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Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.

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Was das Weib nicht ist, nicht kann und nicht will,
wurde bislang erörtert. Wozu es also überhaupt da ist,
welchen Zweck es hat, wird nun auseinandergesetzt.
Und nun folgt sorgfältig vorbereitet die herrliche Entdeckung,
auf die der Verfasser nicht wenig stolz ist. Nicht etwa selbst
den niedrigsten, den Gattungszweck spricht er der Frau zu,
sondern sie ist nur um der "Kuppelei" willen da! Was er da
vorbringt in endloser Wiederholung und Ausspinnung (das
Buch könne schlechthin auch tausend Seiten haben anstatt
fünfhundert) ist so verworren, verfilzt, mit Ekelhaftem und
Unwahrem vollgestopft, daß man es kaum entwirren kann. Der
Gedanke an die sexuelle Vereinigung irgend eines Paares sei
der dominierende im weiblichen Dasein! Er versteigt sich zu
folgender Behauptung, die ich hier wörtlich zitiere: "Die
Erregung der Mutter am Hochzeitstage der Tochter ist keine
andere als die der Leserin von Prevost oder von Sudermanns
,Katzensteg'." Keine andere?! In der Tat, ein tiefer
Menschenkenner!

Das Weib sei überhaupt vollständig unfrei, denn es
stehe immer unter dem "Bedürfnis (!), vergewaltigt zu werden" (!),
es sei ganz und gar im Banne männlicher Sexualität.
(Es wird dort noch anders ausgedrückt.) Ist nicht,
ohne einen Anwurf daraus machen zu wollen, gerade umgekehrt,
eher der Mann weit abhängiger von der sexuellen


Was das Weib nicht ist, nicht kann und nicht will,
wurde bislang erörtert. Wozu es also überhaupt da ist,
welchen Zweck es hat, wird nun auseinandergesetzt.
Und nun folgt sorgfältig vorbereitet die herrliche Entdeckung,
auf die der Verfasser nicht wenig stolz ist. Nicht etwa selbst
den niedrigsten, den Gattungszweck spricht er der Frau zu,
sondern sie ist nur um der »Kuppelei« willen da! Was er da
vorbringt in endloser Wiederholung und Ausspinnung (das
Buch könne schlechthin auch tausend Seiten haben anstatt
fünfhundert) ist so verworren, verfilzt, mit Ekelhaftem und
Unwahrem vollgestopft, daß man es kaum entwirren kann. Der
Gedanke an die sexuelle Vereinigung irgend eines Paares sei
der dominierende im weiblichen Dasein! Er versteigt sich zu
folgender Behauptung, die ich hier wörtlich zitiere: »Die
Erregung der Mutter am Hochzeitstage der Tochter ist keine
andere als die der Leserin von Prévost oder von Sudermanns
‚Katzensteg‘.« Keine andere?! In der Tat, ein tiefer
Menschenkenner!

Das Weib sei überhaupt vollständig unfrei, denn es
stehe immer unter dem »Bedürfnis (!), vergewaltigt zu werden« (!),
es sei ganz und gar im Banne männlicher Sexualität.
(Es wird dort noch anders ausgedrückt.) Ist nicht,
ohne einen Anwurf daraus machen zu wollen, gerade umgekehrt,
eher der Mann weit abhängiger von der sexuellen

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[47/0053] Was das Weib nicht ist, nicht kann und nicht will, wurde bislang erörtert. Wozu es also überhaupt da ist, welchen Zweck es hat, wird nun auseinandergesetzt. Und nun folgt sorgfältig vorbereitet die herrliche Entdeckung, auf die der Verfasser nicht wenig stolz ist. Nicht etwa selbst den niedrigsten, den Gattungszweck spricht er der Frau zu, sondern sie ist nur um der »Kuppelei« willen da! Was er da vorbringt in endloser Wiederholung und Ausspinnung (das Buch könne schlechthin auch tausend Seiten haben anstatt fünfhundert) ist so verworren, verfilzt, mit Ekelhaftem und Unwahrem vollgestopft, daß man es kaum entwirren kann. Der Gedanke an die sexuelle Vereinigung irgend eines Paares sei der dominierende im weiblichen Dasein! Er versteigt sich zu folgender Behauptung, die ich hier wörtlich zitiere: »Die Erregung der Mutter am Hochzeitstage der Tochter ist keine andere als die der Leserin von Prévost oder von Sudermanns ‚Katzensteg‘.« Keine andere?! In der Tat, ein tiefer Menschenkenner! Das Weib sei überhaupt vollständig unfrei, denn es stehe immer unter dem »Bedürfnis (!), vergewaltigt zu werden« (!), es sei ganz und gar im Banne männlicher Sexualität. (Es wird dort noch anders ausgedrückt.) Ist nicht, ohne einen Anwurf daraus machen zu wollen, gerade umgekehrt, eher der Mann weit abhängiger von der sexuellen

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Zitationshilfe: Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/53>, abgerufen am 19.04.2024.