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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Der menschliche Bedarf.
wo über das Bedürfniss nach einem Gute kein Zweifel obwaltet
und nur ungewiss ist, in welchem Masse sich dasselbe geltend
machen werde, denn auch in diesem Falle halten die Menschen,
und zwar mit Recht, ihren Bedarf erst dann für vollständig ge-
deckt, wenn sie über die für alle voraussichtlichen Fälle ausrei-
chenden Güterquantitäten zu verfügen vermögen.

Ein weiterer Umstand, der hier erwogen werden muss, ist
die Entwicklungsfähigkeit der menschlichen Bedürfnisse.
Sind nämlich die Bedürfnisse der Menschen entwicklungsfähig
und, wie bisweilen bemerkt wird, sogar in's Unendliche entwick-
lungsfähig, so könnte es scheinen, als ob dadurch die Grenzen
der zu ihrer Befriedigung nöthigen Güterquantitäten fortwährend,
ja sogar bis in's völlig Unbestimmte ausgedehnt und demnach
jede Voraussicht der Menschen in Bezug auf ihren Bedarf gänz-
lich unmöglich gemacht würde.

Was nun zunächst die unendliche Entwicklungsfähigkeit
der menschlichen Bedürfnisse betrifft, so scheint mir hier der
Begriff der Unendlichkeit nur auf den unbegrenzten Fortschritt
der Entwickelung menschlicher Bedürfnisse anwendbar, nicht
aber auf die zur Befriedigung derselben innerhalb eines be-
stimmten Zeitraumes erforderlichen Güterquantitäten. Zugegeben,
die Reihe sei eine unendliche, so ist doch jedes einzelne
Glied dieser Reihe ein endliches. Mögen die menschlichen
Bedürfnisse auch in den entferntesten Zeiträumen in ihrer Ent-
wickelung nicht gehemmt gedacht werden, so sind sie doch für
alle gegebenen und insbesondere für die in der Wirthschaft der
Menschen practisch in Betracht kommenden Zeiträume quan-
titativ bestimmbar. Selbst unter der Annahme eines ununter-
brochenen Fortschrittes in der Entwickelung menschlicher Be-
dürfnisse, haben wir es demnach, wofern wir nur bestimmte
Zeiträume in's Auge fassen, mit endlichen und niemals mit un-
endlichen und deshalb völlig unbestimmbaren Grössen zu thun.

Wenn wir die Menschen bei der auf die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse in kommenden Zeiträumen gerichteten vor-
sorglichen Thätigkeit beobachten, können wir denn auch leicht
wahrnehmen, dass sie, fern davon die Entwickelungsfähig-
keit ihrer Bedürfnisse ausser Acht zu lassen, vielmehr auf
das Eifrigste bemüht sind, dieser letzteren Rechnung zu tragen.

Der menschliche Bedarf.
wo über das Bedürfniss nach einem Gute kein Zweifel obwaltet
und nur ungewiss ist, in welchem Masse sich dasselbe geltend
machen werde, denn auch in diesem Falle halten die Menschen,
und zwar mit Recht, ihren Bedarf erst dann für vollständig ge-
deckt, wenn sie über die für alle voraussichtlichen Fälle ausrei-
chenden Güterquantitäten zu verfügen vermögen.

Ein weiterer Umstand, der hier erwogen werden muss, ist
die Entwicklungsfähigkeit der menschlichen Bedürfnisse.
Sind nämlich die Bedürfnisse der Menschen entwicklungsfähig
und, wie bisweilen bemerkt wird, sogar in’s Unendliche entwick-
lungsfähig, so könnte es scheinen, als ob dadurch die Grenzen
der zu ihrer Befriedigung nöthigen Güterquantitäten fortwährend,
ja sogar bis in’s völlig Unbestimmte ausgedehnt und demnach
jede Voraussicht der Menschen in Bezug auf ihren Bedarf gänz-
lich unmöglich gemacht würde.

Was nun zunächst die unendliche Entwicklungsfähigkeit
der menschlichen Bedürfnisse betrifft, so scheint mir hier der
Begriff der Unendlichkeit nur auf den unbegrenzten Fortschritt
der Entwickelung menschlicher Bedürfnisse anwendbar, nicht
aber auf die zur Befriedigung derselben innerhalb eines be-
stimmten Zeitraumes erforderlichen Güterquantitäten. Zugegeben,
die Reihe sei eine unendliche, so ist doch jedes einzelne
Glied dieser Reihe ein endliches. Mögen die menschlichen
Bedürfnisse auch in den entferntesten Zeiträumen in ihrer Ent-
wickelung nicht gehemmt gedacht werden, so sind sie doch für
alle gegebenen und insbesondere für die in der Wirthschaft der
Menschen practisch in Betracht kommenden Zeiträume quan-
titativ bestimmbar. Selbst unter der Annahme eines ununter-
brochenen Fortschrittes in der Entwickelung menschlicher Be-
dürfnisse, haben wir es demnach, wofern wir nur bestimmte
Zeiträume in’s Auge fassen, mit endlichen und niemals mit un-
endlichen und deshalb völlig unbestimmbaren Grössen zu thun.

Wenn wir die Menschen bei der auf die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse in kommenden Zeiträumen gerichteten vor-
sorglichen Thätigkeit beobachten, können wir denn auch leicht
wahrnehmen, dass sie, fern davon die Entwickelungsfähig-
keit ihrer Bedürfnisse ausser Acht zu lassen, vielmehr auf
das Eifrigste bemüht sind, dieser letzteren Rechnung zu tragen.

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[38/0056] Der menschliche Bedarf. wo über das Bedürfniss nach einem Gute kein Zweifel obwaltet und nur ungewiss ist, in welchem Masse sich dasselbe geltend machen werde, denn auch in diesem Falle halten die Menschen, und zwar mit Recht, ihren Bedarf erst dann für vollständig ge- deckt, wenn sie über die für alle voraussichtlichen Fälle ausrei- chenden Güterquantitäten zu verfügen vermögen. Ein weiterer Umstand, der hier erwogen werden muss, ist die Entwicklungsfähigkeit der menschlichen Bedürfnisse. Sind nämlich die Bedürfnisse der Menschen entwicklungsfähig und, wie bisweilen bemerkt wird, sogar in’s Unendliche entwick- lungsfähig, so könnte es scheinen, als ob dadurch die Grenzen der zu ihrer Befriedigung nöthigen Güterquantitäten fortwährend, ja sogar bis in’s völlig Unbestimmte ausgedehnt und demnach jede Voraussicht der Menschen in Bezug auf ihren Bedarf gänz- lich unmöglich gemacht würde. Was nun zunächst die unendliche Entwicklungsfähigkeit der menschlichen Bedürfnisse betrifft, so scheint mir hier der Begriff der Unendlichkeit nur auf den unbegrenzten Fortschritt der Entwickelung menschlicher Bedürfnisse anwendbar, nicht aber auf die zur Befriedigung derselben innerhalb eines be- stimmten Zeitraumes erforderlichen Güterquantitäten. Zugegeben, die Reihe sei eine unendliche, so ist doch jedes einzelne Glied dieser Reihe ein endliches. Mögen die menschlichen Bedürfnisse auch in den entferntesten Zeiträumen in ihrer Ent- wickelung nicht gehemmt gedacht werden, so sind sie doch für alle gegebenen und insbesondere für die in der Wirthschaft der Menschen practisch in Betracht kommenden Zeiträume quan- titativ bestimmbar. Selbst unter der Annahme eines ununter- brochenen Fortschrittes in der Entwickelung menschlicher Be- dürfnisse, haben wir es demnach, wofern wir nur bestimmte Zeiträume in’s Auge fassen, mit endlichen und niemals mit un- endlichen und deshalb völlig unbestimmbaren Grössen zu thun. Wenn wir die Menschen bei der auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse in kommenden Zeiträumen gerichteten vor- sorglichen Thätigkeit beobachten, können wir denn auch leicht wahrnehmen, dass sie, fern davon die Entwickelungsfähig- keit ihrer Bedürfnisse ausser Acht zu lassen, vielmehr auf das Eifrigste bemüht sind, dieser letzteren Rechnung zu tragen.

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/56>, abgerufen am 29.03.2024.