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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.
§ 52.
Fortsetzung; Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.

Die öffentliche Anstalt erfüllt ihren Zweck, indem sie den vielen
Einzelnen ihre Nutzungen gewährt. Die rechtliche Sicherung, welche
deren Interessen dabei zuteil wird, haben wir unter dem Namen:
Rechte der Benutzenden zusammengefaßt. Die Gegenrechte der An-
stalt, die dem entsprechen, stellen sich dar in Benutzungszwang,
Anstaltsgewalt und Gebühr.

I. Die Wirksamkeit der einmal eingerichteten öffentlichen Anstalt
kann dadurch gesichert werden, daß den Einzelnen gegenüber eine
rechtliche Nötigung geübt wird zur Benutzung: der Benutzungs-
zwang
als Gegenstück zur Annahmepflicht (oben § 51, II n. 1). Die
Nötigung geschieht durch rechtssatzmäßige Befehle, deren Nicht-
befolgung mit Strafe bedroht ist und auch zu sonstigen Zwangsmitteln
führen kann1. Solcher Befehl erscheint aber in zweierlei Gestalt.

Er geht entweder als Gebot geraden Wegs auf Benutzung der
Anstalt, so daß die Pflicht dazu entsteht mit dem Eintritt gewisser
Thatsachen; so der Schulzwang, der Impfzwang. Es kommt hier
darauf an, die durch die Anstalt, die öffentliche Schule, den amtlichen
Impfarzt, zu erzielende Wirkung herbeizuführen. Dem entspricht es,
daß die Möglichkeit einer Entbindung von dem Gebote vorgesehen
ist für den Fall, daß die Erzielung dieses Erfolges in anderer Weise
gesichert erscheint.

Es kann aber auch dem Einzelnen freigestellt bleiben, ob er eine
gewisse Handlung vornehmen will oder nicht; nur, wenn er das will,
darf es nicht anders geschehen als unter Benutzung der öffentlichen
Anstalt. Der Befehl hat dann die Gestalt eines Verbotes; so der
Schlachthauszwang, der Postzwang. Der Zweck ist hier: die Thätig-
keit zur Befriedigung solcher Bedürfnisse auf die öffentliche Anstalt
ausschließlich zu vereinigen. Dem entspricht es, daß zugleich jedem
Andern verboten wird, die gleichen Leistungen seinerseits zu gewähren
und dadurch der öffentlichen Anstalt Konkurrenz zu machen.
So das Postregal und das Verbot von Privatschlachtanstalten. Das
Letztere, das Konkurrenzverbot, kann auch für sich allein stehen; das
wirkt dann mittelbar als Nötigung zur Benutzung der öffentlichen An-
stalt, weil man die gleiche Leistung nirgends sonst erhalten kann.

1 Statt Befehl und Strafandrohung auf den Ungehorsam kann auch die Form
der unmittelbaren Verpönung gewählt sein (Bd. I S. 310). Für unsere gegen-
wärtigen Erörterungen macht das keinen Unterschied.
§ 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.
§ 52.
Fortsetzung; Gegenrechte der öffentlichen Anstalt.

Die öffentliche Anstalt erfüllt ihren Zweck, indem sie den vielen
Einzelnen ihre Nutzungen gewährt. Die rechtliche Sicherung, welche
deren Interessen dabei zuteil wird, haben wir unter dem Namen:
Rechte der Benutzenden zusammengefaßt. Die Gegenrechte der An-
stalt, die dem entsprechen, stellen sich dar in Benutzungszwang,
Anstaltsgewalt und Gebühr.

I. Die Wirksamkeit der einmal eingerichteten öffentlichen Anstalt
kann dadurch gesichert werden, daß den Einzelnen gegenüber eine
rechtliche Nötigung geübt wird zur Benutzung: der Benutzungs-
zwang
als Gegenstück zur Annahmepflicht (oben § 51, II n. 1). Die
Nötigung geschieht durch rechtssatzmäßige Befehle, deren Nicht-
befolgung mit Strafe bedroht ist und auch zu sonstigen Zwangsmitteln
führen kann1. Solcher Befehl erscheint aber in zweierlei Gestalt.

Er geht entweder als Gebot geraden Wegs auf Benutzung der
Anstalt, so daß die Pflicht dazu entsteht mit dem Eintritt gewisser
Thatsachen; so der Schulzwang, der Impfzwang. Es kommt hier
darauf an, die durch die Anstalt, die öffentliche Schule, den amtlichen
Impfarzt, zu erzielende Wirkung herbeizuführen. Dem entspricht es,
daß die Möglichkeit einer Entbindung von dem Gebote vorgesehen
ist für den Fall, daß die Erzielung dieses Erfolges in anderer Weise
gesichert erscheint.

Es kann aber auch dem Einzelnen freigestellt bleiben, ob er eine
gewisse Handlung vornehmen will oder nicht; nur, wenn er das will,
darf es nicht anders geschehen als unter Benutzung der öffentlichen
Anstalt. Der Befehl hat dann die Gestalt eines Verbotes; so der
Schlachthauszwang, der Postzwang. Der Zweck ist hier: die Thätig-
keit zur Befriedigung solcher Bedürfnisse auf die öffentliche Anstalt
ausschließlich zu vereinigen. Dem entspricht es, daß zugleich jedem
Andern verboten wird, die gleichen Leistungen seinerseits zu gewähren
und dadurch der öffentlichen Anstalt Konkurrenz zu machen.
So das Postregal und das Verbot von Privatschlachtanstalten. Das
Letztere, das Konkurrenzverbot, kann auch für sich allein stehen; das
wirkt dann mittelbar als Nötigung zur Benutzung der öffentlichen An-
stalt, weil man die gleiche Leistung nirgends sonst erhalten kann.

1 Statt Befehl und Strafandrohung auf den Ungehorsam kann auch die Form
der unmittelbaren Verpönung gewählt sein (Bd. I S. 310). Für unsere gegen-
wärtigen Erörterungen macht das keinen Unterschied.
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[333/0345] § 52. Gegenrechte der öffentlichen Anstalt. § 52. Fortsetzung; Gegenrechte der öffentlichen Anstalt. Die öffentliche Anstalt erfüllt ihren Zweck, indem sie den vielen Einzelnen ihre Nutzungen gewährt. Die rechtliche Sicherung, welche deren Interessen dabei zuteil wird, haben wir unter dem Namen: Rechte der Benutzenden zusammengefaßt. Die Gegenrechte der An- stalt, die dem entsprechen, stellen sich dar in Benutzungszwang, Anstaltsgewalt und Gebühr. I. Die Wirksamkeit der einmal eingerichteten öffentlichen Anstalt kann dadurch gesichert werden, daß den Einzelnen gegenüber eine rechtliche Nötigung geübt wird zur Benutzung: der Benutzungs- zwang als Gegenstück zur Annahmepflicht (oben § 51, II n. 1). Die Nötigung geschieht durch rechtssatzmäßige Befehle, deren Nicht- befolgung mit Strafe bedroht ist und auch zu sonstigen Zwangsmitteln führen kann 1. Solcher Befehl erscheint aber in zweierlei Gestalt. Er geht entweder als Gebot geraden Wegs auf Benutzung der Anstalt, so daß die Pflicht dazu entsteht mit dem Eintritt gewisser Thatsachen; so der Schulzwang, der Impfzwang. Es kommt hier darauf an, die durch die Anstalt, die öffentliche Schule, den amtlichen Impfarzt, zu erzielende Wirkung herbeizuführen. Dem entspricht es, daß die Möglichkeit einer Entbindung von dem Gebote vorgesehen ist für den Fall, daß die Erzielung dieses Erfolges in anderer Weise gesichert erscheint. Es kann aber auch dem Einzelnen freigestellt bleiben, ob er eine gewisse Handlung vornehmen will oder nicht; nur, wenn er das will, darf es nicht anders geschehen als unter Benutzung der öffentlichen Anstalt. Der Befehl hat dann die Gestalt eines Verbotes; so der Schlachthauszwang, der Postzwang. Der Zweck ist hier: die Thätig- keit zur Befriedigung solcher Bedürfnisse auf die öffentliche Anstalt ausschließlich zu vereinigen. Dem entspricht es, daß zugleich jedem Andern verboten wird, die gleichen Leistungen seinerseits zu gewähren und dadurch der öffentlichen Anstalt Konkurrenz zu machen. So das Postregal und das Verbot von Privatschlachtanstalten. Das Letztere, das Konkurrenzverbot, kann auch für sich allein stehen; das wirkt dann mittelbar als Nötigung zur Benutzung der öffentlichen An- stalt, weil man die gleiche Leistung nirgends sonst erhalten kann. 1 Statt Befehl und Strafandrohung auf den Ungehorsam kann auch die Form der unmittelbaren Verpönung gewählt sein (Bd. I S. 310). Für unsere gegen- wärtigen Erörterungen macht das keinen Unterschied.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/345>, abgerufen am 28.03.2024.