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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Der Rappe des Comturs.
Herr Konrad Schmid legt' um die Wehr,
Man führt' ihm seinen Rappen her:
"Den Zwingli laß ich nicht im Stich,
Und kommt ihr mit, so freut es mich."
Da griffen mit dem Herren wert
Von Küsnach dreißig frisch zum Schwert:
Mit Mann und Roß im Morgenrot
Stieß ab das kriegbeladne Boot.
Träg schlich der Tag; dann durch die Nacht
Flog Kunde von verlorner Schlacht.
Von drüben rief der Horgnerthurm,
Bald stöhnten alle Glocken Sturm,
Und was geblieben war zu Haus,
Das stand am See, lugt' angstvoll aus.
Am Himmel kämpfte lichter Schein
Mit schwarz geballten Wolkenreihn.
"Hilf Gott, ein Nachtgespenst!" Sie sahn
Es drohend durch die Fluten nahn.
Wo breit des Mondes Silber floß,
Da rang und rauscht' ein mächtig Roß
Und wilder schnaubt's und näher fuhr's ...
"Hilf Gott, der Rappe des Comturs!"
Nun trat das Schlachtroß festen Grund,
Die bleiche Menge stand im Rund.
Zur Erde starrt' sein Augenstern,
Als sucht' es dort den todten Herrn ...
Ein Knabe hub dem edeln Thier
20*
Der Rappe des Comturs.
Herr Konrad Schmid legt' um die Wehr,
Man führt' ihm ſeinen Rappen her:
„Den Zwingli laß ich nicht im Stich,
Und kommt ihr mit, ſo freut es mich.“
Da griffen mit dem Herren wert
Von Küsnach dreißig friſch zum Schwert:
Mit Mann und Roß im Morgenrot
Stieß ab das kriegbeladne Boot.
Träg ſchlich der Tag; dann durch die Nacht
Flog Kunde von verlorner Schlacht.
Von drüben rief der Horgnerthurm,
Bald ſtöhnten alle Glocken Sturm,
Und was geblieben war zu Haus,
Das ſtand am See, lugt' angſtvoll aus.
Am Himmel kämpfte lichter Schein
Mit ſchwarz geballten Wolkenreihn.
„Hilf Gott, ein Nachtgeſpenſt!“ Sie ſahn
Es drohend durch die Fluten nahn.
Wo breit des Mondes Silber floß,
Da rang und rauſcht' ein mächtig Roß
Und wilder ſchnaubt's und näher fuhr's ...
„Hilf Gott, der Rappe des Comturs!“
Nun trat das Schlachtroß feſten Grund,
Die bleiche Menge ſtand im Rund.
Zur Erde ſtarrt' ſein Augenſtern,
Als ſucht' es dort den todten Herrn ...
Ein Knabe hub dem edeln Thier
20*
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[307/0321] Der Rappe des Comturs. Herr Konrad Schmid legt' um die Wehr, Man führt' ihm ſeinen Rappen her: „Den Zwingli laß ich nicht im Stich, Und kommt ihr mit, ſo freut es mich.“ Da griffen mit dem Herren wert Von Küsnach dreißig friſch zum Schwert: Mit Mann und Roß im Morgenrot Stieß ab das kriegbeladne Boot. Träg ſchlich der Tag; dann durch die Nacht Flog Kunde von verlorner Schlacht. Von drüben rief der Horgnerthurm, Bald ſtöhnten alle Glocken Sturm, Und was geblieben war zu Haus, Das ſtand am See, lugt' angſtvoll aus. Am Himmel kämpfte lichter Schein Mit ſchwarz geballten Wolkenreihn. „Hilf Gott, ein Nachtgeſpenſt!“ Sie ſahn Es drohend durch die Fluten nahn. Wo breit des Mondes Silber floß, Da rang und rauſcht' ein mächtig Roß Und wilder ſchnaubt's und näher fuhr's ... „Hilf Gott, der Rappe des Comturs!“ Nun trat das Schlachtroß feſten Grund, Die bleiche Menge ſtand im Rund. Zur Erde ſtarrt' ſein Augenſtern, Als ſucht' es dort den todten Herrn ... Ein Knabe hub dem edeln Thier 20*

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/321>, abgerufen am 28.03.2024.