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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.
eine Herrschaft öffentlichrechtlicher Natur. In dieser Gestalt er-
scheint das Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Grund-
dienstbarkeit
(§ 40).

Es kann das Grundstück thatsächliche Eingriffe und Störungen
aus der Verwaltungsthätigkeit heraus erleiden, denen gegenüber es
rechtlich wehrlos ist, ohne besonderen Rechtsvorgang, welcher diese
Wehrlosigkeit für es bestimmte, auf den einzigen Umstand hin, daß
es die öffentliche Verwaltung ist, von welcher jene Einwirkungen
ausgehen. Wir erkennen in dieser Wehrlosigkeit das Rechtsinstitut
der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung (§ 41).

Insoweit man überhaupt auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts
von subjektiven Rechten des Staates sprechen kann, ist ein solches
Recht im ersteren Falle deutlicher ausgeprägt als im zweiten. Recht-
mäßig ist die Einwirkung auch im zweiten Falle, aber die Grundlage
bildet, statt eines besonders begründeten Rechts, die allgemeine hoheit-
liche Natur des Staates und seiner öffentlichen Verwaltung und ihre
rechtliche Unwiderstehlichkeit gegenüber dem Einzeldasein1.

Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit be-
kommt ihre juristische Eigenart durch die Verwandtschaft mit dem
Rechtsinstitute des Civilrechts, von welchem sie den Namen hat. Es
sind durch diesen Namen die Merkmale angedeutet, durch welche sie
sich von allen anderen öffentlichrechtlichen Belastungen, die etwa
sonst an den Besitz eines Grundstückes sich knüpfen, unterscheidet.

Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit äußert sich, wie die
civilrechtliche, in Form einer beschränkten rechtlichen Macht, welche
unmittelbar auf die Sache wirkt. Sie ist wesentlich dinglicher
Natur. Wenn sich dabei persönliche Pflichten und Freiheits-
beschränkungen des jeweiligen Eigentümers ergeben, so sind sie immer
erst die Folge jenes Grundverhältnisses. Auch für Polizeibefehle,
Steuerauflagen und sonstige persönliche Belastungen kann der Besitz
des Grundstückes in Betracht kommen, als Beweggrund und als Merk-
mal, nach welchem ein Rechtssatz, möglicherweise auch ein Verwaltungs-
akt den Verpflichteten bezeichnet. Immer ist hier die persönliche
Verpflichtung das Ziel und die Hauptsache. Die öffentliche Grund-
dienstbarkeit aber erfaßt das Grundstück und erst durch das Grund-
stück den Besitzer, diesen deshalb auch nur soweit, als er durch die
fremde Macht über sein Grundstück berührt werden kann. Darauf

1 Vgl. über die subjektiven öffentlichen Rechte des Staates oben Bd. I § 9,
S. 110, 111. Recht oder nicht, bedeutet hier immer nur einen Unterschied der
Form der Einwirkung.

Das öffentliche Sachenrecht.
eine Herrschaft öffentlichrechtlicher Natur. In dieser Gestalt er-
scheint das Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Grund-
dienstbarkeit
(§ 40).

Es kann das Grundstück thatsächliche Eingriffe und Störungen
aus der Verwaltungsthätigkeit heraus erleiden, denen gegenüber es
rechtlich wehrlos ist, ohne besonderen Rechtsvorgang, welcher diese
Wehrlosigkeit für es bestimmte, auf den einzigen Umstand hin, daß
es die öffentliche Verwaltung ist, von welcher jene Einwirkungen
ausgehen. Wir erkennen in dieser Wehrlosigkeit das Rechtsinstitut
der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung (§ 41).

Insoweit man überhaupt auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts
von subjektiven Rechten des Staates sprechen kann, ist ein solches
Recht im ersteren Falle deutlicher ausgeprägt als im zweiten. Recht-
mäßig ist die Einwirkung auch im zweiten Falle, aber die Grundlage
bildet, statt eines besonders begründeten Rechts, die allgemeine hoheit-
liche Natur des Staates und seiner öffentlichen Verwaltung und ihre
rechtliche Unwiderstehlichkeit gegenüber dem Einzeldasein1.

Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit be-
kommt ihre juristische Eigenart durch die Verwandtschaft mit dem
Rechtsinstitute des Civilrechts, von welchem sie den Namen hat. Es
sind durch diesen Namen die Merkmale angedeutet, durch welche sie
sich von allen anderen öffentlichrechtlichen Belastungen, die etwa
sonst an den Besitz eines Grundstückes sich knüpfen, unterscheidet.

Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit äußert sich, wie die
civilrechtliche, in Form einer beschränkten rechtlichen Macht, welche
unmittelbar auf die Sache wirkt. Sie ist wesentlich dinglicher
Natur. Wenn sich dabei persönliche Pflichten und Freiheits-
beschränkungen des jeweiligen Eigentümers ergeben, so sind sie immer
erst die Folge jenes Grundverhältnisses. Auch für Polizeibefehle,
Steuerauflagen und sonstige persönliche Belastungen kann der Besitz
des Grundstückes in Betracht kommen, als Beweggrund und als Merk-
mal, nach welchem ein Rechtssatz, möglicherweise auch ein Verwaltungs-
akt den Verpflichteten bezeichnet. Immer ist hier die persönliche
Verpflichtung das Ziel und die Hauptsache. Die öffentliche Grund-
dienstbarkeit aber erfaßt das Grundstück und erst durch das Grund-
stück den Besitzer, diesen deshalb auch nur soweit, als er durch die
fremde Macht über sein Grundstück berührt werden kann. Darauf

1 Vgl. über die subjektiven öffentlichen Rechte des Staates oben Bd. I § 9,
S. 110, 111. Recht oder nicht, bedeutet hier immer nur einen Unterschied der
Form der Einwirkung.
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[164/0176] Das öffentliche Sachenrecht. eine Herrschaft öffentlichrechtlicher Natur. In dieser Gestalt er- scheint das Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Grund- dienstbarkeit (§ 40). Es kann das Grundstück thatsächliche Eingriffe und Störungen aus der Verwaltungsthätigkeit heraus erleiden, denen gegenüber es rechtlich wehrlos ist, ohne besonderen Rechtsvorgang, welcher diese Wehrlosigkeit für es bestimmte, auf den einzigen Umstand hin, daß es die öffentliche Verwaltung ist, von welcher jene Einwirkungen ausgehen. Wir erkennen in dieser Wehrlosigkeit das Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung (§ 41). Insoweit man überhaupt auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts von subjektiven Rechten des Staates sprechen kann, ist ein solches Recht im ersteren Falle deutlicher ausgeprägt als im zweiten. Recht- mäßig ist die Einwirkung auch im zweiten Falle, aber die Grundlage bildet, statt eines besonders begründeten Rechts, die allgemeine hoheit- liche Natur des Staates und seiner öffentlichen Verwaltung und ihre rechtliche Unwiderstehlichkeit gegenüber dem Einzeldasein 1. Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit be- kommt ihre juristische Eigenart durch die Verwandtschaft mit dem Rechtsinstitute des Civilrechts, von welchem sie den Namen hat. Es sind durch diesen Namen die Merkmale angedeutet, durch welche sie sich von allen anderen öffentlichrechtlichen Belastungen, die etwa sonst an den Besitz eines Grundstückes sich knüpfen, unterscheidet. Die öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeit äußert sich, wie die civilrechtliche, in Form einer beschränkten rechtlichen Macht, welche unmittelbar auf die Sache wirkt. Sie ist wesentlich dinglicher Natur. Wenn sich dabei persönliche Pflichten und Freiheits- beschränkungen des jeweiligen Eigentümers ergeben, so sind sie immer erst die Folge jenes Grundverhältnisses. Auch für Polizeibefehle, Steuerauflagen und sonstige persönliche Belastungen kann der Besitz des Grundstückes in Betracht kommen, als Beweggrund und als Merk- mal, nach welchem ein Rechtssatz, möglicherweise auch ein Verwaltungs- akt den Verpflichteten bezeichnet. Immer ist hier die persönliche Verpflichtung das Ziel und die Hauptsache. Die öffentliche Grund- dienstbarkeit aber erfaßt das Grundstück und erst durch das Grund- stück den Besitzer, diesen deshalb auch nur soweit, als er durch die fremde Macht über sein Grundstück berührt werden kann. Darauf 1 Vgl. über die subjektiven öffentlichen Rechte des Staates oben Bd. I § 9, S. 110, 111. Recht oder nicht, bedeutet hier immer nur einen Unterschied der Form der Einwirkung.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/176>, abgerufen am 16.04.2024.