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Menger, Carl: Die Irrthümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie. Wien, 1884.

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Fünfter Brief.

Sie fragen mich, mein Freund, warum denn
Schmoller eigentlich den selbstverständlichen Satz,
dass die historischen Wissenschaften von der Volks-
wirthschaft (die Geschichte und die Statistik der letztern)
lediglich im Verhältnisse von Hilfswissenschaften zu
der politischen Oekonomie stehen, nicht rückhaltlos
zugebe, sein Bestreben vielmehr dahin gehe, die Grenzen
zwischen den beiden obigen Wissensgebieten nach
Möglichkeit zu verwirren? Die Erklärung hierfür, oder
um mich der edlen Ausdrucksweise Schmoller's zu
bedienen, die Erklärung für seine Abneigung "gegen
die Scheuleder wissenschaftlicher Arbeitstheilung"
liegt ziemlich nahe. Kein Vernünftiger leugnet die
Wichtigkeit historischer Studien für die Forschung
auf dem Gebiete der politischen Oekonomie. Niemand
leugnet auch den Nutzen, welchen die Geschichte der
Volkswirthschaft an sich für das Verständniss der
volkswirthschaftlichen Erscheinungen hat. Indess dies
vermag dem Herausgeber des Berliner Jahrbuches nicht
zu genügen. Er will seine historisch-statistische Klein-
malerei weiter betreiben, und doch die Prätension nicht

Fünfter Brief.

Sie fragen mich, mein Freund, warum denn
Schmoller eigentlich den selbstverständlichen Satz,
dass die historischen Wissenschaften von der Volks-
wirthschaft (die Geschichte und die Statistik der letztern)
lediglich im Verhältnisse von Hilfswissenschaften zu
der politischen Oekonomie stehen, nicht rückhaltlos
zugebe, sein Bestreben vielmehr dahin gehe, die Grenzen
zwischen den beiden obigen Wissensgebieten nach
Möglichkeit zu verwirren? Die Erklärung hierfür, oder
um mich der edlen Ausdrucksweise Schmoller’s zu
bedienen, die Erklärung für seine Abneigung „gegen
die Scheuleder wissenschaftlicher Arbeitstheilung“
liegt ziemlich nahe. Kein Vernünftiger leugnet die
Wichtigkeit historischer Studien für die Forschung
auf dem Gebiete der politischen Oekonomie. Niemand
leugnet auch den Nutzen, welchen die Geschichte der
Volkswirthschaft an sich für das Verständniss der
volkswirthschaftlichen Erscheinungen hat. Indess dies
vermag dem Herausgeber des Berliner Jahrbuches nicht
zu genügen. Er will seine historisch-statistische Klein-
malerei weiter betreiben, und doch die Prätension nicht

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[[26]/0042] Fünfter Brief. Sie fragen mich, mein Freund, warum denn Schmoller eigentlich den selbstverständlichen Satz, dass die historischen Wissenschaften von der Volks- wirthschaft (die Geschichte und die Statistik der letztern) lediglich im Verhältnisse von Hilfswissenschaften zu der politischen Oekonomie stehen, nicht rückhaltlos zugebe, sein Bestreben vielmehr dahin gehe, die Grenzen zwischen den beiden obigen Wissensgebieten nach Möglichkeit zu verwirren? Die Erklärung hierfür, oder um mich der edlen Ausdrucksweise Schmoller’s zu bedienen, die Erklärung für seine Abneigung „gegen die Scheuleder wissenschaftlicher Arbeitstheilung“ liegt ziemlich nahe. Kein Vernünftiger leugnet die Wichtigkeit historischer Studien für die Forschung auf dem Gebiete der politischen Oekonomie. Niemand leugnet auch den Nutzen, welchen die Geschichte der Volkswirthschaft an sich für das Verständniss der volkswirthschaftlichen Erscheinungen hat. Indess dies vermag dem Herausgeber des Berliner Jahrbuches nicht zu genügen. Er will seine historisch-statistische Klein- malerei weiter betreiben, und doch die Prätension nicht

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Die Irrthümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie. Wien, 1884, S. [26]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_historismus_1884/42>, abgerufen am 28.03.2024.