Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Recht der juristischen Personen.

Sodann sind sie dieser juristischen Person gegenüber verantwort-
lich für den Nachteil, den sie ihr durch pflichtwidriges Verhalten zu-
fügen. Es entsteht daraus eine civilrechtliche Haftung auf Schadens-
ersatz gleich der des Beamten seinem Dienstherrn gegenüber. Diese
Haftung beruht nicht auf einem Dienstverhältnis zu dem Selbst-
verwaltungskörper, das ja nicht besteht. Sie beruht auf dem Dienst-
verhältnis zu dem Muttergemeinwesen, das hier wieder wirkt wenigstens
zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs zu Gunsten dessen, dem
gegenüber die Pflicht zu erfüllen war26. --

Eine derartige Vertretung kraft Amt und Dienstpflicht gegenüber
einem höheren Gemeinwesen findet sich wohl auch außerhalb des
Gebietes der öffentlichen Anstalten und Stiftungen. Namentlich bei
höheren Kommunalverbänden ist häufig der staatliche Verwaltungs-
beamte der entsprechenden Verwaltungsstufe verfassungsmäßig zum
Vertreter berufen27. Da gilt dann die gleiche rechtliche Auffassung
des Verhältnisses.

§ 59.
Die Aufsichtsgewalt.

Die Aufsichtsgewalt ist eine geordnete rechtliche Macht
über den Selbstverwaltungskörper, um ihn bei der Er-
füllung seiner Zwecke zu erhalten
.

Die Aufsichtsgewalt wird geübt namens des Staates; möglicher-
weise nimmt auch ein dazwischen geschobener höherer Selbstverwaltungs-
körper daran Teil. Die Behörde, welche jedem Selbstverwaltungskörper
gegenüber zur Ausübung dieser Gewalt berufen ist, heißt seine Auf-
sichtsbehörde
.

Die Aufsichtsgewalt beruht auf dem Gedanken, daß die Lebens-
thätigkeit dieser juristischen Person, die sich darstellt als ein Stück

unter Dienstbefehl; also Selbständigkeit des Amtes bei dienstlicher Abhängigkeit
des Beamten.
26 Bd. I § 17, I n. 2. Den Maßstab liefert auch hier die Haftung des Vor-
mundes gegenüber dem Mündel; Inv. u. Alt.Vers.Ges. § 59.
27 Der Preuß. Landrat, die Bayr. Kreisregierung, der Els.-Lothr. Bezirks-
Präsident sind Beispiele. Ebenso die an Stelle eines Bürgermeisters ernannten
Kommissäre nach Preuß. Städte-Ord. § 33 und Els.-Lothr. Ges. v. 24. Febr. 1872.
Der Unterschied ist nicht zu übersehen zwischen diesen Staatsbeamten, welche den
Auftrag haben, den Selbstverwaltungskörper zu vertreten, und den Beamten des
Selbstverwaltungskörpers, welche kraft Aufsichtsrechts staatlich ernannt sind;
vgl. oben Note 15.
Das Recht der juristischen Personen.

Sodann sind sie dieser juristischen Person gegenüber verantwort-
lich für den Nachteil, den sie ihr durch pflichtwidriges Verhalten zu-
fügen. Es entsteht daraus eine civilrechtliche Haftung auf Schadens-
ersatz gleich der des Beamten seinem Dienstherrn gegenüber. Diese
Haftung beruht nicht auf einem Dienstverhältnis zu dem Selbst-
verwaltungskörper, das ja nicht besteht. Sie beruht auf dem Dienst-
verhältnis zu dem Muttergemeinwesen, das hier wieder wirkt wenigstens
zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs zu Gunsten dessen, dem
gegenüber die Pflicht zu erfüllen war26. —

Eine derartige Vertretung kraft Amt und Dienstpflicht gegenüber
einem höheren Gemeinwesen findet sich wohl auch außerhalb des
Gebietes der öffentlichen Anstalten und Stiftungen. Namentlich bei
höheren Kommunalverbänden ist häufig der staatliche Verwaltungs-
beamte der entsprechenden Verwaltungsstufe verfassungsmäßig zum
Vertreter berufen27. Da gilt dann die gleiche rechtliche Auffassung
des Verhältnisses.

§ 59.
Die Aufsichtsgewalt.

Die Aufsichtsgewalt ist eine geordnete rechtliche Macht
über den Selbstverwaltungskörper, um ihn bei der Er-
füllung seiner Zwecke zu erhalten
.

Die Aufsichtsgewalt wird geübt namens des Staates; möglicher-
weise nimmt auch ein dazwischen geschobener höherer Selbstverwaltungs-
körper daran Teil. Die Behörde, welche jedem Selbstverwaltungskörper
gegenüber zur Ausübung dieser Gewalt berufen ist, heißt seine Auf-
sichtsbehörde
.

Die Aufsichtsgewalt beruht auf dem Gedanken, daß die Lebens-
thätigkeit dieser juristischen Person, die sich darstellt als ein Stück

unter Dienstbefehl; also Selbständigkeit des Amtes bei dienstlicher Abhängigkeit
des Beamten.
26 Bd. I § 17, I n. 2. Den Maßstab liefert auch hier die Haftung des Vor-
mundes gegenüber dem Mündel; Inv. u. Alt.Vers.Ges. § 59.
27 Der Preuß. Landrat, die Bayr. Kreisregierung, der Els.-Lothr. Bezirks-
Präsident sind Beispiele. Ebenso die an Stelle eines Bürgermeisters ernannten
Kommissäre nach Preuß. Städte-Ord. § 33 und Els.-Lothr. Ges. v. 24. Febr. 1872.
Der Unterschied ist nicht zu übersehen zwischen diesen Staatsbeamten, welche den
Auftrag haben, den Selbstverwaltungskörper zu vertreten, und den Beamten des
Selbstverwaltungskörpers, welche kraft Aufsichtsrechts staatlich ernannt sind;
vgl. oben Note 15.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0422" n="410"/>
              <fw place="top" type="header">Das Recht der juristischen Personen.</fw><lb/>
              <p>Sodann sind sie dieser juristischen Person gegenüber verantwort-<lb/>
lich für den Nachteil, den sie ihr durch pflichtwidriges Verhalten zu-<lb/>
fügen. Es entsteht daraus eine civilrechtliche Haftung auf Schadens-<lb/>
ersatz gleich der des Beamten seinem Dienstherrn gegenüber. Diese<lb/>
Haftung beruht nicht auf einem Dienstverhältnis zu dem Selbst-<lb/>
verwaltungskörper, das ja nicht besteht. Sie beruht auf dem Dienst-<lb/>
verhältnis zu dem Muttergemeinwesen, das hier wieder wirkt wenigstens<lb/>
zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs zu Gunsten dessen, dem<lb/>
gegenüber die Pflicht zu erfüllen war<note place="foot" n="26">Bd. I § 17, I n. 2. Den Maßstab liefert auch hier die Haftung des Vor-<lb/>
mundes gegenüber dem Mündel; Inv. u. Alt.Vers.Ges. § 59.</note>. &#x2014;</p><lb/>
              <p>Eine derartige Vertretung kraft Amt und Dienstpflicht gegenüber<lb/>
einem höheren Gemeinwesen findet sich wohl auch außerhalb des<lb/>
Gebietes der öffentlichen Anstalten und Stiftungen. Namentlich bei<lb/>
höheren Kommunalverbänden ist häufig der staatliche Verwaltungs-<lb/>
beamte der entsprechenden Verwaltungsstufe verfassungsmäßig zum<lb/>
Vertreter berufen<note place="foot" n="27">Der Preuß. Landrat, die Bayr. Kreisregierung, der Els.-Lothr. Bezirks-<lb/>
Präsident sind Beispiele. Ebenso die an Stelle eines Bürgermeisters ernannten<lb/>
Kommissäre nach Preuß. Städte-Ord. § 33 und Els.-Lothr. Ges. v. 24. Febr. 1872.<lb/>
Der Unterschied ist nicht zu übersehen zwischen diesen Staatsbeamten, welche den<lb/>
Auftrag haben, den Selbstverwaltungskörper zu vertreten, und den Beamten des<lb/>
Selbstverwaltungskörpers, welche kraft Aufsichtsrechts staatlich ernannt sind;<lb/>
vgl. oben Note 15.</note>. Da gilt dann die gleiche rechtliche Auffassung<lb/>
des Verhältnisses.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§ 59.<lb/><hi rendition="#b">Die Aufsichtsgewalt.</hi></head><lb/>
              <p>Die Aufsichtsgewalt ist eine <hi rendition="#g">geordnete rechtliche Macht<lb/>
über den Selbstverwaltungskörper, um ihn bei der Er-<lb/>
füllung seiner Zwecke zu erhalten</hi>.</p><lb/>
              <p>Die Aufsichtsgewalt wird geübt namens des Staates; möglicher-<lb/>
weise nimmt auch ein dazwischen geschobener höherer Selbstverwaltungs-<lb/>
körper daran Teil. Die Behörde, welche jedem Selbstverwaltungskörper<lb/>
gegenüber zur Ausübung dieser Gewalt berufen ist, heißt seine <hi rendition="#g">Auf-<lb/>
sichtsbehörde</hi>.</p><lb/>
              <p>Die Aufsichtsgewalt beruht auf dem Gedanken, daß die Lebens-<lb/>
thätigkeit dieser juristischen Person, die sich darstellt als ein Stück<lb/><note xml:id="seg2pn_121_2" prev="#seg2pn_121_1" place="foot" n="25">unter Dienstbefehl; also Selbständigkeit des Amtes bei dienstlicher Abhängigkeit<lb/>
des Beamten.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[410/0422] Das Recht der juristischen Personen. Sodann sind sie dieser juristischen Person gegenüber verantwort- lich für den Nachteil, den sie ihr durch pflichtwidriges Verhalten zu- fügen. Es entsteht daraus eine civilrechtliche Haftung auf Schadens- ersatz gleich der des Beamten seinem Dienstherrn gegenüber. Diese Haftung beruht nicht auf einem Dienstverhältnis zu dem Selbst- verwaltungskörper, das ja nicht besteht. Sie beruht auf dem Dienst- verhältnis zu dem Muttergemeinwesen, das hier wieder wirkt wenigstens zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs zu Gunsten dessen, dem gegenüber die Pflicht zu erfüllen war 26. — Eine derartige Vertretung kraft Amt und Dienstpflicht gegenüber einem höheren Gemeinwesen findet sich wohl auch außerhalb des Gebietes der öffentlichen Anstalten und Stiftungen. Namentlich bei höheren Kommunalverbänden ist häufig der staatliche Verwaltungs- beamte der entsprechenden Verwaltungsstufe verfassungsmäßig zum Vertreter berufen 27. Da gilt dann die gleiche rechtliche Auffassung des Verhältnisses. § 59. Die Aufsichtsgewalt. Die Aufsichtsgewalt ist eine geordnete rechtliche Macht über den Selbstverwaltungskörper, um ihn bei der Er- füllung seiner Zwecke zu erhalten. Die Aufsichtsgewalt wird geübt namens des Staates; möglicher- weise nimmt auch ein dazwischen geschobener höherer Selbstverwaltungs- körper daran Teil. Die Behörde, welche jedem Selbstverwaltungskörper gegenüber zur Ausübung dieser Gewalt berufen ist, heißt seine Auf- sichtsbehörde. Die Aufsichtsgewalt beruht auf dem Gedanken, daß die Lebens- thätigkeit dieser juristischen Person, die sich darstellt als ein Stück 25 26 Bd. I § 17, I n. 2. Den Maßstab liefert auch hier die Haftung des Vor- mundes gegenüber dem Mündel; Inv. u. Alt.Vers.Ges. § 59. 27 Der Preuß. Landrat, die Bayr. Kreisregierung, der Els.-Lothr. Bezirks- Präsident sind Beispiele. Ebenso die an Stelle eines Bürgermeisters ernannten Kommissäre nach Preuß. Städte-Ord. § 33 und Els.-Lothr. Ges. v. 24. Febr. 1872. Der Unterschied ist nicht zu übersehen zwischen diesen Staatsbeamten, welche den Auftrag haben, den Selbstverwaltungskörper zu vertreten, und den Beamten des Selbstverwaltungskörpers, welche kraft Aufsichtsrechts staatlich ernannt sind; vgl. oben Note 15. 25 unter Dienstbefehl; also Selbständigkeit des Amtes bei dienstlicher Abhängigkeit des Beamten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/422
Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/422>, abgerufen am 28.03.2024.