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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Die Schlittschuhe.
"Hör', Ohm! In deiner Trödelkammer hangt
Ein Schlittschuhpaar, danach mein Herz verlangt!
Von London hast du einst es heimgebracht,
Zwar ist es nicht nach neu'ster Art gemacht,
Doch damaszirt, verteufelt elegant!
Dir rostet ungebraucht es an der Wand,
Du gibst es mir!" Hier, Junge, hast du Geld,
Kauf dir ein schmuckes Paar, wie dir's gefällt!
"Ach was! Die damaszirten will ich, deine:
Du läufst ja nimmer auf dem Eis, ich meine?"
Der liebe Quälgeist läßt mir keine Ruh,
Er zieht mich der verscholl'nen Stube zu;
Da lehnen Masken, Klingen, kreuz und quer
An Bayle's staubbedecktem Dictionär,
Und seine Beute schon erblickt der Knabe
In dunkelm Winkel hinter einer Truhe:
"Da sind sie!" Ich betrachte meine Habe,
Die Jugendschwingen, die gestählten Schuhe!
Mir um die Schläfen zieht ein leiser Traum ...
"Du gibst sie mir!" ... In ihrem blonden Haar,
Dem aufgewehten, wie sie lieblich war,
Der Wangen edel Blaß geröthet kaum! ...
Die Schlittſchuhe.
„Hör', Ohm! In deiner Trödelkammer hangt
Ein Schlittſchuhpaar, danach mein Herz verlangt!
Von London haſt du einſt es heimgebracht,
Zwar iſt es nicht nach neu'ſter Art gemacht,
Doch damaszirt, verteufelt elegant!
Dir roſtet ungebraucht es an der Wand,
Du gibſt es mir!“ Hier, Junge, haſt du Geld,
Kauf dir ein ſchmuckes Paar, wie dir's gefällt!
„Ach was! Die damaszirten will ich, deine:
Du läufſt ja nimmer auf dem Eis, ich meine?“
Der liebe Quälgeiſt läßt mir keine Ruh,
Er zieht mich der verſcholl'nen Stube zu;
Da lehnen Masken, Klingen, kreuz und quer
An Bayle's ſtaubbedecktem Dictionär,
Und ſeine Beute ſchon erblickt der Knabe
In dunkelm Winkel hinter einer Truhe:
„Da ſind ſie!“ Ich betrachte meine Habe,
Die Jugendſchwingen, die geſtählten Schuhe!
Mir um die Schläfen zieht ein leiſer Traum ...
„Du gibſt ſie mir!“ ... In ihrem blonden Haar,
Dem aufgewehten, wie ſie lieblich war,
Der Wangen edel Blaß geröthet kaum! ...
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[62/0076] Die Schlittſchuhe. „Hör', Ohm! In deiner Trödelkammer hangt Ein Schlittſchuhpaar, danach mein Herz verlangt! Von London haſt du einſt es heimgebracht, Zwar iſt es nicht nach neu'ſter Art gemacht, Doch damaszirt, verteufelt elegant! Dir roſtet ungebraucht es an der Wand, Du gibſt es mir!“ Hier, Junge, haſt du Geld, Kauf dir ein ſchmuckes Paar, wie dir's gefällt! „Ach was! Die damaszirten will ich, deine: Du läufſt ja nimmer auf dem Eis, ich meine?“ Der liebe Quälgeiſt läßt mir keine Ruh, Er zieht mich der verſcholl'nen Stube zu; Da lehnen Masken, Klingen, kreuz und quer An Bayle's ſtaubbedecktem Dictionär, Und ſeine Beute ſchon erblickt der Knabe In dunkelm Winkel hinter einer Truhe: „Da ſind ſie!“ Ich betrachte meine Habe, Die Jugendſchwingen, die geſtählten Schuhe! Mir um die Schläfen zieht ein leiſer Traum ... „Du gibſt ſie mir!“ ... In ihrem blonden Haar, Dem aufgewehten, wie ſie lieblich war, Der Wangen edel Blaß geröthet kaum! ...

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/76>, abgerufen am 24.04.2024.