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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Die erhabne Stirn und Braue
Träumt den Zug ins Inderland,
Lauschend liest den Traum das schlaue
Kind, den Blick emporgewandt:
"Bacchus bist du, der belaubte,
Mit dem schwärmerischen Haupte,
Der ins Land der Sonne zieht!
Ohne Heer kannst du bezwingen,
Nur den Thyrsus darfst du schwingen,
Winke nur und Indien kniet!"
Finster grollt der tapfre Streiter:
"Durch der Wüste heißen Sand?
Immer ferner, immer weiter?
Nach des Indus Fabelstrand?
Siegst du mit der Wimper Winken,
Warum fechten wir und sinken
Wir für dich? Zum Schein und Spott?
Lebende kannst du belohnen,
Deine todten Macedonen,
Wecke sie, bist du ein Gott!"
Die erhabne Stirn und Braue
Träumt den Zug ins Inderland,
Lauſchend lieſt den Traum das ſchlaue
Kind, den Blick emporgewandt:
„Bacchus biſt du, der belaubte,
Mit dem ſchwärmeriſchen Haupte,
Der ins Land der Sonne zieht!
Ohne Heer kannſt du bezwingen,
Nur den Thyrſus darfſt du ſchwingen,
Winke nur und Indien kniet!“
Finſter grollt der tapfre Streiter:
„Durch der Wüſte heißen Sand?
Immer ferner, immer weiter?
Nach des Indus Fabelſtrand?
Siegſt du mit der Wimper Winken,
Warum fechten wir und ſinken
Wir für dich? Zum Schein und Spott?
Lebende kannſt du belohnen,
Deine todten Macedonen,
Wecke ſie, biſt du ein Gott!“
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[196/0210] Die erhabne Stirn und Braue Träumt den Zug ins Inderland, Lauſchend lieſt den Traum das ſchlaue Kind, den Blick emporgewandt: „Bacchus biſt du, der belaubte, Mit dem ſchwärmeriſchen Haupte, Der ins Land der Sonne zieht! Ohne Heer kannſt du bezwingen, Nur den Thyrſus darfſt du ſchwingen, Winke nur und Indien kniet!“ Finſter grollt der tapfre Streiter: „Durch der Wüſte heißen Sand? Immer ferner, immer weiter? Nach des Indus Fabelſtrand? Siegſt du mit der Wimper Winken, Warum fechten wir und ſinken Wir für dich? Zum Schein und Spott? Lebende kannſt du belohnen, Deine todten Macedonen, Wecke ſie, biſt du ein Gott!“

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/210>, abgerufen am 19.04.2024.