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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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schriee, ächzete, weinete, auch die kleinen Kinder aber¬
mals herbeisprangen, und die Händlein ausrecketen, in¬
deme sie schrien: "kiekt Brod, kiekt Brod!" Da ich aber
vor Wehemuth selbsten nit beten kunte, ließ ich Paassch
sein klein Mägdlein das Gratias beten, in währender
Zeit meine Maria das Brodt zuschnitt und einem Jeg¬
lichen sein Theil reichete. Und nun langeten wir alle¬
sammt freudig zu dem lieben Gottesmaal in der Wüsten.

Hierzwischen mußte nun aber erzählen, wie ich das
liebe Mannabrod gefunden, wobei nit versäumete sie
abermals zu vermahnen, daß sie wöllten das große Wun¬
derzeichen sich zu Herzen gehen lassen, so der barmher¬
zige Gott, wie weiland an dem Propheten Elisa, an ih¬
nen auch gethan, angesehen wie ein Raab in der gro¬
ßen Hungersnoth demselbigen das Brod in der Wüsten
zugeführet, der Herr auch mir dieses Brod durch einen
Raben zugeführet, daß ich es finden gemüßt, da ich ihm
sonst wohl in meiner Trübsal vorbeigeschritten, und es
nimmer gesehen hätte.

Als wir endiglichen unsern Bauch mit Nothdurft
gefüllet, hielte die Danksagung über Lucas 12, v. 24,
wo der Herre spricht: nehmet wahr den Raben, sie säen
nicht, sie erndten auch nit, sie haben auch keine Keller
noch Scheuen, und Gott nähret sie doch, Wieviel aber
seid ihr besser denn die Vögel? -- Aber unsere Sün¬
den stunken vor dem Herrn. Denn da die alte Lise,
wie ich bald in Erfahrung gebracht ihre Vögel nit ver¬
zehret, weilen sie ihr zu nüchtern fürkamen, sondern sel¬

ſchriee, ächzete, weinete, auch die kleinen Kinder aber¬
mals herbeiſprangen, und die Händlein ausrecketen, in¬
deme ſie ſchrien: „kiekt Brod, kiekt Brod!" Da ich aber
vor Wehemuth ſelbſten nit beten kunte, ließ ich Paaſsch
ſein klein Mägdlein das Gratias beten, in währender
Zeit meine Maria das Brodt zuſchnitt und einem Jeg¬
lichen ſein Theil reichete. Und nun langeten wir alle¬
ſammt freudig zu dem lieben Gottesmaal in der Wüſten.

Hierzwiſchen mußte nun aber erzählen, wie ich das
liebe Mannabrod gefunden, wobei nit verſäumete ſie
abermals zu vermahnen, daß ſie wöllten das große Wun¬
derzeichen ſich zu Herzen gehen laſſen, ſo der barmher¬
zige Gott, wie weiland an dem Propheten Eliſa, an ih¬
nen auch gethan, angeſehen wie ein Raab in der gro¬
ßen Hungersnoth demſelbigen das Brod in der Wüſten
zugeführet, der Herr auch mir dieſes Brod durch einen
Raben zugeführet, daß ich es finden gemüßt, da ich ihm
ſonſt wohl in meiner Trübſal vorbeigeſchritten, und es
nimmer geſehen hätte.

Als wir endiglichen unſern Bauch mit Nothdurft
gefüllet, hielte die Dankſagung über Lucas 12, v. 24,
wo der Herre ſpricht: nehmet wahr den Raben, ſie ſäen
nicht, ſie erndten auch nit, ſie haben auch keine Keller
noch Scheuen, und Gott nähret ſie doch, Wieviel aber
ſeid ihr beſſer denn die Vögel? — Aber unſere Sün¬
den ſtunken vor dem Herrn. Denn da die alte Liſe,
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[15/0031] ſchriee, ächzete, weinete, auch die kleinen Kinder aber¬ mals herbeiſprangen, und die Händlein ausrecketen, in¬ deme ſie ſchrien: „kiekt Brod, kiekt Brod!" Da ich aber vor Wehemuth ſelbſten nit beten kunte, ließ ich Paaſsch ſein klein Mägdlein das Gratias beten, in währender Zeit meine Maria das Brodt zuſchnitt und einem Jeg¬ lichen ſein Theil reichete. Und nun langeten wir alle¬ ſammt freudig zu dem lieben Gottesmaal in der Wüſten. Hierzwiſchen mußte nun aber erzählen, wie ich das liebe Mannabrod gefunden, wobei nit verſäumete ſie abermals zu vermahnen, daß ſie wöllten das große Wun¬ derzeichen ſich zu Herzen gehen laſſen, ſo der barmher¬ zige Gott, wie weiland an dem Propheten Eliſa, an ih¬ nen auch gethan, angeſehen wie ein Raab in der gro¬ ßen Hungersnoth demſelbigen das Brod in der Wüſten zugeführet, der Herr auch mir dieſes Brod durch einen Raben zugeführet, daß ich es finden gemüßt, da ich ihm ſonſt wohl in meiner Trübſal vorbeigeſchritten, und es nimmer geſehen hätte. Als wir endiglichen unſern Bauch mit Nothdurft gefüllet, hielte die Dankſagung über Lucas 12, v. 24, wo der Herre ſpricht: nehmet wahr den Raben, ſie ſäen nicht, ſie erndten auch nit, ſie haben auch keine Keller noch Scheuen, und Gott nähret ſie doch, Wieviel aber ſeid ihr beſſer denn die Vögel? — Aber unſere Sün¬ den ſtunken vor dem Herrn. Denn da die alte Liſe, wie ich bald in Erfahrung gebracht ihre Vögel nit ver¬ zehret, weilen ſie ihr zu nüchtern fürkamen, ſondern ſel¬

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/31>, abgerufen am 25.04.2024.