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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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werden im höchsten Grade angespornt, eine Lehre
weiter zu entwickeln, von der kaum etwas mehr, als
eine erste Formel vorhanden ist. Daher hat Schel¬
ling's einfaches Wort die Geister der Nation nicht
eingeschläfert und mit süßen spielenden Träumen er¬
götzt, gleich so manchem andern Philosophem, son¬
dern zur lebendigsten Thätigkeit aufgeweckt, und es
hat sich ihm aus den geistreichsten Männern der Na¬
tion eine Schule gebildet, wie sie noch kein Philo¬
soph gefunden hat. Von dem Einfluß seiner Lehre
auf das deutsche Leben überhaupt ist schon oben die
Rede gewesen. Hier will ich nur noch Einiges von
dem erwähnen, was feine Schüler im Sinn seines
Systems für die Naturwissenschaft geleistet.

In der Richtung, die in die Tiefe der Natur¬
einheit führt, haben Görres und Steffens die Lehre
Schelling's weiter als dieser selbst geführt. In der
scharfen und consequenten Durchführung des einfachen
Gegensatzes, als eines solchen, hat Wagner das
größte Verdienst errungen. Oken aber hat im weite¬
sten Umfang die an dem Gegensatz ablaufenden Gra¬
dationen in der unendlichen Mannigfaltigkeit der Na¬
tur nachgewiesen. Gehn wir mehr aufs Einzelne, so
offenbart sich erst in dem was geleistet ist, die uner¬
schöpfliche Fülle dessen, was noch zu leisten übrig ist.
Jeder Schüler Schelling's ist im Grunde nur von
einer, oder doch nur von wenigen einzelnen Theilen
der Naturwissenschaft ausgegangen, worin er haupt¬
sächlich bewandert war, und hat von dort aus die

werden im hoͤchſten Grade angeſpornt, eine Lehre
weiter zu entwickeln, von der kaum etwas mehr, als
eine erſte Formel vorhanden iſt. Daher hat Schel¬
ling's einfaches Wort die Geiſter der Nation nicht
eingeſchlaͤfert und mit ſuͤßen ſpielenden Traͤumen er¬
goͤtzt, gleich ſo manchem andern Philoſophem, ſon¬
dern zur lebendigſten Thaͤtigkeit aufgeweckt, und es
hat ſich ihm aus den geiſtreichſten Maͤnnern der Na¬
tion eine Schule gebildet, wie ſie noch kein Philo¬
ſoph gefunden hat. Von dem Einfluß ſeiner Lehre
auf das deutſche Leben uͤberhaupt iſt ſchon oben die
Rede geweſen. Hier will ich nur noch Einiges von
dem erwaͤhnen, was feine Schuͤler im Sinn ſeines
Syſtems fuͤr die Naturwiſſenſchaft geleiſtet.

In der Richtung, die in die Tiefe der Natur¬
einheit fuͤhrt, haben Goͤrres und Steffens die Lehre
Schelling's weiter als dieſer ſelbſt gefuͤhrt. In der
ſcharfen und conſequenten Durchfuͤhrung des einfachen
Gegenſatzes, als eines ſolchen, hat Wagner das
groͤßte Verdienſt errungen. Oken aber hat im weite¬
ſten Umfang die an dem Gegenſatz ablaufenden Gra¬
dationen in der unendlichen Mannigfaltigkeit der Na¬
tur nachgewieſen. Gehn wir mehr aufs Einzelne, ſo
offenbart ſich erſt in dem was geleiſtet iſt, die uner¬
ſchoͤpfliche Fuͤlle deſſen, was noch zu leiſten uͤbrig iſt.
Jeder Schuͤler Schelling's iſt im Grunde nur von
einer, oder doch nur von wenigen einzelnen Theilen
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[17/0027] werden im hoͤchſten Grade angeſpornt, eine Lehre weiter zu entwickeln, von der kaum etwas mehr, als eine erſte Formel vorhanden iſt. Daher hat Schel¬ ling's einfaches Wort die Geiſter der Nation nicht eingeſchlaͤfert und mit ſuͤßen ſpielenden Traͤumen er¬ goͤtzt, gleich ſo manchem andern Philoſophem, ſon¬ dern zur lebendigſten Thaͤtigkeit aufgeweckt, und es hat ſich ihm aus den geiſtreichſten Maͤnnern der Na¬ tion eine Schule gebildet, wie ſie noch kein Philo¬ ſoph gefunden hat. Von dem Einfluß ſeiner Lehre auf das deutſche Leben uͤberhaupt iſt ſchon oben die Rede geweſen. Hier will ich nur noch Einiges von dem erwaͤhnen, was feine Schuͤler im Sinn ſeines Syſtems fuͤr die Naturwiſſenſchaft geleiſtet. In der Richtung, die in die Tiefe der Natur¬ einheit fuͤhrt, haben Goͤrres und Steffens die Lehre Schelling's weiter als dieſer ſelbſt gefuͤhrt. In der ſcharfen und conſequenten Durchfuͤhrung des einfachen Gegenſatzes, als eines ſolchen, hat Wagner das groͤßte Verdienſt errungen. Oken aber hat im weite¬ ſten Umfang die an dem Gegenſatz ablaufenden Gra¬ dationen in der unendlichen Mannigfaltigkeit der Na¬ tur nachgewieſen. Gehn wir mehr aufs Einzelne, ſo offenbart ſich erſt in dem was geleiſtet iſt, die uner¬ ſchoͤpfliche Fuͤlle deſſen, was noch zu leiſten uͤbrig iſt. Jeder Schuͤler Schelling's iſt im Grunde nur von einer, oder doch nur von wenigen einzelnen Theilen der Naturwiſſenſchaft ausgegangen, worin er haupt¬ ſaͤchlich bewandert war, und hat von dort aus die

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/27>, abgerufen am 28.03.2024.