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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Ein Beispiel bietet das Ausschlußrecht der öffentlichen Telegraphen-
anstalt2. --

Alle diese Befehle bedürfen der gesetzlichen Grundlage. Dabei
wird ein Unterschied bedeutsam: wenn es sich darum handelt, durch
die Nötigung zur Benutzung der Anstalt einer polizeiwidrigen Schäd-
lichkeit entgegenzutreten, ist die erforderliche Grundlage möglicher-
weise schon gegeben in den bestehenden allgemeinen polizei-
lichen Ermächtigungen
. Impfzwang z. B., Schlachthauszwang
und Ausschluß von Privatschlachtanstalten haben die Natur solcher
polizeilicher Befehle (Bd. I § 20); diese Maßregeln wären deshalb
durchführbar ohne besonderes Gesetz. Anders wenn die Benutzung
der Anstalt nur durchgesetzt werden soll in Verfolgung allgemeiner
Kulturzwecke oder gar im Finanzinteresse des Staates: für Schul-
zwang, Postzwang, Post- und Telegraphenregal ist ein Sonder-
gesetz
unentbehrlich.

Strafe und Zwangsvollstreckung schließen sich im ersteren Falle
ohne weiteres den Formen des Polizeirechts an. Im letzteren Falle
erscheinen sie in freierer Nachbildung mit Übergängen zu den Formen
der Finanzgewalt3.

II. In der Thätigkeit der öffentlichen Anstalt erscheint die öffent-
liche Verwaltung. Was störend in ihren geordneten Gang hinein-
greift, wirft sie obrigkeitlicherweise beiseite als eine Störung der guten

2 Daß es sich hier um verschiedenartige Befehle handelt, wird nicht immer
beachtet; so bezüglich des Postrechtes: Mittelstein, Beiträge S. 19 ff.; Sydow
in Wörterbuch II S. 289 ff.; vgl. auch Laband, St.R. II S. 83 Anm. 2 (3. Aufl.
S. 77 Anm. 1); dazu Dambach, Postges. S. 11. Dementsprechend laufen auch
die Ausdrücke Postzwang, Postregal, Postmonopol ziemlich durcheinander. -- Wir
verstehen unter Postzwang den Zwang, der zu Gunsten der Post geübt wird
gegen das benutzende Publikum, entsprechend dem Schlachthauszwang, Schulzwang,
Impfzwang. Das Verbot, Konkurrenz zu machen, trifft eine andere Gruppe von
Personen und andere Handlungen. Man mag es als Postregal bezeichnen.
Unter Regalien verstehen wir heute Ausschlußrechte zu Gunsten eines öffentlichen
Unternehmens: es giebt Telegraphenregal, Münzregal, Straßenregal, Eisenbahn-
regal; es giebt aber keinen Telegraphenzwang, Eisenbahnzwang u. s. w. Ganz
verkehrt ist der Ausdruck Postmonopol; das Monopol ist auch ein Ausschluß-
recht, aber zu Gunsten eines einseitigen Finanzinteresses für privatwirtschaftliche
Unternehmungen: Tabakmonopol, Salzmonopol, Branntweinmonopol. -- Im wesent-
lichen übereinstimmend: Maas in Arch. f. öff. R. VII S. 483 ff; G. Meyer,
V.R. I S. 575.
3 Der Schlachthauszwang folgt darin den Regeln des Polizeistrafrechts (Bd. I
§ 22), der Postzwang denen des Finanzstrafrechts (Bd. I § 31). Der Schulzwang
hat am meisten eigenartige Formen entwickelt; Schneider und Bremen, Volks-
schule im Preuß. R. III S. 37.

Recht der besonderen Schuldverhältnisse.
Ein Beispiel bietet das Ausschlußrecht der öffentlichen Telegraphen-
anstalt2. —

Alle diese Befehle bedürfen der gesetzlichen Grundlage. Dabei
wird ein Unterschied bedeutsam: wenn es sich darum handelt, durch
die Nötigung zur Benutzung der Anstalt einer polizeiwidrigen Schäd-
lichkeit entgegenzutreten, ist die erforderliche Grundlage möglicher-
weise schon gegeben in den bestehenden allgemeinen polizei-
lichen Ermächtigungen
. Impfzwang z. B., Schlachthauszwang
und Ausschluß von Privatschlachtanstalten haben die Natur solcher
polizeilicher Befehle (Bd. I § 20); diese Maßregeln wären deshalb
durchführbar ohne besonderes Gesetz. Anders wenn die Benutzung
der Anstalt nur durchgesetzt werden soll in Verfolgung allgemeiner
Kulturzwecke oder gar im Finanzinteresse des Staates: für Schul-
zwang, Postzwang, Post- und Telegraphenregal ist ein Sonder-
gesetz
unentbehrlich.

Strafe und Zwangsvollstreckung schließen sich im ersteren Falle
ohne weiteres den Formen des Polizeirechts an. Im letzteren Falle
erscheinen sie in freierer Nachbildung mit Übergängen zu den Formen
der Finanzgewalt3.

II. In der Thätigkeit der öffentlichen Anstalt erscheint die öffent-
liche Verwaltung. Was störend in ihren geordneten Gang hinein-
greift, wirft sie obrigkeitlicherweise beiseite als eine Störung der guten

2 Daß es sich hier um verschiedenartige Befehle handelt, wird nicht immer
beachtet; so bezüglich des Postrechtes: Mittelstein, Beiträge S. 19 ff.; Sydow
in Wörterbuch II S. 289 ff.; vgl. auch Laband, St.R. II S. 83 Anm. 2 (3. Aufl.
S. 77 Anm. 1); dazu Dambach, Postges. S. 11. Dementsprechend laufen auch
die Ausdrücke Postzwang, Postregal, Postmonopol ziemlich durcheinander. — Wir
verstehen unter Postzwang den Zwang, der zu Gunsten der Post geübt wird
gegen das benutzende Publikum, entsprechend dem Schlachthauszwang, Schulzwang,
Impfzwang. Das Verbot, Konkurrenz zu machen, trifft eine andere Gruppe von
Personen und andere Handlungen. Man mag es als Postregal bezeichnen.
Unter Regalien verstehen wir heute Ausschlußrechte zu Gunsten eines öffentlichen
Unternehmens: es giebt Telegraphenregal, Münzregal, Straßenregal, Eisenbahn-
regal; es giebt aber keinen Telegraphenzwang, Eisenbahnzwang u. s. w. Ganz
verkehrt ist der Ausdruck Postmonopol; das Monopol ist auch ein Ausschluß-
recht, aber zu Gunsten eines einseitigen Finanzinteresses für privatwirtschaftliche
Unternehmungen: Tabakmonopol, Salzmonopol, Branntweinmonopol. — Im wesent-
lichen übereinstimmend: Maas in Arch. f. öff. R. VII S. 483 ff; G. Meyer,
V.R. I S. 575.
3 Der Schlachthauszwang folgt darin den Regeln des Polizeistrafrechts (Bd. I
§ 22), der Postzwang denen des Finanzstrafrechts (Bd. I § 31). Der Schulzwang
hat am meisten eigenartige Formen entwickelt; Schneider und Bremen, Volks-
schule im Preuß. R. III S. 37.
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[334/0346] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. Ein Beispiel bietet das Ausschlußrecht der öffentlichen Telegraphen- anstalt 2. — Alle diese Befehle bedürfen der gesetzlichen Grundlage. Dabei wird ein Unterschied bedeutsam: wenn es sich darum handelt, durch die Nötigung zur Benutzung der Anstalt einer polizeiwidrigen Schäd- lichkeit entgegenzutreten, ist die erforderliche Grundlage möglicher- weise schon gegeben in den bestehenden allgemeinen polizei- lichen Ermächtigungen. Impfzwang z. B., Schlachthauszwang und Ausschluß von Privatschlachtanstalten haben die Natur solcher polizeilicher Befehle (Bd. I § 20); diese Maßregeln wären deshalb durchführbar ohne besonderes Gesetz. Anders wenn die Benutzung der Anstalt nur durchgesetzt werden soll in Verfolgung allgemeiner Kulturzwecke oder gar im Finanzinteresse des Staates: für Schul- zwang, Postzwang, Post- und Telegraphenregal ist ein Sonder- gesetz unentbehrlich. Strafe und Zwangsvollstreckung schließen sich im ersteren Falle ohne weiteres den Formen des Polizeirechts an. Im letzteren Falle erscheinen sie in freierer Nachbildung mit Übergängen zu den Formen der Finanzgewalt 3. II. In der Thätigkeit der öffentlichen Anstalt erscheint die öffent- liche Verwaltung. Was störend in ihren geordneten Gang hinein- greift, wirft sie obrigkeitlicherweise beiseite als eine Störung der guten 2 Daß es sich hier um verschiedenartige Befehle handelt, wird nicht immer beachtet; so bezüglich des Postrechtes: Mittelstein, Beiträge S. 19 ff.; Sydow in Wörterbuch II S. 289 ff.; vgl. auch Laband, St.R. II S. 83 Anm. 2 (3. Aufl. S. 77 Anm. 1); dazu Dambach, Postges. S. 11. Dementsprechend laufen auch die Ausdrücke Postzwang, Postregal, Postmonopol ziemlich durcheinander. — Wir verstehen unter Postzwang den Zwang, der zu Gunsten der Post geübt wird gegen das benutzende Publikum, entsprechend dem Schlachthauszwang, Schulzwang, Impfzwang. Das Verbot, Konkurrenz zu machen, trifft eine andere Gruppe von Personen und andere Handlungen. Man mag es als Postregal bezeichnen. Unter Regalien verstehen wir heute Ausschlußrechte zu Gunsten eines öffentlichen Unternehmens: es giebt Telegraphenregal, Münzregal, Straßenregal, Eisenbahn- regal; es giebt aber keinen Telegraphenzwang, Eisenbahnzwang u. s. w. Ganz verkehrt ist der Ausdruck Postmonopol; das Monopol ist auch ein Ausschluß- recht, aber zu Gunsten eines einseitigen Finanzinteresses für privatwirtschaftliche Unternehmungen: Tabakmonopol, Salzmonopol, Branntweinmonopol. — Im wesent- lichen übereinstimmend: Maas in Arch. f. öff. R. VII S. 483 ff; G. Meyer, V.R. I S. 575. 3 Der Schlachthauszwang folgt darin den Regeln des Polizeistrafrechts (Bd. I § 22), der Postzwang denen des Finanzstrafrechts (Bd. I § 31). Der Schulzwang hat am meisten eigenartige Formen entwickelt; Schneider und Bremen, Volks- schule im Preuß. R. III S. 37.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/346>, abgerufen am 25.04.2024.