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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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Kritik.

Wir werfen den Blick zuletzt auf die kritische
Literatur, deren zunehmende Masse uns in Erstaunen
setzt und uns hinlänglich darthut, welchen Einfluß sie
auf das Ganze der Literatur behauptet. Die echte
Kritik hat ein eben so nothwendiges als edles Ge¬
schäft zu verwalten. Wie das Denken durch Überle¬
gen, so wird die Literatur durch Kritik fortgepflanzt.
Jedes neue Buch begründet das Recht seines Da¬
seyns nur auf die Kritik seiner Vorgänger. Am Fa¬
den der Kritik wächst und reift ein Geschlecht über
das andre hinaus, und es wird in Einem fort mit
der einen Hand gestritten, mit der andern gebaut,
wie am Tempel zu Jerusalem.

Die Kritik ist, sofern sie einzelne Wissenschaften
betrifft, auch ein integrirender Theil der Literatur
derselben. Darüber hinaus aber sind kritische Über¬
blicke über die gesammte Literatur nothwendig gewor¬
den, und dies Bedürfniß hat sich an das der litera¬
rischen Anzeigen überhaupt auf die natürlichste Weise

Kritik.

Wir werfen den Blick zuletzt auf die kritiſche
Literatur, deren zunehmende Maſſe uns in Erſtaunen
ſetzt und uns hinlaͤnglich darthut, welchen Einfluß ſie
auf das Ganze der Literatur behauptet. Die echte
Kritik hat ein eben ſo nothwendiges als edles Ge¬
ſchaͤft zu verwalten. Wie das Denken durch Überle¬
gen, ſo wird die Literatur durch Kritik fortgepflanzt.
Jedes neue Buch begruͤndet das Recht ſeines Da¬
ſeyns nur auf die Kritik ſeiner Vorgaͤnger. Am Fa¬
den der Kritik waͤchſt und reift ein Geſchlecht uͤber
das andre hinaus, und es wird in Einem fort mit
der einen Hand geſtritten, mit der andern gebaut,
wie am Tempel zu Jeruſalem.

Die Kritik iſt, ſofern ſie einzelne Wiſſenſchaften
betrifft, auch ein integrirender Theil der Literatur
derſelben. Daruͤber hinaus aber ſind kritiſche Über¬
blicke uͤber die geſammte Literatur nothwendig gewor¬
den, und dies Beduͤrfniß hat ſich an das der litera¬
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[290/0300] Kritik. Wir werfen den Blick zuletzt auf die kritiſche Literatur, deren zunehmende Maſſe uns in Erſtaunen ſetzt und uns hinlaͤnglich darthut, welchen Einfluß ſie auf das Ganze der Literatur behauptet. Die echte Kritik hat ein eben ſo nothwendiges als edles Ge¬ ſchaͤft zu verwalten. Wie das Denken durch Überle¬ gen, ſo wird die Literatur durch Kritik fortgepflanzt. Jedes neue Buch begruͤndet das Recht ſeines Da¬ ſeyns nur auf die Kritik ſeiner Vorgaͤnger. Am Fa¬ den der Kritik waͤchſt und reift ein Geſchlecht uͤber das andre hinaus, und es wird in Einem fort mit der einen Hand geſtritten, mit der andern gebaut, wie am Tempel zu Jeruſalem. Die Kritik iſt, ſofern ſie einzelne Wiſſenſchaften betrifft, auch ein integrirender Theil der Literatur derſelben. Daruͤber hinaus aber ſind kritiſche Über¬ blicke uͤber die geſammte Literatur nothwendig gewor¬ den, und dies Beduͤrfniß hat ſich an das der litera¬ riſchen Anzeigen uͤberhaupt auf die natuͤrlichſte Weiſe

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/300>, abgerufen am 19.04.2024.