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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Die Gedanken des Königs Ren e .
Der fromme Lautenschläger Herr Rene
Trug braune Locken -- sie sind weiß wie Schnee.
An seiner Stirn verglomm der Kronen Glanz,
Da haftet nichts als nur ein Lorbeerkranz.
Schloß Tarascon -- er bietet's zum Verkauf --
Dran spritzt die blaue Rhone scherzend auf,
Von hoher Warte wandert rings der Blick
Der König wägt als Denker sein Geschick:
"S'ist eigen daß man immer mich vertreibt!
S'ist eigen daß mir nichts in Händen bleibt!
Lothringen erbt' ich, wo die Trift sich sonnt,
Das nahm mir weg Anton von Vaudemont.
Dann erbt' ich flugs das Fürstenthum Anjou
Und noch das nette Ländlein Bar dazu --
Herr König Ludwig trat in mein Gelaß
Als Gast und schrieb mir meinen Wanderpaß.
Reich Napel war's, das dann zu Erb mir fiel,
Dort mischte sich der Aragon ins Spiel --
Das schöne Napel! Richtig werd' ich schlemm!
Mir bleibt das himmlische Jerusalem!
Da schimmert unvergänglich Dach und Fach --
Ich erb' es schon. Das Erben ist mein Sach!
Doch geht mein Sach, wie hier, so droben dort,
Jagt aus dem Himmel mich der Teufel fort."

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Die Gedanken des Königs Ren é .
Der fromme Lautenſchläger Herr René
Trug braune Locken — ſie ſind weiß wie Schnee.
An ſeiner Stirn verglomm der Kronen Glanz,
Da haftet nichts als nur ein Lorbeerkranz.
Schloß Tarascon — er bietet's zum Verkauf —
Dran ſpritzt die blaue Rhone ſcherzend auf,
Von hoher Warte wandert rings der Blick
Der König wägt als Denker ſein Geſchick:
„S'iſt eigen daß man immer mich vertreibt!
S'iſt eigen daß mir nichts in Händen bleibt!
Lothringen erbt' ich, wo die Trift ſich ſonnt,
Das nahm mir weg Anton von Vaudemont.
Dann erbt' ich flugs das Fürſtenthum Anjou
Und noch das nette Ländlein Bar dazu —
Herr König Ludwig trat in mein Gelaß
Als Gaſt und ſchrieb mir meinen Wanderpaß.
Reich Napel war's, das dann zu Erb mir fiel,
Dort miſchte ſich der Aragon ins Spiel —
Das ſchöne Napel! Richtig werd' ich ſchlemm!
Mir bleibt das himmliſche Jeruſalem!
Da ſchimmert unvergänglich Dach und Fach —
Ich erb' es ſchon. Das Erben iſt mein Sach!
Doch geht mein Sach, wie hier, ſo droben dort,
Jagt aus dem Himmel mich der Teufel fort.“

16*
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[243/0257] Die Gedanken des Königs Ren é . Der fromme Lautenſchläger Herr René Trug braune Locken — ſie ſind weiß wie Schnee. An ſeiner Stirn verglomm der Kronen Glanz, Da haftet nichts als nur ein Lorbeerkranz. Schloß Tarascon — er bietet's zum Verkauf — Dran ſpritzt die blaue Rhone ſcherzend auf, Von hoher Warte wandert rings der Blick Der König wägt als Denker ſein Geſchick: „S'iſt eigen daß man immer mich vertreibt! S'iſt eigen daß mir nichts in Händen bleibt! Lothringen erbt' ich, wo die Trift ſich ſonnt, Das nahm mir weg Anton von Vaudemont. Dann erbt' ich flugs das Fürſtenthum Anjou Und noch das nette Ländlein Bar dazu — Herr König Ludwig trat in mein Gelaß Als Gaſt und ſchrieb mir meinen Wanderpaß. Reich Napel war's, das dann zu Erb mir fiel, Dort miſchte ſich der Aragon ins Spiel — Das ſchöne Napel! Richtig werd' ich ſchlemm! Mir bleibt das himmliſche Jeruſalem! Da ſchimmert unvergänglich Dach und Fach — Ich erb' es ſchon. Das Erben iſt mein Sach! Doch geht mein Sach, wie hier, ſo droben dort, Jagt aus dem Himmel mich der Teufel fort.“ 16*

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/257>, abgerufen am 29.03.2024.