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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Der sterbende Cromwell.
Vor der Königsburg in nächt'ger Stunde
Knickt der Tod die Eichen in die Runde,
Drinnen sucht er dann ein zäher Leben
Aus den Wurzeln allgemach zu heben --
Whitehall ist Cromwell's Sterbestätte,
Ein Waldenser kniet an seinem Bette!
"Herr, ich komm', ein Kind des welschen Thales,
Wo Du bist der Schutzgott jedes Mahles,
Unsern Dank auf Deine Knie zu legen,
Leben, Cromwell, mußt Du unsertwegen!
Rom befehdet uns mit seinen Pfaffen,
Unser Herzog rüstet frevle Waffen
Gegen unser Thal, den lautern Glauben
Will er oder uns das Leben rauben!
Doch Du sahst in Deinen Schmerzensnächten
Uns gefoltert schon von Henkersknechten
Und Du hobest Dich in Fieberschwüle
Auf den Arm gestützt empor vom Pfühle
Und Du drohtest über Meer gewendet,
Pfaffen, Henker blieben ungesendet --
Wenn wir, Cromwell, Deine Söhne wären,
Herber könnten wir Dich nicht entbehren!
Deine bangen Athemzüge geben
Uns den Odem, fristen uns das Leben.
Dennoch -- Wie Du leidest, Herr -- unsäglich --
Deine Qualen werden unerträglich? --
Dennoch -- ob uns Hartes sei beschieden --
Friedestifter, fahre hin in Frieden!"

Der ſterbende Cromwell.
Vor der Königsburg in nächt'ger Stunde
Knickt der Tod die Eichen in die Runde,
Drinnen ſucht er dann ein zäher Leben
Aus den Wurzeln allgemach zu heben —
Whitehall iſt Cromwell's Sterbeſtätte,
Ein Waldenſer kniet an ſeinem Bette!
„Herr, ich komm', ein Kind des welſchen Thales,
Wo Du biſt der Schutzgott jedes Mahles,
Unſern Dank auf Deine Knie zu legen,
Leben, Cromwell, mußt Du unſertwegen!
Rom befehdet uns mit ſeinen Pfaffen,
Unſer Herzog rüſtet frevle Waffen
Gegen unſer Thal, den lautern Glauben
Will er oder uns das Leben rauben!
Doch Du ſahſt in Deinen Schmerzensnächten
Uns gefoltert ſchon von Henkersknechten
Und Du hobeſt Dich in Fieberſchwüle
Auf den Arm geſtützt empor vom Pfühle
Und Du drohteſt über Meer gewendet,
Pfaffen, Henker blieben ungeſendet —
Wenn wir, Cromwell, Deine Söhne wären,
Herber könnten wir Dich nicht entbehren!
Deine bangen Athemzüge geben
Uns den Odem, friſten uns das Leben.
Dennoch — Wie Du leideſt, Herr — unſäglich —
Deine Qualen werden unerträglich? —
Dennoch — ob uns Hartes ſei beſchieden —
Friedeſtifter, fahre hin in Frieden!“

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[331/0345] Der ſterbende Cromwell. Vor der Königsburg in nächt'ger Stunde Knickt der Tod die Eichen in die Runde, Drinnen ſucht er dann ein zäher Leben Aus den Wurzeln allgemach zu heben — Whitehall iſt Cromwell's Sterbeſtätte, Ein Waldenſer kniet an ſeinem Bette! „Herr, ich komm', ein Kind des welſchen Thales, Wo Du biſt der Schutzgott jedes Mahles, Unſern Dank auf Deine Knie zu legen, Leben, Cromwell, mußt Du unſertwegen! Rom befehdet uns mit ſeinen Pfaffen, Unſer Herzog rüſtet frevle Waffen Gegen unſer Thal, den lautern Glauben Will er oder uns das Leben rauben! Doch Du ſahſt in Deinen Schmerzensnächten Uns gefoltert ſchon von Henkersknechten Und Du hobeſt Dich in Fieberſchwüle Auf den Arm geſtützt empor vom Pfühle Und Du drohteſt über Meer gewendet, Pfaffen, Henker blieben ungeſendet — Wenn wir, Cromwell, Deine Söhne wären, Herber könnten wir Dich nicht entbehren! Deine bangen Athemzüge geben Uns den Odem, friſten uns das Leben. Dennoch — Wie Du leideſt, Herr — unſäglich — Deine Qualen werden unerträglich? — Dennoch — ob uns Hartes ſei beſchieden — Friedeſtifter, fahre hin in Frieden!“

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/345>, abgerufen am 28.03.2024.