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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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das Papier. Denn da die Fenster mit Brettern ver¬
spundet waren, ware das Zimmer tunkel und nur ein
wenig Licht kam durch zwei kleine Scheiblein Glas, so
ich aus der Kirchen gebrochen, und hineingesetzet. Sol¬
liches mochte wohl die Ursache sein, daß ich mich nit
besser fürsah. Da ich aber kein neues Stücklein Papier
mehr auftreiben kunnte, ließ ich es passiren, und befahle
der Magd, so ich mit dem Brieflein gen Pudgla sandte,
solliches bei Sr. Gestrengen, dem Herrn Ambtshaubtmann
zu entschuldigen, welches sie auch zu thun versprach; an¬
gesehen ich selbsten kein Wörtlein mehr auf dem Pa¬
pier beisetzen kunnte, dieweil alles beschrieben war. Sie¬
geln thät ich es, wie vorbemeldet.

Allein die arme Person kehrete zitternd für Angst
und weinend zurücke, und sprach: Seine Gestrengen hätte
sie mit dem Fuß aus der Schloßpforten gestoßen und
gedräuet, sie in den Ganten *) setzen zu lassen, so sie
wiederumb vor ihn käme. Ob der Pfaffe gläube, daß
ihm das Geld so loose säß, wie mir die Tinte, hätte
ja Wasser genug das Abendmahl zu halten. Denn hätte
Gottes Sohn einmal das Wasser in Wein gewandelt,
könnt er's auch öftermalen. Hätt' ich keinen Kelch sollt
ich meine Schaaf aus einem Eimer tränken, wie er's
auch thät, und was solcher Gotteslästerungen mehr wa¬
ren, so er mir nachgehends auch selbsten schriebe, und
wovor ich mich, wie leicht abzunehmen, auf das erschröck¬

*) Schandpfahl.

das Papier. Denn da die Fenſter mit Brettern ver¬
ſpundet waren, ware das Zimmer tunkel und nur ein
wenig Licht kam durch zwei kleine Scheiblein Glas, ſo
ich aus der Kirchen gebrochen, und hineingeſetzet. Sol¬
liches mochte wohl die Urſache ſein, daß ich mich nit
beſſer fürſah. Da ich aber kein neues Stücklein Papier
mehr auftreiben kunnte, ließ ich es paſſiren, und befahle
der Magd, ſo ich mit dem Brieflein gen Pudgla ſandte,
ſolliches bei Sr. Geſtrengen, dem Herrn Ambtshaubtmann
zu entſchuldigen, welches ſie auch zu thun verſprach; an¬
geſehen ich ſelbſten kein Wörtlein mehr auf dem Pa¬
pier beiſetzen kunnte, dieweil alles beſchrieben war. Sie¬
geln thät ich es, wie vorbemeldet.

Allein die arme Perſon kehrete zitternd für Angſt
und weinend zurücke, und ſprach: Seine Geſtrengen hätte
ſie mit dem Fuß aus der Schloßpforten geſtoßen und
gedräuet, ſie in den Ganten *) ſetzen zu laſſen, ſo ſie
wiederumb vor ihn käme. Ob der Pfaffe gläube, daß
ihm das Geld ſo looſe ſäß, wie mir die Tinte, hätte
ja Waſſer genug das Abendmahl zu halten. Denn hätte
Gottes Sohn einmal das Waſſer in Wein gewandelt,
könnt er’s auch öftermalen. Hätt’ ich keinen Kelch ſollt
ich meine Schaaf aus einem Eimer tränken, wie er’s
auch thät, und was ſolcher Gottesläſterungen mehr wa¬
ren, ſo er mir nachgehends auch ſelbſten ſchriebe, und
wovor ich mich, wie leicht abzunehmen, auf das erſchröck¬

*) Schandpfahl.
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[31/0047] das Papier. Denn da die Fenſter mit Brettern ver¬ ſpundet waren, ware das Zimmer tunkel und nur ein wenig Licht kam durch zwei kleine Scheiblein Glas, ſo ich aus der Kirchen gebrochen, und hineingeſetzet. Sol¬ liches mochte wohl die Urſache ſein, daß ich mich nit beſſer fürſah. Da ich aber kein neues Stücklein Papier mehr auftreiben kunnte, ließ ich es paſſiren, und befahle der Magd, ſo ich mit dem Brieflein gen Pudgla ſandte, ſolliches bei Sr. Geſtrengen, dem Herrn Ambtshaubtmann zu entſchuldigen, welches ſie auch zu thun verſprach; an¬ geſehen ich ſelbſten kein Wörtlein mehr auf dem Pa¬ pier beiſetzen kunnte, dieweil alles beſchrieben war. Sie¬ geln thät ich es, wie vorbemeldet. Allein die arme Perſon kehrete zitternd für Angſt und weinend zurücke, und ſprach: Seine Geſtrengen hätte ſie mit dem Fuß aus der Schloßpforten geſtoßen und gedräuet, ſie in den Ganten *) ſetzen zu laſſen, ſo ſie wiederumb vor ihn käme. Ob der Pfaffe gläube, daß ihm das Geld ſo looſe ſäß, wie mir die Tinte, hätte ja Waſſer genug das Abendmahl zu halten. Denn hätte Gottes Sohn einmal das Waſſer in Wein gewandelt, könnt er’s auch öftermalen. Hätt’ ich keinen Kelch ſollt ich meine Schaaf aus einem Eimer tränken, wie er’s auch thät, und was ſolcher Gottesläſterungen mehr wa¬ ren, ſo er mir nachgehends auch ſelbſten ſchriebe, und wovor ich mich, wie leicht abzunehmen, auf das erſchröck¬ *) Schandpfahl.

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/47>, abgerufen am 19.04.2024.