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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.

2. Kriegsschäden können auf zweierlei Weise verursacht
werden: durch unser eignes Heer und durch den Feind. Das letztere
ist selbstverständlich in unserem Rechtsinstitute nicht begriffen. Aber
auch die Schäden, die unser eignes Heer den Unterthanen zufügt, sind
ausgeschlossen. Doch ist dabei zu unterscheiden. Kriegsschaden in
diesem Sinn ist nicht alles, was an Opfern zum Zwecke der Kriegs-
führung auferlegt wird, sondern nur derjenige Nachteil, der durch
die Kriegsführung unmittelbar
entsteht.

Was der Staat zur Vorbereitung der Kriegsführung, zur Aus-
rüstung und zum Unterhalt des Heeres, zur planmäßigen Anlage von
Befestigungen für künftige Fälle in Anspruch nehmen mag, und wenn
es auch während des Krieges selbst geschieht, ist den Unterthanen
gegenüber geordnet durch das öffentliche Recht, und insbesondere
schließt sich an das besondere Opfer, das da zugemutet wird, nach
allgemeiner Rechtsregel die öffentlichrechtliche Entschädigungspflicht an.

Unter Kriegsschäden im eigentlichen Sinn sind nur solche
Schädigungen zu verstehen, welche von unseren Truppen zugefügt
werden im Drange des Kampfes selbst, durch den Kampf oder im
unmittelbaren Zusammenhange mit ihm. Dafür gilt kein Verwaltungs-
recht mehr, so wenig wie für die Thaten des Feindes. Es ist kein
öffentliches Unternehmen, das das Opfer fordert, sondern die Natur-
gewalt. Deshalb gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz der öffentlich-
rechtlichen Entschädigung hier nicht15.

Die Billigkeit und Gerechtigkeit wird auch hier dafür sprechen,
daß den Betroffenen, ob es von Freund oder Feind geschah, vom
Gemeinwesen beigestanden werde; aber das ist frei im besonderen
Falle vorzusehen16.


gesetzte Behörde keinen Gebrauch gemacht hat", indem dieselben "den gericht-
lichen Urteilen gleich behandelt werden müssen". -- Die Zeitströmung geht aller-
dings eher auf Beseitigung solcher Ausnahmen vom Grundsatze der öffentlich-
rechtlichen Entschädigung. Bei dem unverkennbaren Zusammenhang dieser Aus-
nahmen mit dem volkstümlichen Ansehen der Behörde und der Machtstellung des
Beamtentums giebt das zu denken.
15 Dem Kriege steht die Bekämpfung eines inneren Aufruhrs gleich; O.A.G.
Dresden 18. Mai 1852 (Seuff. Arch. V n. 288) verweigert deshalb auch für die
dabei angerichteten Zerstörungen die Entschädigung.
16 R.Ges. 13. Juni 1873 über die Kriegsleistungen § 35.
§ 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht.

2. Kriegsschäden können auf zweierlei Weise verursacht
werden: durch unser eignes Heer und durch den Feind. Das letztere
ist selbstverständlich in unserem Rechtsinstitute nicht begriffen. Aber
auch die Schäden, die unser eignes Heer den Unterthanen zufügt, sind
ausgeschlossen. Doch ist dabei zu unterscheiden. Kriegsschaden in
diesem Sinn ist nicht alles, was an Opfern zum Zwecke der Kriegs-
führung auferlegt wird, sondern nur derjenige Nachteil, der durch
die Kriegsführung unmittelbar
entsteht.

Was der Staat zur Vorbereitung der Kriegsführung, zur Aus-
rüstung und zum Unterhalt des Heeres, zur planmäßigen Anlage von
Befestigungen für künftige Fälle in Anspruch nehmen mag, und wenn
es auch während des Krieges selbst geschieht, ist den Unterthanen
gegenüber geordnet durch das öffentliche Recht, und insbesondere
schließt sich an das besondere Opfer, das da zugemutet wird, nach
allgemeiner Rechtsregel die öffentlichrechtliche Entschädigungspflicht an.

Unter Kriegsschäden im eigentlichen Sinn sind nur solche
Schädigungen zu verstehen, welche von unseren Truppen zugefügt
werden im Drange des Kampfes selbst, durch den Kampf oder im
unmittelbaren Zusammenhange mit ihm. Dafür gilt kein Verwaltungs-
recht mehr, so wenig wie für die Thaten des Feindes. Es ist kein
öffentliches Unternehmen, das das Opfer fordert, sondern die Natur-
gewalt. Deshalb gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz der öffentlich-
rechtlichen Entschädigung hier nicht15.

Die Billigkeit und Gerechtigkeit wird auch hier dafür sprechen,
daß den Betroffenen, ob es von Freund oder Feind geschah, vom
Gemeinwesen beigestanden werde; aber das ist frei im besonderen
Falle vorzusehen16.


gesetzte Behörde keinen Gebrauch gemacht hat“, indem dieselben „den gericht-
lichen Urteilen gleich behandelt werden müssen“. — Die Zeitströmung geht aller-
dings eher auf Beseitigung solcher Ausnahmen vom Grundsatze der öffentlich-
rechtlichen Entschädigung. Bei dem unverkennbaren Zusammenhang dieser Aus-
nahmen mit dem volkstümlichen Ansehen der Behörde und der Machtstellung des
Beamtentums giebt das zu denken.
15 Dem Kriege steht die Bekämpfung eines inneren Aufruhrs gleich; O.A.G.
Dresden 18. Mai 1852 (Seuff. Arch. V n. 288) verweigert deshalb auch für die
dabei angerichteten Zerstörungen die Entschädigung.
16 R.Ges. 13. Juni 1873 über die Kriegsleistungen § 35.
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[365/0377] § 54. Grenzgebiete der staatlichen Entschädigungspflicht. 2. Kriegsschäden können auf zweierlei Weise verursacht werden: durch unser eignes Heer und durch den Feind. Das letztere ist selbstverständlich in unserem Rechtsinstitute nicht begriffen. Aber auch die Schäden, die unser eignes Heer den Unterthanen zufügt, sind ausgeschlossen. Doch ist dabei zu unterscheiden. Kriegsschaden in diesem Sinn ist nicht alles, was an Opfern zum Zwecke der Kriegs- führung auferlegt wird, sondern nur derjenige Nachteil, der durch die Kriegsführung unmittelbar entsteht. Was der Staat zur Vorbereitung der Kriegsführung, zur Aus- rüstung und zum Unterhalt des Heeres, zur planmäßigen Anlage von Befestigungen für künftige Fälle in Anspruch nehmen mag, und wenn es auch während des Krieges selbst geschieht, ist den Unterthanen gegenüber geordnet durch das öffentliche Recht, und insbesondere schließt sich an das besondere Opfer, das da zugemutet wird, nach allgemeiner Rechtsregel die öffentlichrechtliche Entschädigungspflicht an. Unter Kriegsschäden im eigentlichen Sinn sind nur solche Schädigungen zu verstehen, welche von unseren Truppen zugefügt werden im Drange des Kampfes selbst, durch den Kampf oder im unmittelbaren Zusammenhange mit ihm. Dafür gilt kein Verwaltungs- recht mehr, so wenig wie für die Thaten des Feindes. Es ist kein öffentliches Unternehmen, das das Opfer fordert, sondern die Natur- gewalt. Deshalb gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz der öffentlich- rechtlichen Entschädigung hier nicht 15. Die Billigkeit und Gerechtigkeit wird auch hier dafür sprechen, daß den Betroffenen, ob es von Freund oder Feind geschah, vom Gemeinwesen beigestanden werde; aber das ist frei im besonderen Falle vorzusehen 16. 14 15 Dem Kriege steht die Bekämpfung eines inneren Aufruhrs gleich; O.A.G. Dresden 18. Mai 1852 (Seuff. Arch. V n. 288) verweigert deshalb auch für die dabei angerichteten Zerstörungen die Entschädigung. 16 R.Ges. 13. Juni 1873 über die Kriegsleistungen § 35. 14 gesetzte Behörde keinen Gebrauch gemacht hat“, indem dieselben „den gericht- lichen Urteilen gleich behandelt werden müssen“. — Die Zeitströmung geht aller- dings eher auf Beseitigung solcher Ausnahmen vom Grundsatze der öffentlich- rechtlichen Entschädigung. Bei dem unverkennbaren Zusammenhang dieser Aus- nahmen mit dem volkstümlichen Ansehen der Behörde und der Machtstellung des Beamtentums giebt das zu denken.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/377>, abgerufen am 29.03.2024.