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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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abgelaufen. Wäre jetzunder im ganzen Dorf derohal¬
ben keine lebendige Seele mehr, und noch schwerer ein
Bissel Brods, so daß, wenn den Herrn nit ihre Noth
jammerte, sie alle des elendiglichen Hungertodes würden
sterben müssen.

(Da sage nun Einer: das wöllen Christenmenschen
sein!)

Fragte nunmehro, als er schwiege (mit wie viel
Seufzen jedoch, kann man leichtlich gießen) nach mei¬
ner Hütten, wovon sie aber nichts wußten, als daß sie
annoch stünde. Ich dankete dannenhero dem Herrn mit
einem stillen Seufzerlein und alsobald den alten Seden
fragend was sein Weib in der Kirchen gemachet, hätte
ich schier vergehen mügen für großem Schmerz, als ich
hörete, daß die Lotterbuben, als sie heraußer getreten,
die beiden Kelche nebst den Patenen in Händen getra¬
gen. Fuhr dahero die alte Lise fast heftig an, welche
nun auch angeschlichen kam durch das Buschwerk, wor¬
auf sie aber trotziglich zur Antwort gab: daß das fremde
Volk sie gezwungen die Kirche aufzuschließen, da ihr Kerl
ja sich in den Zaum verkrochen, und Niemand Anders
nit da gewesen. Selbige wären sogleich für den Altar
getreten, und da ein Stein nicht wohl gefuget (was
aber eine Erzlüge war) hätten sie alsobald angefangen
mit ihren Schwertern zu graben, bis sie auch die Kelche
und Patenen gefunden. Könnte auch sein daß ein An¬
derer ihnen den Fleck verrathen. Möchte dahero ihr nicht
immer die Schuld beilegen, und sie also heftig anschnautzen.

abgelaufen. Wäre jetzunder im ganzen Dorf derohal¬
ben keine lebendige Seele mehr, und noch ſchwerer ein
Biſſel Brods, ſo daß, wenn den Herrn nit ihre Noth
jammerte, ſie alle des elendiglichen Hungertodes würden
ſterben müſſen.

(Da ſage nun Einer: das wöllen Chriſtenmenſchen
ſein!)

Fragte nunmehro, als er ſchwiege (mit wie viel
Seufzen jedoch, kann man leichtlich gießen) nach mei¬
ner Hütten, wovon ſie aber nichts wußten, als daß ſie
annoch ſtünde. Ich dankete dannenhero dem Herrn mit
einem ſtillen Seufzerlein und alſobald den alten Seden
fragend was ſein Weib in der Kirchen gemachet, hätte
ich ſchier vergehen mügen für großem Schmerz, als ich
hörete, daß die Lotterbuben, als ſie heraußer getreten,
die beiden Kelche nebſt den Patenen in Händen getra¬
gen. Fuhr dahero die alte Liſe faſt heftig an, welche
nun auch angeſchlichen kam durch das Buſchwerk, wor¬
auf ſie aber trotziglich zur Antwort gab: daß das fremde
Volk ſie gezwungen die Kirche aufzuſchließen, da ihr Kerl
ja ſich in den Zaum verkrochen, und Niemand Anders
nit da geweſen. Selbige wären ſogleich für den Altar
getreten, und da ein Stein nicht wohl gefuget (was
aber eine Erzlüge war) hätten ſie alſobald angefangen
mit ihren Schwertern zu graben, bis ſie auch die Kelche
und Patenen gefunden. Könnte auch ſein daß ein An¬
derer ihnen den Fleck verrathen. Möchte dahero ihr nicht
immer die Schuld beilegen, und ſie alſo heftig anſchnautzen.

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[11/0027] abgelaufen. Wäre jetzunder im ganzen Dorf derohal¬ ben keine lebendige Seele mehr, und noch ſchwerer ein Biſſel Brods, ſo daß, wenn den Herrn nit ihre Noth jammerte, ſie alle des elendiglichen Hungertodes würden ſterben müſſen. (Da ſage nun Einer: das wöllen Chriſtenmenſchen ſein!) Fragte nunmehro, als er ſchwiege (mit wie viel Seufzen jedoch, kann man leichtlich gießen) nach mei¬ ner Hütten, wovon ſie aber nichts wußten, als daß ſie annoch ſtünde. Ich dankete dannenhero dem Herrn mit einem ſtillen Seufzerlein und alſobald den alten Seden fragend was ſein Weib in der Kirchen gemachet, hätte ich ſchier vergehen mügen für großem Schmerz, als ich hörete, daß die Lotterbuben, als ſie heraußer getreten, die beiden Kelche nebſt den Patenen in Händen getra¬ gen. Fuhr dahero die alte Liſe faſt heftig an, welche nun auch angeſchlichen kam durch das Buſchwerk, wor¬ auf ſie aber trotziglich zur Antwort gab: daß das fremde Volk ſie gezwungen die Kirche aufzuſchließen, da ihr Kerl ja ſich in den Zaum verkrochen, und Niemand Anders nit da geweſen. Selbige wären ſogleich für den Altar getreten, und da ein Stein nicht wohl gefuget (was aber eine Erzlüge war) hätten ſie alſobald angefangen mit ihren Schwertern zu graben, bis ſie auch die Kelche und Patenen gefunden. Könnte auch ſein daß ein An¬ derer ihnen den Fleck verrathen. Möchte dahero ihr nicht immer die Schuld beilegen, und ſie alſo heftig anſchnautzen.

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/27>, abgerufen am 29.03.2024.