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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.
der Thatsache, daß ein Bedürfnis der öffentlichen Ver-
waltung
dagegen stößt, hat das Recht des Einzelnen zu weichen.
Das ist die Grundidee, um die es sich hier handelt. Dafür knüpft
sich an den Eingriff ein Anspruch des Betroffenen auf angemessene
Entschädigung. --

Ganz anders geartet stellt sich das Rechtsinstitut von vornherein
dar, als die im ersten Buche unseres besonderen Teiles betrachteten
Erscheinungen. Ein neues Gebiet von Rechtsformen der Verwaltung
thut sich damit auf. Was ihnen allen gemeinsam ist, erscheint an
der Enteignung nur in besonders scharf ausgeprägten Zügen.

In Polizeigewalt und Finanzgewalt stand der Staat als reine
Obrigkeit über dem Wechsel und der Mannigfaltigkeit des Lebens
der Gesellschaft, diesem folgend mit seinen Maßregeln und sich ihm
anschließend, um es in Ordnung zu halten und um die Geldmittel
daraus zu ziehen, die es ihm greifbar macht. Jetzt tritt er selbst in
dieses Leben der Gesellschaft ein, mitten unter die Einzelnen, als
der wie sie, und doch nicht wie sie, Geschäfte besorgen will, äußer-
liche Mittel für diese Zwecke aufstellt und verwendet, sachliche und
persönliche, und dabei in allerlei Berührung kommt zu den Unter-
thanen, die er in ihrem Dasein und Wirtschaften bald fördert, bald
in Anspruch nimmt. Er erscheint jetzt als der große Unter-
nehmer,
um ins Werk zu setzen, was zur Befriedigung allgemeiner
Interessen dient, als der intendant general, wie ein französischer
Schriftsteller ihn treffend bezeichnet hat.

Das Verwaltungsrecht legt damit jene starre Einseitigkeit ab,
bei welcher dem Einzelnen immer nur Befehl, Auflage, Zwang ent-
gegentrat, und alles was ihm etwa gewährt wurde, nichts weiter war,
als ein Nachlassen der Gewalt. Es wird jetzt gegeben wie ge-
nommen, Ausgleichungsmaßregeln knüpfen sich an das eine, wie an
das andere, und schließlich kommt in den Selbstverwaltungskörpern
sogar noch eine gleichgeartete Mitarbeiterschaft zur Anerkennung.
Ein frei bewegliches Verkehrsrecht schmiegt sich den einzelnen öffent-
lichen Unternehmungen an nach ihren Bedürfnissen und Zwecken,
wie im Civilrecht der Wirtschaft der Einzelnen. Die Verwandtschaft
mit diesem bezeugt sich an unserer Einteilung: Sachenrecht,
Recht der besonderen Schuldverhältnisse
(besondere, im
Gegensatze zu den schon vorweggenommenen Schuldverhältnissen der
Polizei- und Finanzgewalt) und Personenrecht, das sich hier be-
schränkt auf die uns gehörigen juristischen Personen. Von nun an
findet sich denn auch, worauf schon Bd. I S. 136 hingewiesen worden
ist, daß die Namen unserer einzelnen Rechtsinstitute immer wieder

Das öffentliche Sachenrecht.
der Thatsache, daß ein Bedürfnis der öffentlichen Ver-
waltung
dagegen stößt, hat das Recht des Einzelnen zu weichen.
Das ist die Grundidee, um die es sich hier handelt. Dafür knüpft
sich an den Eingriff ein Anspruch des Betroffenen auf angemessene
Entschädigung. —

Ganz anders geartet stellt sich das Rechtsinstitut von vornherein
dar, als die im ersten Buche unseres besonderen Teiles betrachteten
Erscheinungen. Ein neues Gebiet von Rechtsformen der Verwaltung
thut sich damit auf. Was ihnen allen gemeinsam ist, erscheint an
der Enteignung nur in besonders scharf ausgeprägten Zügen.

In Polizeigewalt und Finanzgewalt stand der Staat als reine
Obrigkeit über dem Wechsel und der Mannigfaltigkeit des Lebens
der Gesellschaft, diesem folgend mit seinen Maßregeln und sich ihm
anschließend, um es in Ordnung zu halten und um die Geldmittel
daraus zu ziehen, die es ihm greifbar macht. Jetzt tritt er selbst in
dieses Leben der Gesellschaft ein, mitten unter die Einzelnen, als
der wie sie, und doch nicht wie sie, Geschäfte besorgen will, äußer-
liche Mittel für diese Zwecke aufstellt und verwendet, sachliche und
persönliche, und dabei in allerlei Berührung kommt zu den Unter-
thanen, die er in ihrem Dasein und Wirtschaften bald fördert, bald
in Anspruch nimmt. Er erscheint jetzt als der große Unter-
nehmer,
um ins Werk zu setzen, was zur Befriedigung allgemeiner
Interessen dient, als der intendant géneral, wie ein französischer
Schriftsteller ihn treffend bezeichnet hat.

Das Verwaltungsrecht legt damit jene starre Einseitigkeit ab,
bei welcher dem Einzelnen immer nur Befehl, Auflage, Zwang ent-
gegentrat, und alles was ihm etwa gewährt wurde, nichts weiter war,
als ein Nachlassen der Gewalt. Es wird jetzt gegeben wie ge-
nommen, Ausgleichungsmaßregeln knüpfen sich an das eine, wie an
das andere, und schließlich kommt in den Selbstverwaltungskörpern
sogar noch eine gleichgeartete Mitarbeiterschaft zur Anerkennung.
Ein frei bewegliches Verkehrsrecht schmiegt sich den einzelnen öffent-
lichen Unternehmungen an nach ihren Bedürfnissen und Zwecken,
wie im Civilrecht der Wirtschaft der Einzelnen. Die Verwandtschaft
mit diesem bezeugt sich an unserer Einteilung: Sachenrecht,
Recht der besonderen Schuldverhältnisse
(besondere, im
Gegensatze zu den schon vorweggenommenen Schuldverhältnissen der
Polizei- und Finanzgewalt) und Personenrecht, das sich hier be-
schränkt auf die uns gehörigen juristischen Personen. Von nun an
findet sich denn auch, worauf schon Bd. I S. 136 hingewiesen worden
ist, daß die Namen unserer einzelnen Rechtsinstitute immer wieder

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[4/0016] Das öffentliche Sachenrecht. der Thatsache, daß ein Bedürfnis der öffentlichen Ver- waltung dagegen stößt, hat das Recht des Einzelnen zu weichen. Das ist die Grundidee, um die es sich hier handelt. Dafür knüpft sich an den Eingriff ein Anspruch des Betroffenen auf angemessene Entschädigung. — Ganz anders geartet stellt sich das Rechtsinstitut von vornherein dar, als die im ersten Buche unseres besonderen Teiles betrachteten Erscheinungen. Ein neues Gebiet von Rechtsformen der Verwaltung thut sich damit auf. Was ihnen allen gemeinsam ist, erscheint an der Enteignung nur in besonders scharf ausgeprägten Zügen. In Polizeigewalt und Finanzgewalt stand der Staat als reine Obrigkeit über dem Wechsel und der Mannigfaltigkeit des Lebens der Gesellschaft, diesem folgend mit seinen Maßregeln und sich ihm anschließend, um es in Ordnung zu halten und um die Geldmittel daraus zu ziehen, die es ihm greifbar macht. Jetzt tritt er selbst in dieses Leben der Gesellschaft ein, mitten unter die Einzelnen, als der wie sie, und doch nicht wie sie, Geschäfte besorgen will, äußer- liche Mittel für diese Zwecke aufstellt und verwendet, sachliche und persönliche, und dabei in allerlei Berührung kommt zu den Unter- thanen, die er in ihrem Dasein und Wirtschaften bald fördert, bald in Anspruch nimmt. Er erscheint jetzt als der große Unter- nehmer, um ins Werk zu setzen, was zur Befriedigung allgemeiner Interessen dient, als der intendant géneral, wie ein französischer Schriftsteller ihn treffend bezeichnet hat. Das Verwaltungsrecht legt damit jene starre Einseitigkeit ab, bei welcher dem Einzelnen immer nur Befehl, Auflage, Zwang ent- gegentrat, und alles was ihm etwa gewährt wurde, nichts weiter war, als ein Nachlassen der Gewalt. Es wird jetzt gegeben wie ge- nommen, Ausgleichungsmaßregeln knüpfen sich an das eine, wie an das andere, und schließlich kommt in den Selbstverwaltungskörpern sogar noch eine gleichgeartete Mitarbeiterschaft zur Anerkennung. Ein frei bewegliches Verkehrsrecht schmiegt sich den einzelnen öffent- lichen Unternehmungen an nach ihren Bedürfnissen und Zwecken, wie im Civilrecht der Wirtschaft der Einzelnen. Die Verwandtschaft mit diesem bezeugt sich an unserer Einteilung: Sachenrecht, Recht der besonderen Schuldverhältnisse (besondere, im Gegensatze zu den schon vorweggenommenen Schuldverhältnissen der Polizei- und Finanzgewalt) und Personenrecht, das sich hier be- schränkt auf die uns gehörigen juristischen Personen. Von nun an findet sich denn auch, worauf schon Bd. I S. 136 hingewiesen worden ist, daß die Namen unserer einzelnen Rechtsinstitute immer wieder

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/16>, abgerufen am 25.04.2024.