht sie unfahrbar; alles muß Umwege nehmen, Eisenbahnzüge werden versäumt, die bedeutendsten Verluste sind nachzuweisen. Niemand erhält Entschädigung; nur der, welcher mit der Brücke einbricht, in den Graben stürzt; diesem allein ist ein unmittelbarer Nachteil erwachsen im Sinne des Rechtsinstituts der öffentlichrechtlichen Entschädigung. Das sind Dinge, die an gehöriger Stelle noch weiter erörtert werden sollen. Uns ist hier an der Aufklärung nur soweit gelegen, daß die Lehre vom Gemeingebrauch auch in dieser Richtung un- verfälscht bleibe durch künstliche Zuthaten. § 38. Fortsetzung; die Gebrauchserlaubnis. Das Recht des Gemeingebrauchs ist, wir wir sahen, nicht be- gründet durch eine staatliche Gewährung, sondern ist ein Bestandteil der persönlichen Freiheit. Im Gegensatze dazu beruht aller Gebrauch, welcher dem Einzelnen über den Gemeingebrauch hinaus an öffentlichen Sachen zustehen mag, auf einer staatlichen Gewährung und kann nur darauf beruhen. Daß solche Gewährungen möglich sind, beweist am besten, daß es sich hier nicht um res nullius handelt, noch um Sachen, deren 36 36 Umwege, die er deshalb machen muß, vom Standpunkt der öffentlichrechtlichen Entschädigung aus vollkommen richtig als unbegründet abgewiesen. — R.G. 4. Nov. 1881 (Samml. VII S. 173): Ein dritter, nicht von der stattgehabten Enteignung be- troffener Grundbesitzer verliert in Folge einer störenden Bahnanlage die Vorteile, welche ihm seither der Verkehr auf der Landstraße gebracht hatte. Das sind, wie das Gericht sagt, „zufällige Vorteile“, für welche keine Entschädigung zu gewähren ist; es handelte sich um „entferntere Nachteile“, wie wir es ausdrückten, und das rechtfertigt die Entscheidung. Vgl. auch bayr. Ob.G.H. 27. Okt. 1877 (Samml. VII S. 50), 12. Mai 1878 (Samml. VII S. 842); Sächs. Minist. d. I. 9. Aug. 1881 (Sächs. Ztschft. f. Pr. II S. 319).

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/149>, abgerufen am 28.03.2024.