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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Der Schreckliche.
Benvenuto, sprich, was schmiedest
Du wie rasend in der Werkstatt?
Welches ungeheure Kunstwerk?
-- "Messer! Scharfe feine Messer!"
Benvenuto, sprich, was prahlst du?
Welche ungeheure Lüge
Tischest auf du den Gesellen?
-- "Ich bin stummer als ein Fischchen."
Benvenuto, sprich, was drohst du?
Welche ungeheure Mordthat,
Die vor Abend du begehn wirst?
-- "Ich bin frömmer als ein Lämmlein."
Benvenuto bringt die Eisen
Meister Jakob von Perugia,
Der den kranken Finger schneidet
Dem geduld'gen Kind des Goldschmieds.
Benvenuto's glühnde Blicke
Folgen jedem Schnitt des Stahles.
"Rafaella, schmerzt mein Messer?"
"Benvenuto, nein, es schmerzt nicht."

Der Schreckliche.
Benvenuto, ſprich, was ſchmiedeſt
Du wie raſend in der Werkſtatt?
Welches ungeheure Kunſtwerk?
— „Meſſer! Scharfe feine Meſſer!“
Benvenuto, ſprich, was prahlſt du?
Welche ungeheure Lüge
Tiſcheſt auf du den Geſellen?
— „Ich bin ſtummer als ein Fiſchchen.“
Benvenuto, ſprich, was drohſt du?
Welche ungeheure Mordthat,
Die vor Abend du begehn wirſt?
— „Ich bin frömmer als ein Lämmlein.“
Benvenuto bringt die Eiſen
Meiſter Jakob von Perugia,
Der den kranken Finger ſchneidet
Dem geduld'gen Kind des Goldſchmieds.
Benvenuto's glühnde Blicke
Folgen jedem Schnitt des Stahles.
„Rafaella, ſchmerzt mein Meſſer?“
„Benvenuto, nein, es ſchmerzt nicht.“

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[299/0313] Der Schreckliche. Benvenuto, ſprich, was ſchmiedeſt Du wie raſend in der Werkſtatt? Welches ungeheure Kunſtwerk? — „Meſſer! Scharfe feine Meſſer!“ Benvenuto, ſprich, was prahlſt du? Welche ungeheure Lüge Tiſcheſt auf du den Geſellen? — „Ich bin ſtummer als ein Fiſchchen.“ Benvenuto, ſprich, was drohſt du? Welche ungeheure Mordthat, Die vor Abend du begehn wirſt? — „Ich bin frömmer als ein Lämmlein.“ Benvenuto bringt die Eiſen Meiſter Jakob von Perugia, Der den kranken Finger ſchneidet Dem geduld'gen Kind des Goldſchmieds. Benvenuto's glühnde Blicke Folgen jedem Schnitt des Stahles. „Rafaella, ſchmerzt mein Meſſer?“ „Benvenuto, nein, es ſchmerzt nicht.“

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/313>, abgerufen am 18.04.2024.