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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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Capitel 8.

Wie unsere Noth immer größer wird, ich die alte
Ilse mit einem andern Schreiben gen Pudgla fande,
und was mir daraus noch für ein größer Leid
erfolget.


Als ich des andern Tags mit gemeinem Geschrei,
des ganzen Dorfs die elenden Leichname beerdi¬
get (merke, da wo die Linde *) über die Mauer schat¬
tet, seind sie alle begraben) hörete ich mit vielen Seuf¬
zern, daß auch weder die Sehe noch das Achterwasser
etwas hergeben gewöllt. Dies dauerte bei zehn Tagen,
daß das arme Volk fast kein Fisches Auge nit kunnte
fangen. Ging dahero ans das Feld, und sanne, wie der
Zorn des gerechten Gottes über uns zu wenden wär,
dieweil der harte Winter vor der Thür und kein Korn,
kein Fisch, kein Apfel, kein Fleisch nicht sowohl im Dorfe
als im ganzen Kapsel mehr zu finden. Denn Gewilde
hatte es zwar genugsam in der Coserowschen und Uek¬
keritzer Heiden, aber der alte Heidenreuter Zabel Neh¬
ring war im verschienen Jahr an der Pestilenz gestor¬
ben, und noch kein neuer daselbsten. Auch war im gan¬
zen Kapsel keine einige Mousquete oder Kraut dazu auf¬
zufinden, sintemalen der Feind alles geraubet und zu¬

*) Ist jetzt nicht mehr vorhanden.
Capitel 8.

Wie unſere Noth immer größer wird, ich die alte
Ilſe mit einem andern Schreiben gen Pudgla fande,
und was mir daraus noch für ein größer Leid
erfolget.


Als ich des andern Tags mit gemeinem Geſchrei,
des ganzen Dorfs die elenden Leichname beerdi¬
get (merke, da wo die Linde *) über die Mauer ſchat¬
tet, ſeind ſie alle begraben) hörete ich mit vielen Seuf¬
zern, daß auch weder die Sehe noch das Achterwaſſer
etwas hergeben gewöllt. Dies dauerte bei zehn Tagen,
daß das arme Volk faſt kein Fiſches Auge nit kunnte
fangen. Ging dahero ans das Feld, und ſanne, wie der
Zorn des gerechten Gottes über uns zu wenden wär,
dieweil der harte Winter vor der Thür und kein Korn,
kein Fiſch, kein Apfel, kein Fleiſch nicht ſowohl im Dorfe
als im ganzen Kapſel mehr zu finden. Denn Gewilde
hatte es zwar genugſam in der Coſerowſchen und Uek¬
keritzer Heiden, aber der alte Heidenreuter Zabel Neh¬
ring war im verſchienen Jahr an der Peſtilenz geſtor¬
ben, und noch kein neuer daſelbſten. Auch war im gan¬
zen Kapſel keine einige Mousquete oder Kraut dazu auf¬
zufinden, ſintemalen der Feind alles geraubet und zu¬

*) Iſt jetzt nicht mehr vorhanden.
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[21/0037] Capitel 8. Wie unſere Noth immer größer wird, ich die alte Ilſe mit einem andern Schreiben gen Pudgla fande, und was mir daraus noch für ein größer Leid erfolget. Als ich des andern Tags mit gemeinem Geſchrei, des ganzen Dorfs die elenden Leichname beerdi¬ get (merke, da wo die Linde *) über die Mauer ſchat¬ tet, ſeind ſie alle begraben) hörete ich mit vielen Seuf¬ zern, daß auch weder die Sehe noch das Achterwaſſer etwas hergeben gewöllt. Dies dauerte bei zehn Tagen, daß das arme Volk faſt kein Fiſches Auge nit kunnte fangen. Ging dahero ans das Feld, und ſanne, wie der Zorn des gerechten Gottes über uns zu wenden wär, dieweil der harte Winter vor der Thür und kein Korn, kein Fiſch, kein Apfel, kein Fleiſch nicht ſowohl im Dorfe als im ganzen Kapſel mehr zu finden. Denn Gewilde hatte es zwar genugſam in der Coſerowſchen und Uek¬ keritzer Heiden, aber der alte Heidenreuter Zabel Neh¬ ring war im verſchienen Jahr an der Peſtilenz geſtor¬ ben, und noch kein neuer daſelbſten. Auch war im gan¬ zen Kapſel keine einige Mousquete oder Kraut dazu auf¬ zufinden, ſintemalen der Feind alles geraubet und zu¬ *) Iſt jetzt nicht mehr vorhanden.

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/37>, abgerufen am 29.03.2024.